Donald Trump, ehemaliger US-Präsident und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, spricht in South Carolina (Archivbild vom 10.2.24)
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Deutsche Außenpolitiker reagieren bestürzt auf Donald Trumps Äußerungen zum Nato-Bündnis.

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"Skrupellos": Harsche Kritik an Trump wegen Nato-Äußerung

"Skrupellos": Harsche Kritik an Trump wegen Nato-Äußerung

Donald Trump, der wieder US-Präsident werden möchte, könnte die Verteidigung säumiger Nato-Verbündeter verweigern. Deutsche Außenpolitiker reagieren bestürzt. Vize-Kanzler Habeck plädiert für eine gemeinsame Rüstungsindustrie in der EU.

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Deutsche Außenpolitiker haben auf die Äußerung Donald Trumps, im Falle einer Wiederwahl säumige Nato-Bündnispartner nicht zu verteidigen, bestürzt reagiert und vor einer Wiederwahl des Ex-Präsidenten gewarnt. "Trumps irrlichternde Äußerungen zu den vertraglichen Verpflichtungen der USA im Fall des Angriffs auf ein Nato-Mitglied beweisen erneut, wie unberechenbar, skrupellos und unzuverlässig er ist", sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link (FDP), dem "Tagesspiegel" [externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt]. Umso wichtiger sei es, "dass sich EU und Nato auf alle möglichen Szenarien vorbereiten und alles tun, um EU und Nato handlungsfähiger und wettbewerbsfähiger zu machen", fügte Link hinzu.

Trump: Säumige Nato-Mitglieder vor Russland schützen? Nein

Der ehemalige Präsident Trump hatte am Samstag (Ortszeit) bei einer Kundgebung im US-Bundesstaat South Carolina gesagt, der "Präsident eines großen Landes" habe ihn einmal gefragt, ob die USA dieses Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe geantwortet: "Nein, ich würde Euch nicht beschützen." Vielmehr noch: Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen". Es war dabei unklar, ob es jemals so ein Gespräch zwischen Trump und einem Staatschef gegeben hat, denn der Republikaner sagte auch: "Nehmen wir an, das ist passiert." 

Der Ex-Präsident hatte bereits in der Vergangenheit wiederholt betont, wie unfair es sei, dass die USA für die Verteidigung der 30 anderen Mitgliedstaaten einstehen müssten. Dabei kritisierte er vor allem, dass die Europäer nicht genügend Geld für Rüstung ausgäben.

Scholz nennt Äußerungen "unverantwortlich"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies die Äußerungen Trumps scharf zurück, im Falle einer Wiederwahl säumige Nato-Bündnispartner nicht verteidigen zu wollen. "Jegliche Relativierung der Beistandsgarantie der Nato ist unverantwortlich und gefährlich", sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin. Derartige Äußerungen seien "einzig und allein im Sinne Russlands", kritisierte der Bundeskanzler.

SPD-Politiker Roth: Weckruf für Europa

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), sieht in Trumps Drohungen einen Weckruf, nun verstärkt in Verteidigung zu investieren. "Hoffentlich wachen jetzt alle in Europa auf! Schönreden und Kopf in den Sand sind keine Strategie", sagte Roth dem "Tagesspiegel". "Sollte Trump wirklich wieder ins Weiße Haus einziehen, ist mit allem zu rechnen. Auch mit dem Schlimmsten", warnte er.

Wenn Trump die sich aus Artikel fünf des Nato-Vertrages ergebende Bündnis-Verpflichtung relativiere, öffne er "dem russischen Imperialismus Tür und Tor". Es bestehe eine "akute Gefahr für uns alle in der Nato" sagte Roth der Zeitung und forderte, die Europäer müssten "jetzt vor allem den Freiheitskampf der Ukraine entschlossener und weitreichender unterstützen".

Röttgen: "Gemeint sind in erster Linie wir Deutschen"

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte indes in der "Bild"-Zeitung [externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt], Deutschland müsse sich "auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Donald Trump die US-Wahl im Herbst gewinnt". Die Nato würde das in eine existentielle Krise stürzen, weil Trump das Verteidigungsbündnis rein transaktional verstehe, sagte der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. "Wer aus seiner Sicht nicht ausreichend zahlt, wird von den USA nicht beschützt." Staaten, die aus Trumps Sicht nicht zahlten, erkläre er "zum Freiwild. Gemeint sind in erster Linie wir Deutschen."

