Papst Leo XIV. und Donald Trump stehen für zwei völlig unterschiedliche Weltanschauungen. Das Oberhaupt einer Weltkirche auf der einen und der US-Präsident mit seinem "America First"-Motto auf der anderen Seite. Inwieweit kann Leo XIV. in der Weltpolitik mitmischen? Antworten von Gudrun Sailer. Die Vatikan-News-Redakteurin gilt als eine der profundesten Kennerinnen der vatikanischen Strukturen.
BR24: Kann Leo der XIV. die Welt retten?
Gudrun Sailer: Ich glaube, die Welt kann man nicht allein retten und das kann auch der Papst nicht. Die Welt kann man, wenn überhaupt, nur gemeinsam retten, und ich glaube, dass Papst Leo dazu einen Beitrag leisten könnte.
BR24: Ein anderes Label, das Leo sehr früh bekommen hat durch die Medien, ist der "Anti-Trump". Würden Sie sagen, das ist ein Label, das passt?
Sailer: Das halte ich für eine schwierige Zuschreibung, sehr zugespitzt. Eine Zuschreibung, die im Vatikan sicherlich keine Fans findet - warum nicht? Weil das aus so einem klassischen Freund-Feind-Schema-Denken kommt, das sicherlich nicht dem Frieden dient. Auf der anderen Seite ist es klar, dass diese zwei Männer - Trump und Leo XIV. - in ihrem ganzen Amtsverständnis manifeste Unterschiede haben. Trump tritt unberechenbar auf, ein bisschen willkürlich, während der Papst vertrauenswürdig und berechenbar ist, weil er ein 2.000 Jahre altes Evangelium vertritt und die Werte verkündet, die darin verankert sind.
Ein Papst mit globalem Horizont
BR24: Ist es von Vorteil, dass er US-Amerikaner und Peruaner ist?
Sailer: Papst Leo ist der erste Papst mit drei Staatsbürgerschaften übrigens. Denn neben der amerikanischen und der peruanischen hat er auch die vatikanische Staatsbürgerschaft. Was ihm auf jeden Fall helfen wird, ist, dass er englischer Muttersprachler ist. Es ist nun einmal die Lingua Franca in unserer globalisierten Welt. Aber ansonsten glaube ich, dass er von seiner ganzen Biografie her einfach jemand ist, der so viele verschiedene Welten kennt und dass er deswegen Brückenbauer sein kann.
Im Video: Leo XIV.: Kann der Anti-Trump die Welt retten? Possoch klärt!
Das diplomatische Netzwerk des Vatikans
BR24: Wie funktioniert der diplomatische Dienst des Vatikans?
Sailer: Man kann zugespitzt sagen: Die Päpste haben die Diplomatie erfunden. Es ist das älteste diplomatische Wesen, das wir haben. Ein extrem komplexes, gut geöltes und effizientes Instrument, das der Papst zur Verfügung hat, um in die Welt hineinzuwirken. Der Heilige Stuhl hat heute volle diplomatische Beziehungen mit 184 Staaten der Welt.
Der Papst entsendet Diplomaten, sogenannte Nuntien. Diese haben Zugang zu Informationen, die normale Diplomaten nicht haben. Warum? Die katholische Kirche kann als Netzwerk beschrieben werden. Katholische Gläubige gibt es überall, in jedem Land der Welt. Nuntien haben eine kirchliche und zugleich diplomatische Funktion. Sie können in die entlegensten Klöster fahren, in Krisen- und Kriegsregionen, wo die betreffende Regierung normale Diplomaten aus Sicherheitsgründen nicht hinlässt.
Päpstliche Diplomaten gelangen so an Informationen, die andere nie haben, und melden sie in ihre Zentrale im Vatikan. Das Staatssekretariat ist wirklich eine Informationszentrale für politisch relevante Informationen aus der ganzen Welt. Zugleich ist das eine extrem diskrete und schweigsame diplomatische Maschine. Es geht der Spruch: "Die Diplomatie des Heiligen Stuhls versteht es, in 20 Sprachen zu schweigen.
Im Audio: Vatikanexpertin Gudrun Sailer über die Diplomatie des Vatikans
Gudrun Sailer: Die Vatikan News-Redakteurin gilt als eine der profundesten Kennerinnen der vatikanischen Strukturen.
Hoffnung in einer zerrissenen Welt
BR24: Welche Rolle wird Leo XIV. in unserer Welt zukommen?
Sailer: Wir haben einen Papst, mit dem sich wirklich die Hoffnung verknüpft, dass er als Brückenbauer in diese Welt hineinwirken kann. Es wird sich viel daran zeigen, wie gut es ihm gelingen kann, Allianzen zu schmieden, auch über gewohnte Kreise hinaus. Ein Papst kann nie allein die Welt retten, aber kann es zusammen mit anderen, wenn es ihm gelingt, viele ins Boot zu holen.
BR24: Danke für das Gespräch.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!