Heute wird gegrillt. Das macht der Haushaltsausschuss, also die Bundestagsabgeordneten, die sich mit den Finanzen der Bundesregierung beschäftigen, einmal im Jahr. An diesem Mittwoch jedoch wird vor dem traditionellen Grillen erst der ehemalige Bundesgesundheitsminister ins Kreuzverhör genommen.
Jens Spahn (CDU) wird die Fragen der Abgeordneten zur Maskenbeschaffung seines Ministeriums zu Beginn der Corona-Pandemie beantworten. Die Vorwürfe lauten vereinfacht: Spahn habe eigenmächtig gegen den Rat aus seinem Ministerium gehandelt und zudem Unternehmen aus seiner Heimat bevorzugt, was den Steuerzahler mehrere Milliarden Euro - eine konkrete Summe ist schwierig zu beziffern - kosten könnte. Angesichts der Corona-Kosten von über 400 Milliarden über die Corona-Jahre hinweg nur ein Bruchteil, aber dennoch viel Geld.
Ein geschwärzter Bericht und viele Fragen
Ins Rollen gebracht hatte die Affäre der Bundesrechnungshof, der in seinen Berichten enorme Steuergeldverschwendung anprangerte. Danach ließ der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als Nachfolger von Jens Spahn im Ministerium einen weiteren Bericht anfertigen. Er beauftragte die pensionierte Beamtin Margaretha Sudhof mit der Untersuchung der Maskenbeschaffung im Ministerium. Sudhof, SPD-Mitglied und langjährige Staatssekretärin in mehreren Ministerien, hatte ihren Bericht bereits im Januar fertiggestellt, Lauterbach aber veröffentlichte ihn zunächst nicht, weil er mitten in die Wahlkampfphase zur vorgezogenen Bundestagswahl 2024 gefallen wäre.
Auch Lauterbachs Nachfolgerin Nina Warken (CDU) wollte den Bericht zunächst unter Verschluss halten, erst auf großen öffentlichen Druck ließ sie den Bundestagsabgeordneten des Gesundheits- und später des Haushaltsausschusses eine in Teilen geschwärzte Fassung zukommen. Zugleich distanzierte sich ihr Ministerium in einem Begleitschreiben von dem Sudhof-Bericht, er sei "lückenhaft" und "damit falsch". Auch sei Spahn nie befragt worden, was dieser selbst bestätigt. Für Warken ist der Bericht zudem "in der Methodik schlecht", sagte sie nach der Anhörung im Ausschuss, weil Quellenangaben fehlten.
Eine Logistikfirma aus dem Münsterland, Heimat von Jens Spahn
Heikel wird die Sache für Spahn, weil er eine Logistikfirma aus seiner münsterländischen Heimat mit Beschaffung und Lagerung der Masken beauftragt hat. Diese Logistikfirma erwies sich als überfordert mit der Aufgabe, als die Beschaffung aus dem Ruder lief. Regressforderungen aus dem Ministerium gab es jedoch nicht. Später wurden andere Händler beauftragt. Einige dieser Händler klagen seit Jahren gegen den Bund, weil sie auf Masken und Kosten sitzengeblieben sind. Dem Bund drohen Milliardennachforderungen, mehrere Prozesse hat er bereits in erster Instanz verloren oder teure Vergleiche geschlossen.
Im Sudhof-Bericht - den Spahn nicht fair findet, zu dem er aber nach der Anhörung einräumt: "Ja, was in dem Bericht steht, stimmt: Wir waren am Limit" - wird Spahn zudem attestiert, sich "fachfremd und ohne Arbeitsmuskel mit Milliardensummen auf dem Gebiet der Beschaffung betätigen zu wollen". In der Tat hat das Bundesgesundheitsministerium auf diesem Gebiet wenig bis keine Erfahrung, dafür gibt es Beschaffungsämter im Verteidigungs- oder Innenministerium, denen Spahn aber offenbar nicht vertraute.
Die SPD duckt sich weg - die Opposition schäumt
Vom Koalitionspartner SPD hört man wenig. Christos Pantazis (SPD) verweist auf den damaligen Ausnahmezustand, vermeidet aber allzu harsche Kritik an der Union. Was unter Umständen damit zu tun hat, dass Spahn in der Maskenbeschaffung mit dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eng zusammenarbeitete und die Masken einkaufen konnte, zu welchem Preis auch immer. Anders als Spahn wird Scholz nicht im Haushaltsausschuss aussagen. Dafür wurde die amtierende Gesundheitsministerin geladen. Nina Warken sagte danach, sie wolle eine Projektgruppe einsetzen, um den Bericht aufzuarbeiten.
Die Opposition hat zum Thema Maskenbeschaffung eine aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. Die Grünen fragen öffentlich, ob Spahn "die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertritt oder verrät", so Paula Piechotta, Haushaltsexpertin der Grünen, die sich seit Jahren um Aufklärung in dieser Sache bemüht. Die Grünen werfen Spahn öffentliche Bereicherung vor.
Linken-Chefin Ines Schwerdtner fordert den Rücktritt Spahns als Fraktionschef: "Die Indizien sprechen gegen ihn und seine halbgaren Ausflüchte. Spahn hat gegen den Rat seiner Experten windige Milliardendeals eingefädelt, die uns alle teuer zu stehen kommen. Wer so leichtfertig unsere Steuergelder aus dem Fenster wirft, darf kein wichtiges politisches Amt mehr ausüben." Auch aus der AfD legt die Abgeordnete Claudia Weiss Spahn indirekt den Rücktritt nah. Spahn selbst lehnt einen Rücktritt bislang entschieden ab.
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