In der Geheimchat-Affäre gerät die Regierung von US-Präsident Donald Trump zunehmend in Bedrängnis. Nachdem Trumps Mannschaft alle Vorwürfe zurückgewiesen und die Integrität der Enthüller infrage gestellt hatte, legte das US-Magazin "The Atlantic" nun den gesamten Chatverlauf offen.
Daraus geht hervor, dass Verteidigungsminister Pete Hegseth etwa eine halbe Stunde vor Beginn einer US-Militäroperation gegen die Huthi-Miliz im Jemen Mitte März in der Chatgruppe im Detail den Zeitplan, die genaue Abfolge der Bombardierung und die eingesetzten Waffensysteme teilte.
Sicherheitsversagen: Sensible Informationen im Chat geteilt
Der Chefredakteur des Magazins, Jeffrey Goldberg, war - wohl aus Versehen - in den Gruppenchat ranghoher Regierungsmitglieder eingeladen worden und konnte die Pläne über die bevorstehende US-Militäraktion im Jemen live mitlesen. Er machte das dramatische Sicherheitsversagen später publik. Seitdem ist die Trump-Regierung in Erklärungsnot - was sich durch die neuen Details nur verschärft.
Mitglieder des Gruppenchats waren die obersten Führungsköpfe zur nationalen Sicherheit der USA: neben Hegseth Trumps Stellvertreter J.D. Vance, Trumps nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz, der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, und die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard. Waltz hatte die Gruppe eingerichtet und dabei den Journalisten Goldberg hinzugefügt.
Dass ranghohe Regierungsmitglieder überhaupt sensible Informationen über die kommerzielle App Signal austauschen, ist bereits ein Bruch mit den üblichen Sicherheitsstandards. Dass dort Details über einen bevorstehenden Militärschlag erörtert wurden - noch dazu vor den Augen eines Reporters, dessen Anwesenheit niemand bemerkte, gilt als Sicherheitsversagen von immensem Ausmaß.
Trump-Regierung bestritt erst brisanten Inhalt
Das "Atlantic"-Magazin hatte zuerst lediglich auszugsweise aus dem Chatverlauf zitiert, Trump, Waltz und andere Beteiligte und führende Regierungsmitglieder behaupteten jedoch unisono öffentlich, dass in dem Chat keinerlei vertrauliche Informationen geteilt wurden. Auch Hegseth bestritt vehement, "Kriegspläne" übermittelt zu haben. Stattdessen diskreditierten sie den "Atlantic" und dessen Chefredakteur.
Das Magazin entschied sich daher für die Veröffentlichung auch der heiklen militärischen Passagen, da "ein eindeutiges öffentliches Interesse" bestünde. Man habe vor der Veröffentlichung verschiedene Regierungsmitglieder gefragt, ob sie Einwände hätten. Das Weiße Haus sei gegen die Veröffentlichung gewesen.
Alles drin: Wetter, Kampfjet-Startzeiten, Reihenfolge der Angriffe
Die Nachrichten haben es in sich. Aus den Screenshots des Chatverlaufes geht hervor, dass Hegseth kurz vor dem Beginn des US-Militärschlages im Jemen Einzelheiten zum geplanten Ablauf in dem Signal-Chat postete - inklusive Wetter, Startzeiten von F-18-Kampfjets und Drohnen und Reihenfolge der Angriffe. Wörtlich heißt es unter anderem: "Zielterrorist befindet sich an seinem bekannten Aufenthaltsort."
Trumps Sicherheitsberater Waltz spielte dies erneut herunter und schrieb auf der Plattform X: "Keine Standorte. Keine Quellen und Methoden. Keine Kriegspläne."
Brachte der Chat US-Soldaten in Lebensgefahr?
Demokraten und Fachleute werten die Verbreitung derart konkreter Informationen zu einem bevorstehenden Militärschlag über einen Messenger-Dienst, der nicht ansatzweise den Sicherheitsstandards für den Austausch solcher Informationen genügt, jedoch als kompletten Tabubruch, der jene Soldaten, die an dem Einsatz beteiligt waren, in Lebensgefahr brachte.
So schrieb eine frühere Sprecherin des Verteidigungsministeriums aus der Amtszeit Joe Bidens, Sabrina Singh, auf X, Hegseth habe den Ablauf der gesamten Operation und die Flugzeugtypen offengelegt, bevor die Operation stattgefunden habe. "Er setzte das Leben unserer Kampfpiloten aufs Spiel. Details wie diese sind geheim. Ich bin absolut fassungslos."
Vance: "Hasse es, Europa wieder aus der Klemme zu helfen"
Die ranghohen Regierungsmitglieder diskutierten in dem Chat auch hitzig, wie die Attacken gegen die Huthi nach außen hin dargestellt werden sollten - und ob nicht am meisten Europa profitiere, wenn die Schifffahrtsstraßen in der Region wieder sicher gemacht würden.
So schrieb Vance demnach: "Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Klemme zu helfen." Hegseth antworte: "Ich teile voll deine Abscheu vor dem europäischen Schmarotzen. Das ist erbärmlich." An anderer Stelle zweifelte Vance offen an, ob sein Chef Trump sich im Klaren sei, wie die Aktion mit Blick auf seinen sonstigen Kurs zu Europa ankomme: "Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu den aktuellen Botschaften über Europa steht".
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