Nach Imamoglu-Absetzung: Erneut große Proteste in der Türkei
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Francisco Seco
Videobeitrag

Nach Imamoglu-Absetzung: Erneut große Proteste in der Türkei

Videobeitrag
>

Mehr als 1.100 Festnahmen bei Protesten für Imamoglu

Mehr als 1.100 Festnahmen bei Protesten für Imamoglu

In der Türkei sind nach der Absetzung und Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu erneut Menschen auf die Straße gegangen – trotz eines Demonstrationsverbotes. Rund 1.100 Menschen wurden laut Innenministerium festgenommen.

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Nach der Inhaftierung und vorübergehenden Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu sind in mehreren Städten in der Türkei Hunderttausende durch die Straßen gezogen, trotz eines landesweiten Demonstrationsverbots. Die Polizei setzte Berichten zufolge am späten Abend Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstrierenden ein.

Laut Innenministerium wurden rund 1.100 Menschen festgenommen, darunter sind auch Journalisten. 123 Polizisten seien zudem bislang bei Ausschreitungen verletzt worden. Die wichtigste Oppositionspartei CHP hatte zu den Protesten aufgerufen.

Fünf Tage in Folge landesweite Proteste

Der Istanbuler Bürgermeister und CHP-Politiker Imamoglu gilt als aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der für 2028 angesetzten Wahl. Er war am Mittwoch im Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorermittlungen festgenommen und schließlich am Sonntag in Untersuchungshaft überführt worden. Überdies werden Terrorermittlungen gegen ihn geführt. Seit der Festnahme gibt es landesweite Proteste dagegen – mittlerweile den fünften Tag in Folge.

Zu dem Protest am Sonntagabend in der Millionenmetropole Istanbul fanden sich vor der Stadtverwaltung auf dem Sarachane-Platz Hunderttausende ein. CHP-Chef Özgür Özel sprach von einer Million Teilnehmern. Von lokalen Behörden gibt es keine Angaben zu der Größe der Demonstrationen. Auch in Ankara setzten Tausende Menschen Berichten zufolge die Proteste fort.

Große Zustimmung für Imamoglu bei parteiinterner Abstimmung

Imamoglu selbst bestreitet alle Vorwürfe und wirft seinerseits der Regierung vor, ihn mit den Ermittlungen als politischen Rivalen kaltstellen zu wollen. Das Innenministerium erkannte ihm wegen der Untersuchungshaft das Bürgermeisteramt ab. Darüber hinaus war Imamoglu einen Tag vor seiner Festnahme sein Universitätsabschluss aberkannt worden. Dieser ist Voraussetzung für eine Kandidatur für das Präsidentenamt. Umfragen sagen Imamoglu bisher gute Chancen gegen den seit 2003 abwechselnd als Regierungschef oder Präsident an der Staatsspitze stehenden Erdogan voraus.

Trotz der Untersuchungshaft votierten am Sonntag in einer parteiinternen Abstimmung 1,6 Millionen der 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für Imamoglu als Präsidentschaftskandidaten, wie Parteichef Özel am Abend bei einer Kundgebung in Istanbul sagte. Özel sprach von einer "historischen Wahl". Doch wegen der gegen Imamoglu laufenden Ermittlungen, die das Land seit Tagen in Aufruhr versetzen, steht ein großes Fragezeichen hinter der politischen Zukunft des 53-Jährigen.

Die Wahl, in der Imamoglu als einziger Kandidat antrat, war bereits vor seiner Festnahme angesetzt worden. Die Partei öffnete sie danach symbolisch für Nicht-Parteimitglieder. Offizieller Kandidat ist Imamoglu erst, wenn die als regierungsfreundlich geltende türkische Wahlbehörde YSK seine Kandidatur bestätigt. Sollten die Ermittlungen nicht eingestellt werden, ist die Annahme seiner Kandidatur unwahrscheinlich. 

Scharfe Kritik aus Deutschland und Frankreich

Aus Deutschland wurde erneut scharfe Kritik am Vorgehen der türkischen Justiz gegen Imamoglu laut. Das Auswärtige Amt sprach von einem "schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei" und erklärte, politischer Wettbewerb dürfe "nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden".

Man beobachte die Entwicklung in der Türkei im Augenblick mit großer Sorge, sagte auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Die jüngsten Entwicklungen sind ein schlechtes Zeichen für die Demokratie in der Türkei", sagte er.

Kritik kam auch aus Frankreich. Die Festnahme Imamoglus und zahlreicher weiterer Menschen stelle "einen schweren Angriff auf die Demokratie dar", erklärte das Außenministerium in Paris. 

Im Video: Wackelt die Demokratie in der Türkei?

ARCHIV - 05.02.2025, Türkei, Ankara: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, äußert sich bei einer Pressekonferenz mit Bundespräsident Steinmeier nach einem Gespräch im Präsidentenpalast.  (zu dpa: «Erdogan-Rivale muss in U-Haft · mehr Proteste erwartet») Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Bernd von Jutrczenka
Videobeitrag

Recep Tayyip Erdogan

Mit Informationen von dpa und AFP

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!