Die Angeklagte Jennifer W. mit ihrem Anwalt Ali Aydin. (Archivbild)
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Die Angeklagte Jennifer W. mit ihrem Anwalt Ali Aydin. (Archivbild)

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Münchner IS-Prozess: Nebenklage hält Höchststrafe für angemessen

Münchner IS-Prozess: Nebenklage hält Höchststrafe für angemessen

Mehrere Anwälte geben im viel beachteten Münchner IS-Prozess einem mutmaßlich getöteten Jesiden-Mädchen eine Stimme. In ihrem Plädoyer folgen sie nun der Bundesanwaltschaft. Die hatte vergangene Woche die Höchststrafe für die Angeklagte gefordert.

Im IS-Prozess um ein mutmaßlich getötetes fünfjähriges jesidisches Kind haben die Vertreter der Nebenklage kein eigenes Strafmaß beantragt, halten aber die von der Bundesanwaltschaft verlangte Höchststrafe für die Angeklagte Jennifer W. für angemessen.

Vergangene Woche hatte die Bundesanwaltschaft vor dem Münchner Oberlandesgericht eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Jennifer W. habe durch Untätigkeit den Tod eines fünfjährigen Mädchens zu verantworten, so Oberstaatsanwältin Claudia Gorf. Die Angeklagte sei unter anderem der Versklavung mit Todesfolge, der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Kriegsverbrechen schuldig. Auch die Vertreter der Nebenklage fanden heute ähnliche Worte. Die IS-Rückkehrerin habe die Ideologie der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) und auch das Ziel, die Auslöschung der Jesiden, geteilt.

Die Bundesanwaltschaft war im Laufe des Prozesses vom Vorwurf des vollendeten auf den des versuchten Mordes durch Unterlassen umgeschwenkt, wie ein Sprecher des Oberlandesgerichts (OLG) erläuterte. Das liege daran, dass unklar sei, wann genau das Mädchen nicht mehr zu retten gewesen sei. Im Gegensatz dazu forderte die Nebenklage ein Urteil wegen vollendeten Mordes.

Verfahren läuft seit 2019

Mit den Plädoyers neigt sich der viel beachtete Prozess langsam dem Ende entgegen. Jesidische Organisationen und Menschenrechtsorganisationen verfolgen das Verfahren aufmerksam. Immer wieder sitzen Abgesandte im Gerichtssaal und notieren eifrig mit.

Vor Prozess-Start im April 2019 hatte eine Nachricht für Schlagzeilen gesorgt. Eine äußerst prominente Anwältin hatte sich in das Verfahren eingeschaltet: Die Menschenrechtsrechtsexpertin und Ehefrau des Schauspielers George Clooney, Amal Clooney, gehört zu einem Team, das die Nebenklägerin und Mutter des getöteten Mädchens vertritt. Vor Gericht ist Amal Clooney bisher nie erschienen.

Dafür umso häufiger die Berliner Strafverteidigerin Natalie von Wistinghausen, der Münchner Anwalt Wolfgang Bendler und Anna Bonini von der Londoner Kanzlei Clooneys.

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Amal Clooney vertritt gemeinsam mit anderen Anwälten die Nebenklage, ist zum Prozess in München bisher aber nie erschienen.

Jesidin: Prozess gegen Jennifer W. ein großer Moment

Schon vor dem Prozess ließen die Anwälte in einer gemeinsamen Erklärung mit der jesidischen Organisation Yazda verlauten: "Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf ihre Gelegenheit, vor Gericht auszusagen."

Nach Yazda-Angaben war der Münchner Prozess seinerzeit die weltweit erste Anklage wegen Straftaten von IS-Mitgliedern gegen die religiöse Minderheit der Jesiden. Die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nannte den Prozess einen großen Moment und ein wichtiges Verfahren für alle jesidischen Überlebenden. "Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: Dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden."

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Die Anwälte der Nebenklagen (l-r) Natalie von Wistinghausen, Wolfgang Bendler und Anna Bonini. (Archivbild)

Jennifer W., der IS und die Jesiden

Eigentlich stammt Jennifer W. aus Niedersachsen. Weil sie aber 2018 in Bayern auf der Durchreise verhaftet wurde, findet der Prozess in München statt.

Die Deutsche soll sich bis September 2015 ein Jahr bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufgehalten haben. Gemeinsam mit ihrem damaligen Mann, so der Vorwurf, hat sie das fünfjährige jesidische Kind und dessen Mutter versklavt.

Im Sommer 2015 hatte Jennifer W. der Anklage zufolge im irakischen Falludscha zugesehen, wie das kleine Mädchen ungeschützt in praller Sonne starb, nachdem ihr Ehemann es angebunden hatte. Laut Anklage war die Fünfjährige krank und hatte ins Bett gemacht. Draußen bei 45 Grad angebunden zu werden, sei die Strafe dafür gewesen. W. habe nichts unternommen, obwohl sie im Gegensatz zu den Sklaven keine Misshandlungen durch ihren Mann habe fürchten müssen.

Jennifer W. fühlte sich von ihrem Mann bedroht

Jennifer W. hatte vor Gericht eine etwas andere Version. Sie hatte in dem seit rund zweieinhalb Jahren laufenden Verfahren lange geschwiegen - bis sie sich im März dieses Jahres zu den Vorwürfen äußerte. Von ihrer Anwältin Seda Basay-Yildiz ließ sie eine Einlassung verlesen. Jennifer W. gab an, dass sie dem Mädchen habe helfen wollen. Wegen ihres Mannes habe sie sich jedoch nicht getraut.

Und dann brach sie in Tränen aus, als sie selbst die Nachfragen des Senats beantwortete, als dieser wissen wollte, ob ein Einschreiten von Jennifer W. trotz des Ehemanns möglich gewesen wäre. "Zu diesem Zeitpunkt niemals", antwortete die Angeklagte. "Heute wäre es mir egal, wenn er mich schlagen oder töten würde. Aber damals hatte ich nur ihn."

Oberstaatsanwältin Claudia Gorf sagte jedoch vergangene Woche, W.s Angaben seien nicht glaubwürdig und wiesen viele "logische Brüche" auf. Die Verteidiger der Angeklagten, Ali Aydin und Seda Basay-Yildiz, hatten vor der Bundesanwaltschaft gefordert, weitere Zeugen zu hören und Beweise zu erheben.

Basay-Yildiz warf dem Gericht vor, es habe die Aussage von W. ignoriert, laut der ein Angehöriger der Familie des Ehemanns das leidende, aber noch lebende Kind in ein Krankenhaus gebracht habe. Diese Version werde durch die Angaben der Mutter des Mädchens gestützt. Zudem argumentierte sie, dass der Tod der Fünfjährigen einem Bericht des Krankenhauses von Falludscha zufolge auch durch eine Infektion mit Typhus oder Salmonellen zu erklären sei. Das Gericht lehnte den Antrag ab.

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