25.09.2023: Flüchtlinge aus Berg-Karabach
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Flüchtlinge aus Berg-Karabach in der armenischen Stadt Goris

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Tausende Flüchtlinge aus Berg-Karabach kommen in Armenien an

Tausende Flüchtlinge aus Berg-Karabach kommen in Armenien an

Nach der Eroberung des Gebiets Berg-Karabach durch Aserbaidschan sind Tausende der dort lebenden Armenier geflohen. Um den Konflikt soll es auch bei einem Treffen des türkischen Präsidenten Erdoğan mit seinem aserbaidschanischen Amtskollegen gehen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Immer mehr ethnische Armenier verlassen die Kaukasus-Region Berg-Karabach. Alle, die nach dem Militäreinsatz Aserbaidschans in der vergangenen Woche nach Armenien ausreisen wollten, könnten dies tun, teilte die Führung von Berg-Karabach mit. Es gebe bereits Staus auf den Straßen, die von Berg-Karabach, das inmitten Aserbaidschans liegt, nach Armenien führen. Denjenigen, die ausreisen wollten, werde kostenloser Treibstoff zur Verfügung gestellt, teilten die Behörden der selbst ernannten Republik Arzach mit.

Mehrere tausend Menschen in Armenien angekommen

Bis Montagmittag seien bereits 6.650 Flüchtlinge registriert worden, teilte die armenische Regierung auf Facebook mit. Am Abend zuvor waren es noch etwa 1.000 Menschen. Die Menschen werden Berichten zufolge teils in Notunterkünften untergebracht, teilweise organisieren sich die Menschen auch selbst eine Bleibe. Die Regierung versprach allen Bedürftigen, sie mit entsprechendem Wohnraum zu versorgen. Der Bedarf von knapp 4.000 Flüchtlingen sei bereits festgestellt worden,

"Wir haben schreckliche Tage durchlebt"

AFP-Journalisten sahen Flüchtlingsgruppen in einem humanitären Hilfszentrum in einem Theatergebäude in der armenischen Stadt Goris, um sich dort für den Weitertransport und für Unterkünfte registrieren zu lassen.

"Wir haben schreckliche Tage durchlebt", sagte die 41-jährige Anabel Gulasjan aus dem Ort Rew, der in Aserbaidschan Schalwa genannt wird. Sie kam mit ihrer Familie in einem Kleinbus nach Goris, ihre Habseligkeiten in Taschen gepackt. Die 54-jährige Valentina Asrjan aus dem Dorf Wank konnte es nicht glauben, dass die Aserbaidschaner - die "Türken", wie sie sagt - bis in ihr historisches armenisches Dorf vorgedrungen seien. "Ich weiß nicht, wohin", sagte die Frau, die nun vorläufig in einem Hotel in Goris untergekommen ist.

In Hauptstadt fehlen Lebensmittel und Medikamente

Derweil waren in der Hauptstadt Stepanakert in Berg-Karabach zahlreiche Menschen zu sehen, die ihre Habseligkeiten in Busse und auf Laster luden. Männer und Frauen standen Schlange, um in Busse nach Armenien zu steigen. Viele hatten Kinder dabei. Zudem kommen dort viele Flüchtlinge aus anderen Regionen Berg-Karabachs an. Das verschärft die ohnehin katastrophale humanitäre Lage vor Ort. Nach der monatelangen Blockade der Region durch Aserbaidschan fehlen Lebensmittel und Medikamente.

Aserbaidschan sagte zu, die Rechte der etwa 120.000 ethnischen Armenier in dem Gebiet zu respektieren. Diese befürchten jedoch, unterdrückt zu werden. Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wird aber überwiegend von ethnischen Armeniern bewohnt, die die Region mithilfe der armenischen Regierung drei Jahrzehnte lang weitgehend kontrollierten. Am Dienstag vergangener Woche hatte Aserbaidschans Militär das Gebiet angegriffen. Einen Tag später stimmten die ethnischen Armenier in Berg-Karabach notgedrungen einer Feuerpause zu.

Vertreter Berg-Karabachs und Aserbaidschans trafen sich am Montag in Xocali (deutsch: Chodschali) unter Vermittlung der Russen ein zweites Mal. Das erste Treffen endete vor wenigen Tagen in der aserbaidschanischen Stadt Yevlax ohne greifbares Ergebnis. Über die Resultate des neuen Treffens ist noch nichts bekannt.

Erdoğan trifft Aliyev

Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev versicherte, dass es keine ethnischen Verfolgungen der Armenier geben werde. Bei einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Tayyip Recep Erdoğan erklärte er, dass alle Bewohner Karabachs ungeachtet ihrer Nationalität als Aserbaidschaner gelten würden.

Moskau begrüßt Treffen

Russland begrüßte das Treffen zwischen Erdoğan und Aliyev. "Wir hoffen stets, dass alle Treffen, die der Präsident Aserbaidschans abhält, darunter auch die mit dem türkischen Präsidenten, der Normalisierung des Lebens in Karabach nach dem Vorgefallenen dienen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Spannungen zwischen Armenien und Russland

Unterdessen wachsen die Spannungen zwischen Armenien und seiner langjährigen Schutzmacht Russland. Moskau wies den Vorwurf des armenischen Regierungschefs Nikol Paschinjan zurück, die vor Ort stationierten russischen Soldaten hätten die Karabach-Armenier nicht so geschützt, wie das nach dem letzten Karabach-Krieg 2020 vereinbart worden sei. Dies sei "ein Versuch, die Verantwortung von Desastern in der Innen- und Außenpolitik von sich abzuwälzen und die Schuld auf Russland zu schieben", hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums am Montag.

Tatsächlich sieht sich Paschinjan auch wegen der Niederlage im Karabach-Konflikt mit Massenprotesten im eigenen Land konfrontiert. Am Montag gingen in Eriwan erneut viele Menschen auf die Straße. Sie errichteten dabei auch Straßensperren. Nach Angaben der Behörden wurden bis zur Mittagszeit etwa 170 Menschen in Polizeigewahrsam genommen. Für den Abend waren weitere Demonstrationen angekündigt.

Mit Informationen von Reuters, AFP und dpa

Nach der Eroberung des Gebiets Berg-Karabach durch Aserbaidschan sind Tausende der dort lebenden Armenier geflohen.
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Nach der Eroberung des Gebiets Berg-Karabach durch Aserbaidschan sind Tausende der dort lebenden Armenier geflohen.

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