Ein Kind sitzt mit einem Kuscheltier im Arm (gestellte Szene)
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Sexueller Kindesmissbrauch: Mehr Schutz mit neuem Gesetz

Sexueller Kindesmissbrauch: Mehr Schutz mit neuem Gesetz

Es passiert im Verborgenen, aber täglich – in Vereinen, Kirchen oder Heimen: Kinder und Jugendliche werden sexuell missbraucht. Mit einem neuen Gesetz sollen sie besser geschützt werden.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Ich war sechs Jahre alt (…). Ein 16-jähriger Nachbarsjunge lockte uns, mit ihm zur Toilette zu gehen."
"Von meinem 11. bis zu meinem 16. Lebensjahr wurde ich regelmäßig vom katholischen Pfarrer meiner Heimatgemeinde missbraucht."
"Etwa mit zehn Jahren bin ich allein zum Fahrradhändler gegangen. Er küsste mich und begrapschte mich im Genitalbereich."

Es sind Erlebnisse von Frauen und Männern, die erst Jahrzehnte später über die Geschehnisse in ihrer Jugend sprechen können: Sie wurden als Kinder sexuell missbraucht. Ihre Geschichten sind auf der Seite der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (externer Link) veröffentlicht.

Bundesfamilienministerin: "Verbessern die Möglichkeiten der Aufarbeitung"

Die Bundesregierung will Kinder und Jugendliche jetzt mit einem neuen Gesetz besser vor sexueller Gewalt schützen – der entsprechende Entwurf wurde im Bundeskabinett verabschiedet und muss noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Damit geht die Ampel-Regierung ein Versprechen des Koalitionsvertrags an.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) betont: Sexueller Kindesmissbrauch passiere im Verborgenen, aber täglich – in Vereinen, Kirchen, Heimen oder Zuhause. Hierarchische Strukturen würden ausgenutzt, Erwachsene missbrauchten ihre Macht – Kinder und Jugendliche würden zu Opfern. "Es macht uns alle sehr betroffen", meint Paus. Mit dem neuen Gesetz verfolgt sie das Ziel: "Wir holen die Anliegen der Betroffenen in die Mitte der Gesellschaft. Wir verbessern die Möglichkeiten der Aufarbeitung."

Was geplant ist: Missbrauchsbeauftragte, Akteneinsicht, Schutzkonzepte

Unter anderem soll das Amt der Missbrauchsbeauftragten des Bundes gesetzlich und dauerhaft verankert werden – ähnlich wie der Wehr- oder Polizeibeauftragte. Das bedeutet auch: Die Missbrauchsbeauftragte wird in Zukunft jährlich einen Bericht und somit das Ausmaß von Kindesmissbrauch für den Bundestag erstellen.

Dafür hat sich die aktuelle Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus lange eingesetzt, wie sie sagt. Denn Erhebungen zu sexuellem Kindesmissbrauch wie die polizeiliche Kriminalstatistik machen zwar deutlich: Vergangenes Jahr wurden 18.500 Kinder zu Opfern sexuellen Missbrauchs. Aber: "Das sind nur Fälle, die an Staatsanwaltschaften gegangen sind", so Claus. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Mit dem geplanten Gesetz sollen auch die Rechte Betroffener gestärkt werden: Anders als bisher sollen sie daher Akteneinsicht bei Jugendämtern erhalten – dadurch soll es für Opfer sexuellen Missbrauchs leichter werden, ihre Erfahrungen aufarbeiten zu können.

Sexueller Kindesmissbrauch: 2,5 Millionen Euro als "ein Anfang"

Zudem sollen Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe für alle Einrichtungen verbindlich werden, um Übergriffe zu verhindern. Der Bund will darüber hinaus ein Beratungssystem – in Form eines telefonischen Erstberatungsangebots – für Betroffene einrichten: Mit Aufklärung, Sensibilisierung und Qualifizierung wird die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beauftragt.

Insgesamt sind 2,5 Millionen Euro zusätzlich für die Vorhaben geplant: Das sei ein Anfang, wie die Missbrauchsbeauftragte Claus meint. Weitere Schritte müssten folgen. Ihr Amt erhält bislang knapp zwölf Millionen Euro jährlich.

Bayerische Familienministerin. "Müssen offen darüber sprechen"

"Kinder und Jugendliche brauchen unseren besonderen Schutz", davon ist die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) überzeugt.

Dass der Bund das Amt der unabhängigen Beauftragten für Fragen rund um das Thema Kindesmissbrauch dauerhaft etablieren will, kommt bei Scharf an: Dieser Schritt "ist richtig", wie sie auf BR24-Anfrage sagt. Der Einsatz für Kinder und Jugendliche, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, dürfe kein Tabu-Thema sein: "Wir müssen offen darüber sprechen."

Sie fürchtet jedoch, Kommunen beim Kinderschutz mit Bürokratie zu belasten sowie ehrenamtliche Jugendarbeit zu erschweren. Zu den verbindlichen Schutzkonzepten meint die bayerische Familienministerin: Wenn diese nur in der Schublade landen, würden sie nichts nutzen, "sie müssen gelebt werden. Wir brauchen eine Kultur der Achtsamkeit und des Hinschauens!"

Sexueller Kindesmissbrauch: Was macht Bayern?

Dafür gibt es beispielsweise in Bayern die Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der LMU München als landesweites Kompetenzzentrum: Sie fungiert präventiv und gilt als Anlaufstelle für Ärzte oder Jugendämter, die Rat suchen können, wenn ihnen Anzeichen sexuellen Missbrauchs auffallen.

Zudem wurde die Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in Bayern vergangenes Jahr 2023 eingerichtet. Sie soll Orientierung bieten und Betroffene an die passende Stelle vermitteln. Angesiedelt ist die Anlaufstelle beim Zentrum Bayern Familie und Soziales.

Im Video: Bundesregierung will Kinder und Jugendliche mit neuem Gesetz besser schützen

Die Bundesregierung will Kinder und Jugendliche mit einem neuen Gesetz besser vor sexuellem Missbrauch schützen.
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Die Bundesregierung will Kinder und Jugendliche mit einem neuen Gesetz besser vor sexuellem Missbrauch schützen.

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