Symbolbild: Linke will sich neu erfinden
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Nach der Ära Wagenknecht: Linke will sich neu erfinden

Nach der Ära Wagenknecht: Linke will sich neu erfinden

Eine Serie von Wahlpleiten, eine zerfallende Fraktion, eine drohende Konkurrenzpartei – die Linke steht vor einem Berg von Problemen. Der Augsburger Parteitag ist der erste nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht. Und er soll die Wende bringen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Entscheidung kam gerade noch rechtzeitig vor dem Parteitag. Es war schon drei Wochen her, dass Sahra Wagenknecht mit neun anderen Parlamentariern ihren Abschied von der Linken verkündet hatte, unter ihnen auch der Schweinfurter Abgeordnete Klaus Ernst.

Und immer noch gab es keinen Beschluss dazu, ob und wann sich die Fraktion im Bundestag auflöst. Doch am vergangenen Dienstag setzten die übrig gebliebenen Abgeordneten der Linken zum erhofften Befreiungsschlag an. Und beschlossen, dass die politisch bereits erledigte Fraktion auch formal abgewickelt wird. Am Nikolaustag soll es soweit sein.

Linke nach Trennung von Wagenknecht vor Scherbenhaufen

Dass sich eine Fraktion inmitten der Wahlperiode auflöst, hat man im Bundestag seit rund 60 Jahren nicht mehr erlebt. Die Linke muss also beim Parteitag an diesem Wochenende in Augsburg einen historischen Scherbenhaufen zusammenkehren.

Doch bevor sich Endzeitstimmung breitmachen kann, versucht es die Partei mit Zweckoptimismus. "Bei Niederlagen gilt: Wer achtmal hinfällt, muss neunmal aufstehen", sagt Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Auch Co-Parteichefin Janine Wissler gibt sich Mühe, die Krise als Chance zu deuten: "Wir sind die einzige relevante linke Partei in Deutschland, und wir kämpfen darum, dass wir wieder stärker werden."

Parteispitze hofft in Augsburg auf "Zeichen der Stärke"

Ein Satz, mit dem das strategische Dilemma schon umrissen ist. Die Linke muss eigentlich die eigene Wirkmächtigkeit beschwören, ohne sich an der Konkurrenz im eigenen Lager abzuarbeiten.

"Die einzige relevante linke Partei" – damit bezieht sich Wissler aber auf Sahra Wagenknecht, auch wenn sie die Widersacherin nicht beim Namen nennt. Genau darin liegt die Gefahr für diesen Parteitag: dass sich wieder alles um eine Politikerin dreht, die gar nicht dabei ist – und mittlerweile nicht einmal Parteimitglied.

Ein Szenario, das die Führung der Linken unbedingt verhindern will. "Von diesem Parteitag wird ein Zeichen der Stärke und der Erneuerung der Linken ausgehen", sagt Co-Parteichef Martin Schirdewan.

Man habe ein paar "schöne Sachen" vorbereitet. Dazu gehört beispielsweise ein neues Erscheinungsbild der Partei, samt frischem Logo. Doch soll es in Augsburg nicht bei Kosmetik bleiben.

Neue Inhalte - keine "Blockkonfrontation"

Die Partei will sich inhaltlich neu aufstellen, schließlich geht es zumindest der Tagesordnung nach vor allem um die Europawahl im nächsten Jahr.

Eine humane Flüchtlingspolitik, ein klares Nein zu Aufrüstung und einer neuen "Blockkonfrontation", mehr Steuern für Reiche – mit solchen Forderungen will die Linke ein gutes Ergebnis erreichen.

Vor vier Jahren hat die Partei bei der Wahl zum Europäischen Parlament 5,5 Prozent geholt. Bisher ist sie in Brüssel und Straßburg mit fünf Abgeordneten vertreten. Martin Schirdewan ist einer der beiden Vorsitzenden aller Linken-Abgeordneten im EU-Parlament.

Bekannte Flüchtlingsaktivistin tritt für Linke bei EU-Wahl an

Prominenter als der gebürtige Ostberliner dürfte allerdings eine andere Kandidatin aus dem Spitzenteam zur EU-Wahl sein: Carola Rackete.

Die 35-Jährige hat sich vor Jahren als Kapitänin des Schiffs "Sea-Watch" einen Namen gemacht: Rackete rettete eine Gruppe von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer, die vor der Küste Libyens in Seenot geraten waren. Nach wochenlanger Irrfahrt lief sie den Hafen der italienischen Insel Lampedusa an – trotz eines Verbots der Behörden des Landes. Die damalige Regierung in Rom war außer sich, was Racketes Ruhm unter Menschenrechtsaktivisten nur gemehrt hat.

Insofern fügt sich die Personalie in eine Strategie ein, mit der sich die Linke für gesellschaftliche Bewegungen öffnen will. Allerdings geht die Partei damit auch ein Risiko ein.

Rackete steht wie kaum eine andere Aktivistin für eine Politik der offenen Grenzen. Und genau gegen diesen Ansatz wendet sich Wagenknecht – in der Hoffnung, bei den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland der AfD das Wasser abzugraben.

Linke will mit "Arzt der Armen" punkten

Darauf angesprochen, reagiert die Linken-Spitze bei einer Presskonferenz in der Berliner Parteizentrale genervt.

"Vielleicht kann ich das mal ein bisschen sortieren", sagt Schirdewan und räuspert sich. "Carola Rackete tritt ja für die Europawahl an und nicht für die ostdeutschen Landtagswahlen." Außerdem verweist er auf das Vorhaben, Anschluss auch an andere Milieus zu finden.

Als Beispiel nennt er Gerhard Trabert, der wie Rackete kein Parteibuch hat. Manche kennen den Mediziner als "Arzt der Armen". Der 67-Jährige hat zum Beispiel eine Ambulanz für Wohnungslose ins Leben gerufen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er im vergangenen Jahr bekannt, als die Linke ihn bei der Bundespräsidentenwahl ins Rennen schickte.

Kein Aufbruch ohne Rückschau

Doch so sehr sich die Linken-Führung auch bemüht, dem Parteitag an diesem Wochenende schon jetzt das Etikett "Aufbruch" zu verpassen: Ganz ohne Rückschau wird es wohl nicht gehen.

Die quälend lange Trennung von Wagenknecht hat Spuren hinterlassen – und nicht alle in der Partei machen dafür allein den Talkshowdauergast verantwortlich. Gleich zum Auftakt des Treffens ist eine mehrstündige Generaldebatte angesetzt.

Da werde man sich gründlich über alle wichtigen Fragen austauschen, verspricht Schirdewan. "In guter linker Tradition." Womit er wohl recht behalten wird: Eine ausgeprägte Diskussionsfreude hat der Linken jedenfalls noch niemand abgesprochen.

Im Video: Die Linke kommt zum Parteitag zusammen

Die Linke ist zu ihrem Bundesparteitag in Augsburg zusammengekommen.
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Die Linke ist zu ihrem Bundesparteitag in Augsburg zusammengekommen.

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