Deutschland müsse daher "verstehen, dass wir schon bald gar keine andere Wahl mehr haben könnten, als uns selbst zu verteidigen und das in einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht. Wir müssen das als Europäer schaffen, weil alles andere eine Kapitulation vor Putin wäre", sagte Röttgen. Ganz konkret bedeute das, "dass wir in Europa die Rüstungsproduktion massiv hochfahren müssen", forderte er.

Trump hatte schon während seiner ersten Amtszeit gefordert, dass die Partner endlich die 2014 beschlossene Selbstverpflichtung der Nato-Mitglieder umsetzen sollten, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Deutschland erreicht dies in diesem Jahr, hat die Bundesregierung mehrfach betont. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, dass dieses Niveau auch über 2028 hinaus gewährleistet werde.

Steinmeier: "Diese Äußerungen sind verantwortungslos"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Äußerungen Trumps scharf. "Diese Äußerungen sind verantwortungslos und spielen sogar Russland in die Hände", sagte er am Montag während eines Besuches in der zyprischen Hauptstadt Nikosia. Die Äußerungen trügen nicht zur Stärke bei, die die Nato brauche.

Auch wenn es sich um Provokationen im Wahlkampf handle, müsse es ernst genommen werden. Steinmeier machte zugleich deutlich: "Es ist völlig klar, dass wir in Europa, auch wir in Deutschland unseren Teil dazu beitragen müssen, die Verteidigungsanstrengungen innerhalb der Nato systematisch in den nächsten Jahren zu erhöhen." Dies gelte unabhängig vom Wahlausgang in den USA im Herbst.

Gabriel: Trumps Aussage ist wie Einladung an Putin

Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel sagte, die Aussage Trumps zur Nato-Beistandspflicht sei wie eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Verteidigungsbündnis zu testen. "Der testet uns dann nicht in Deutschland, aber vielleicht im Baltikum", warnte Gabriel im Deutschlandfunk.

Habeck: Brauchen gemeinsame Rüstungsindustrie in Europa

Rüstungsprojekte in Europa müssen laut Bundesregierung auch mit Blick auf die im November anstehende Präsidentenwahl in den USA einheitlicher geplant und umgesetzt werden. Dies sei die Aufgabe dieses Jahrzehnts, sagte Vize-Kanzler Robert Habeck am Montag. Noch gebe es jeweils eigene Rüstungsindustrien in den 27 EU-Staaten und zu wenig wirklich gemeinsame Projekte. "Wir müssen um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt kämpfen", so Grünen-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Habeck. "Das schließt ausdrücklich auch den militärischen Komplex mit ein."

Hofreiter: Mehr Geld für die Bundeswehr

Der Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter bekräftigte seine Forderung nach einer Aufhebung der Schuldenbremse, um mehr Geld für die Bundeswehr bereitzustellen. "Am Ende brauchen wir ein neues 100-Milliarden-Paket", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags am Montag im "Morgenmagazin" der ARD. Angesichts der erforderlichen Summen reiche auch eine Priorisierung im Haushalt nicht aus. "Deshalb bin ich der Meinung, dass man am Ende nicht darum herumkommt, die Schuldenbremse aufzuheben."

EU-Außenbeauftragter Borrell: Keine Nato "à la carte"

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat davor gewarnt, dass das westliche Verteidigungsbündnis Nato nicht von den Launen eines US-Präsidenten abhängen darf. "Die Nato kann kein Militärbündnis 'à la carte' sein, das von der Laune des US-Präsidenten abhängt", sagte Borrell am Montag zu Äußerungen des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Die Nato-Staaten könnten nicht "heute ja und morgen nein" sagen, wenn es darum gehe, das Bündnis zu verteidigen. "Es existiert oder es existiert nicht", sagte er.

Mit Informationen von AFP, dpa und Reuters

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