Motorrad zu fahren ist für Autofahrer mit einem Führerschein der Klasse B seit ein paar Jahren deutlich einfacher geworden: Ganz ohne die Motorrad-Ausbildung zu machen können sich Autofahrerinnen und Autofahrer in die bestehende Fahrberechtigung den Zusatz für kleine Motorräder bis 125 Kubikzentimeter Hubraum als Schlüsselziffer 196 eintragen lassen - nach kurzer Schulung und ohne Prüfung. Doch die Unfallzahlen zeigen, dass die Erweiterung der Fahrberechtigung eventuell keine gute Idee war.
Wegen gestiegener Unfallzahlen dringender Handlungsbedarf
Die Deutsche Verkehrswacht (DVW) sieht den kleinen Motorradführerschein kritisch: "Nach Einführung der neuen Führerscheinregelung haben sich die Unfallzahlen mit Leichtkrafträdern um 59 Prozent erhöht", so DVW-Präsidentin Kirsten Lühmann. Sie sehe dringenden Handlungsbedarf, da sich die Bilanz in den Jahren zuvor positiv entwickelt hatte. "Dadurch wird unmissverständlich klar, dass dieses Projekt im Sinne der Verkehrssicherheit gescheitert ist. Die Klasse B196 in der jetzigen Form muss abgeschafft werden", so Lühmann.
Nach Angaben der DVW bestätigt eine Statistik der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt) die negative Entwicklung. Demnach sind in den Jahren 2015 bis 2019 die Unfallzahlen unter Beteiligung von Leichtkrafträdern in der betreffenden Personengruppe um etwa ein Drittel zurückgegangen. Nach Einführung der Klasse B196 verschlechterte sich die Bilanz deutlich. Im Vergleich von 2019 zu 2022 stiegen die Zahlen um 59 Prozent an.
B196: Mindestens 25 Jahre alt und fünf Jahre Autoführerschein
Um den Führerscheinzusatz zu bekommen ist ein Mindestalter von 25 Jahren Voraussetzung und dass der Autoführerschein mindestens fünf Jahre vorhanden ist. Eine Prüfung gibt es nicht – lediglich eine Schulung mit neun Unterrichtseinheiten aus Theorie und Praxis muss nachgewiesen werden. Fahren darf man damit Motorräder und Roller mit bis zu 125 Kubikzentimeter Hubraum und höchstens 11 kW Leistung, was 15 PS entspricht.
Motorräder haben eine mehr als zwanzigmal höhere, fahrleistungsbezogene Unfallwahrscheinlichkeit als Autos, so die DVW. Außerdem sind Fahrer im Vergleich zum Auto relativ ungeschützt mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs. Genau deswegen ist Lühmann der kleine Motorradschein ein Dorn im Auge: "Motorradfahrende sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Für ihre aktive Sicherheit ist eine intensive und hochwertige Fahrausbildung unbedingt erforderlich. Das erreichen wir nicht mit einem Wochenendkurs."
Eintragung des Motorrad-Zusatzes beliebt
In den Jahren von 2020 bis einschließlich 2024 haben mehr als 297.000 Menschen in Deutschland den Zusatz für die Fahrberechtigung kleiner Motorräder in den Führerschein eintragen lassen. Das gibt das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg an. Die Gesamtzahl dürfte also Ende dieses Jahres schätzungsweise um die 350.000 liegen.
Mit über 60.600 Eintragungen ist der Führerscheinzusatz im Zeitraum bis Ende 2024 in Nordrhein-Westfalen am beliebtesten. Danach kommt laut KBA Bayern mit fast 57.000 Eintragungen der Klasse B196 und an dritter Stelle ist Baden-Württemberg mit knapp 51.000 Berechtigungen für kleine Motorräder.
Auf einen richtigen Motorradführerschein lässt sich der B196-Zusatz übrigens nicht erweitern – und: nach Angaben des ADAC wird der Führerscheinzusatz nur in Deutschland anerkannt. Spritztouren ins Ausland sind damit also nicht gestattet.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
