Die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bei der Urteilverkündung zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
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Der Staat darf weiterhin den Soli erheben. Derzeit zahlen ihn noch etwa zehn Prozent der Steuerpflichtigen.

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Nach dem Soli-Urteil - Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Nach dem Soli-Urteil - Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde gegen den Solidaritätszuschlag abgeräumt. Den Koalitionsverhandlern bleibt so ein riesiges Haushaltsloch erspart. Allerdings ist da noch ein Versprechen der Union.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Es ist kurz nach zehn Uhr am Mittwochmorgen, als bei vielen, die das Thema Haushalt, Finanzen und Steuern zuletzt verhandelt haben, ein großer Seufzer der Erleichterung zu hören gewesen sein dürfte. Denn das Karlsruher Urteil hätte auch ganz anders enden können: mit rund 13 Milliarden Euro weniger im Jahr für den Bundeshaushalt - und im schlimmsten Fall für die Verhandler sogar mit einer Rückzahlung des Solidaritätszuschlags der vergangenen Jahre. Das wären seit 2020 um die 65 Milliarden Euro gewesen.

Zumindest nicht noch ein Problem

Für die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD hätte das noch mehr Kontroverse bedeutet über das, was in den nächsten vier Jahren finanzierbar ist - und vor allem darüber, wofür kein Geld da sein wird. Die Liste der Konfliktthemen der Arbeitsgruppe 16 zum Thema Finanzen gilt derzeit auch ohne Soli-Probleme als die längste. Keine Einigung gibt es bislang etwa beim Ehegattensplitting, das die SPD abschaffen will, oder bei der Unternehmenssteuerreform, wie sie CDU und CSU vorschwebt.

Zwischen Finanzsorgen und Wahlkampfversprechen

Doch mit dem Urteil ist der viele Jahre andauernde Streit über den Soli nicht vom Tisch. Und es stürzt CDU und CSU in ein Dilemma. Obwohl sie auch kein Interesse an einem noch tieferen Haushaltsloch haben, hatten CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm mit der Komplettabschaffung des Soli für sich geworben. Dementsprechend verhalten fallen die Reaktionen aus.

Auch wenn nun Rechtssicherheit herrsche, sei es ein "enttäuschendes Ergebnis", sagt etwa Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). "Es ist und bleibt bayerisches Ziel, die Sonderbelastung Soli möglichst bald, endgültig und vollständig abzuschaffen." Über 30 Jahre Soli seien genug. 2024 zahlte die Wirtschaft nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft etwa sieben Milliarden Euro. In der CSU spricht man vom Soli als "eine Art Unternehmensteuer-plus".

Kritik aus Industrie und Unternehmen

Trotz des Urteils ist das Soli-Aus für Industrie- und Unternehmensvertreter noch nicht vom Tisch. Es sei "ein herber Rückschlag für die Unternehmen", sagt Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Abschaffung des Zuschlags gehöre in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) spricht sich ebenfalls für einen vollständigen Stopp des Soli aus. Das sei eine wichtige Entlastung. Unterstützung für diese Position kommt auch von der wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Sie hält die Abschaffung für sinnvoll, wie sie der "Funke-Mediengruppe" sagte.

SPD: Klarheit für den Bundeshaushalt

Ganz anders sieht das der geschäftsführende Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD). Er begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil bestätige "unsere Rechtsauffassung, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags im Einklang steht mit unserer Verfassung, und schafft damit Klarheit für die Aufstellung des Bundeshaushalts".

Die Grünen fordern die Union auf, ihre Pläne zur Abschaffung des Zuschlags aufzugeben. "Man kann nicht einerseits hohe Schulden aufnehmen und andererseits daran arbeiten, den Reichsten im Land Steuergeschenke zu machen", sagt der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch der "Rheinischen Post".

Soli freiwillig abschaffen?

Wie viel die Ersparnis für die Staatskasse durch das Urteil für die voraussichtliche Koalition aus Union und SPD wert sein wird, zeigt sich wohl erst im Laufe der nächsten Wochen. Leichter dürfte das Urteil die weiteren Koalitionsverhandlungen jedenfalls nicht machen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Union ohne größere Entlastungen für die Unternehmen einem Koalitionsvertrag zustimmen wird.

"Das macht es nicht leichter", sagt Mathias Middelberg, Haushaltspolitiker der CDU, gegenüber BR24 über das Urteil. "Trotzdem ändert sich eben nichts an der Notwendigkeit, dass wir eine Unternehmenssteuerreform, eine Entlastung brauchen, damit wir als Standort Deutschland wieder attraktiver werden." Das könnte die Richtung sein, in die die Union nun zielt. Dass man sich nach dem Urteil vom Mittwoch noch auf eine freiwillige Abschaffung des Solidaritätszuschlags einigen wird, halten Beobachter für unwahrscheinlich.

Im Video: Der Solidaritätszuschlag bleibt

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bei der Urteilverkündung zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
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Der Soli bleibt, er ist rechtens. Das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden.

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