Regierungstreue Demonstrantinnen gehen in Teheran für die Beibehaltung der Sittenregeln auf die Straße.
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Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am Freitag vergangener Woche gehen weiterhin wütende Iraner auf die Straße.

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Staatspropaganda im Iran auf Hochtouren – Proteste dauern an

Staatspropaganda im Iran auf Hochtouren – Proteste dauern an

Im Iran schlägt die Staatsmacht die Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini weiter mit aller Gewalt nieder, Staatsmedien sprechen mittlerweile von 35 Toten. Unterdessen kamen in Teheran Tausende zu Pro-Regierungs-Demonstrationen zusammen.

Bei den Protesten im Iran nach dem Tod einer jungen Frau sind laut Berichten iranischer Staatsmedien inzwischen 35 Menschen getötet worden. "Die Zahl der Todesopfer bei den jüngsten Unruhen im Land ist auf 35 gestiegen", berichtete die mit dem Sportministerium verbundene Nachrichtenagentur Borna am Freitagabend unter Berufung auf das Staatsfernsehen. Bisher hatten die iranischen Behörden die Zahl der Toten offiziell mit 17 angegeben. Aktivisten gingen schon am Freitag von mindestens 50 Toten aus.

Bei Protestdemonstrationen im Norden des Iran sind außerdem nach Angaben des örtlichen Polizeichefs mehr als 700 Menschen festgenommen worden.

Pro-Regierungsdemos in Teheran

Während die Proteste für das Ende der Frauen-Unterdrückung nicht abreißen, ausgelöst durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, kamen in der Hauptstadt Teheran nach dem Freitagsgebet Tausende zu Pro-Regierungs-Demonstrationen zusammen. Die teilnehmenden Frauen trugen dabei den Tschador, den schwarzen langen Mantel mit schwarzem Kopftuch, das die Haare komplett verbirgt – eine noch konservativere Variante des bloßen Kopftuches. Sie riefen: "Diese Armee ist aus Liebe zum Führer gekommen." Auf den Transparenten der konservativ-religiösen Regime-Anhänger schworen sie dem Obersten Führer Khamenei Gehorsam.

Nach Tod Mahsa Aminis: Irans Präsident droht Protestierenden

Präsidenten Ebrahim Raisi landete am Abend wieder in Teheran nach seinem Besuch in New York bei den Vereinten Nationen. Schon dort hatte er am Rande der Vollversammlung erklärt: Ein Akt des Chaos sei inakzeptabel. Noch am Teheraner Flughafen legte er nach:

"Unsere Feinde wollen Aufruhr und Unruhen auslösen. Sie denken, dass sie mit solchen Aktionen der Nation schaden können. Wir haben schon oft angekündigt, dass wir uns jeden fairen Kommentar anhören werden. Aber Anarchie? Störung der nationalen Sicherheit? Die Sicherheit der Menschen? Niemand wird sich das gefallen lassen." Ebrahim Raisi, Präsident des Iran

Dann drohte er den Demonstrierenden: "Sie müssen wissen, dass wir auf keinen Fall zulassen werden, dass die Sicherheit des Landes und des Volkes gefährdet wird."

Am Samstag demonstrierte er erneut Härte gegenüber regierungskritischen Demonstranten. Es müsse "entschlossen gegen diejenigen vorgegangen werden, die der Sicherheit und Ruhe des Landes entgegenstehen", zitierten iranische Staatsmedien Raisi. Er machte diese Äußerung demnach in einem Beileidstelefonat mit der Familie eines Mitglieds der Sicherheitskräfte, das vergangene Woche erstochen worden war. Die Tat soll angeblich von aufgebrachten Demonstranten verübt worden sein, die nach dem Tod von Amini auf die Straße gezogen waren.

  • Zum Artikel Tote bei Protesten im Iran - Solidarität im Ausland

Internetdienste im Iran weitestgehend down

Wie das in der Praxis aussieht, demonstrierten laut Augenzeugen am Freitagabend mehrere Hundert Sicherheitskräfte auf dem Teheraner Vali-Asr-Platz, ausgestattet mit Tränengas, Pfefferspray und Knüppeln. Sie seien teils auf Motorrädern unterwegs, sperren Zufahrtsstraßen, kontrollieren Autos und treiben schon kleine Gruppen auseinander. Die Proteste sollen sich auf keinen Fall so verbreiten, wie an den letzten sechs Abenden.

Wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten ist das Internet in Iran weitestgehend nicht nutzbar. Die Messengerdienste WhatsApp und Instagram sind geblockt. Ein gedrosseltes Internet bedeutet für die Demonstranten, dass sie sich deutlich schwerer vernetzten und schwerer herausfinden können, wo die nächsten Demos sind. Der iranische Kommunikationsminister Eisa Zarepour dementierte, bei den internationalen Internetdienste gebe es keine Zugangsprobleme. Nur einige ausländische Plattformen wurden auf Anordnung der zuständigen Behörden vorübergehend eingeschränkt.

Landesweite Proteste dauern an

Unterdessen kursieren im Netz weiter Videos von regierungskritischen Protesten und in Flammen stehenden islamischen Wahrzeichen, Straßenbarrikaden werden errichtet, Schüsse fallen.

Ergänzt durch AFP- und dpa-Material.

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Geheimdienst will Anschläge vermieden haben

Die Propaganda-Maschinerie der iranischen Regierung läuft auf Hochtouren. Der Geheimdienst hat eigenen Angaben zufolge bei den Demonstrationen mehrere Bombenanschläge vereitelt. Die Anschläge seien von Monarchie-Anhängern und Mitgliedern der Volksmudschaheddin in der Stadt Täbris im Nordwesten des Landes geplant worden, heißt es in einem Geheimdienstbericht laut der Nachrichtenagentur "Mehr" am Samstag. Die Tatverdächtigen konnten demnach festgenommen werden. Der Iran behauptet, dass die Demonstrationen vom Ausland und iranischen Exil-Gruppen gesteuert würden, um das Land zu schwächen oder gar die Regierung zu stürzen. Der Fall Amini sei daher nur ein Vorwand.

Tod von Mahsa Amini Auslöser der Proteste

Ausgelöst wurden die landesweiten Proteste durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am Freitag vor acht Tagen. Sie war in der Hauptstadt Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie das islamische Kopftuch offenbar nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen hatte.

Amini brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt. Laut Polizei hatte sie einen Herzanfall. Menschenrechtsaktivisten zufolge erlitt die junge Frau einen tödlichen Schlag auf den Kopf.

Am Freitagabend sagte Innenminister Ahmad Wahidi, Amini sei nicht geschlagen worden. "Es liegen Berichte von Aufsichtsbehörden vor, Zeugen wurden befragt, Videos überprüft und forensische Gutachten eingeholt, und es wurde festgestellt, dass es keine Schläge gegeben hatte", sagte der Minister laut iranischen Medien. Die Ermittlungen zur Todesursache seien aber noch nicht abgeschlossen, fügte Wahidi hinzu. "Wir müssen das endgültige Gutachten des Gerichtsmediziners abwarten."

Grünen-Chef Omid Nouripour zur Iran-Lage - "Alles steht auf der Kippe"

Der im Iran geborene Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sieht angesichts der aktuellen Proteste in seinem Herkunftsland "alles auf der Kippe". "Das zentrale Motiv der Proteste gegen die Unterdrückung im Iran waren immer die Frauenrechte", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" einem Vorabbericht zufolge. Der Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam sei stellvertretend für ein Problem mit vielen Facetten. Die Hälfte der Menschen im Iran dürfe sich auch nicht annähernd so kleiden, wie sie wolle, sagte Nouripour. Töchter bekämen nur die Hälfte des Erbes, das ihre Brüder bekämen. Sie dürften nicht Richterinnen werden. Und wenn sie klagten, könne es sein, dass sie dafür ins Gefängnis kämen.

Auch würden Frauen für Verstöße gegen die Kleidungsvorschriften öffentlich gezüchtigt. "Es gibt seit über 40 Jahren eine lange Liste an Gräueltaten", beklagt der Grünen-Chef. "Die Leute wollen nicht mehr gegängelt werden und ein System aushalten, das ausschließlich auf Gängelung ausgerichtet ist." Das Regime habe in der Vergangenheit gezeigt, dass es ohne Rücksicht Gewalt gegen die eigene Bevölkerung anwende.

Diesmal sei die Lage anders als früher, weil es sehr viele Stimmen auch aus dem Regime selbst gebe, die kritisierten, was passiert sei. "Es steht alles auf der Kippe", so Nouripour. Die Menschen hielten dieses Regime einfach nicht mehr aus. Zuvor hatte der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in einem Reuters-Interview die Iran-Politik Europas als "naiv" kritisiert. Die Europäische Union verfolge einzig das Ziel, mit der Islamischen Republik ein Atomabkommen zu vereinbaren.