Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angesichts weiter steigender Preise in den Supermärkten eine Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent vorgeschlagen. "Das würde ganz vielen, die wenig Geld verdienen, helfen, und es wäre für den Bundeshaushalt keine übermäßige Belastung", sagte der SPD-Politiker in den ARD-"Tagesthemen".
Grüne: Warum nicht früher?
Mit seinem Vorstoß im anlaufenden Bundestagswahlkampf fachte der Kanzler die schon länger schwelende Debatte über breite Entlastungen wieder an. Wichtig sei, "dass wir etwas sehr Überschaubares machen, was jeder beim täglichen Bedarf jeden Tag merkt" – nämlich an der Supermarktkasse. "Da sind einige schon ganz schön erstaunt, was da an Geld zusammenkommt für den Korb, den sie da gefüllt haben", so Scholz.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat den Vorstoß von Scholz indirekt als Wahlkampfmanöver kritisiert. "Es ist halt ein Vorschlag im Wahlkampf. Schön wäre es gewesen die letzten drei Jahre", sagte der Grünen-Politiker.
Kritik von Union und Wirtschaft
Der Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) bezeichnete den Vorstoß von Scholz als einen "billigen Wahlkampfköder". Sinnvoll wäre "eine zielgenaue Entlastung von Geringverdienern bei Steuern und auch bei Sozialabgaben, die verlässlich ankommt und das Arbeiten im Verhältnis zum Bürgergeldbezug lohnender macht".
Der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken, sagte der "Rheinischen Post", eine Mehrwertsteuersenkung wäre dann sinnvoll, wenn sie für alle Lebensmittel erfolge. "Das würde Verbrauchern und Landwirten helfen."
Der Handelsverband Deutschland lehnte den Vorschlag des Kanzlers ab. "Absenkungen der Mehrwertsteuer sind Entlastungen mit der Gießkanne, das ist nicht zielgenau", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Das Mehrwertsteuerrecht sei bereits kompliziert. Die Verwaltung sei mit Kosten von ein bis vier Prozent des Umsatzes für die Unternehmen schon teuer genug. Kämen neue Absenkungen hinzu, stiegen die Kosten weiter.
Sozialverband VdK fordert null Prozent Steuer
Für den Sozialverband VdK geht der Kanzler-Vorschlag in die richtige Richtung, aber noch nicht weit genug. "Durch die nach wie vor hohe Inflationsrate, vor allem bei Lebensmitteln, kommen immer mehr Menschen an ihre finanziellen Grenzen", sagte Präsidentin Verena Bentele. Geringverdienende, arme Rentner und Grundsicherungsempfänger litten besonders darunter.
Der VdK forderte daher, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel auf null Prozent zu senken. Dafür hatte sich 2023 etwa auch CSU-Chef Markus Söder ausgesprochen.
Derzeit Steuersätze von sieben und 19 Prozent
Über die Mehrwertsteuer als Stellschraube wird immer wieder diskutiert. Aktuell greift für viele Lebensmittel der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent. Dazu gehören etwa Zucker, Mehl, Kartoffeln, Gemüse und Obst, Tee und Kaffee, Nüsse, Milch und Milchprodukte sowie Fleisch, Fisch, rohe Eier und Honig.
Für verarbeitete Produkte und Getränke gilt der reguläre Satz von 19 Prozent. Dabei gibt es an den Einordnungen auch Kritik: So seien für einen "Coffee to go" mit einem Schuss Milch 19 Prozent fällig, erläuterte der Bundesrechnungshof – für Latte Macchiato mit aufgeschäumter Milch und Espresso aber sieben Prozent.
Für die Gastronomie lief Ende 2023 eine zeitweilige Senkung auf den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent auf Speisen aus.
Käme eine Senkung bei den Konsumenten überhaupt an?
Inwiefern eine Senkung bei den privaten Haushalten ankäme, ist umstritten. Jedes Unternehmen entscheide für sich, ob es eine Steuerersparnis weitergebe – ob die Endverbraucher profitierten, sei daher ungewiss, erläuterte etwa der Bundesrechnungshof.
Zu berechnen wäre auch das Gesamtvolumen. Nach Angaben des Finanzministeriums von 2023 lag das Mehrwertsteueraufkommen aus ermäßigt besteuerten Lebensmitteln bei geschätzt 16,5 Milliarden Euro.
Mit Informationen von dpa
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