Schüler Marvin (rechts) zeigt seinen Klassenkameradinnen Videos des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah auf TikTok.
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Schüler Marvin zeigt den Schülerinnen Maya (li.) und Liv ein AfD-Video. Er selbst schaut die Videos gern, etwa von Maximilian Krah.

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Warum die AfD auf TikTok so erfolgreich ist

Warum die AfD auf TikTok so erfolgreich ist

Keine Partei hat auf der Social-Media-App TikTok mehr Likes als die AfD. Sie weiß, auf welche Mechanismen Jugendliche anspringen. Das kann Auswirkungen auf das Wahlverhalten haben.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Der Europawahl-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, der derzeit wegen Spionage-Vorwürfen gegen einen seiner Mitarbeiter stark unter Druck steht, ist auf TikTok äußerst erfolgreich: Über eine halbe Million Likes hat er auf der Plattform. Zwar hat TikTok die Reichweite des Europawahl-Spitzenkandidaten wegen "wiederholter Verstöße gegen unsere Community-Richtlinien" stark eingeschränkt – dennoch werden seine TikTok-Videos weiterhin gesehen - auch von Schüler Marvin.

Der 18-jährige Marvin geht aktiv auf das Profil. "Krah ist ja auch ein kerniger Typ in der Art, wie er das rüberbringt", sagt Marvin, der an diesem Tag mit seiner Klasse das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg besucht. Das Video, das er seinen Klassenkameradinnen vorführt, zeigt Krah, wie er sein Handy in der Hand hält. Auf dem Display fordert der AfD-Kandidat einen härteren Grenzschutz und sagt: "Wir erkennen unsere Heimat nicht wieder." Marvin findet: "Das ist kein langweiliges Politiker-Geschwätz."

AfD auf TikTok erfolgreicher als andere Parteien

Der 18-jährige Marvin ist nicht der einzige, bei dem solche Aussagen verfangen. Wäre jetzt Bundestagswahl, würden laut der Befragung "Jugend in Deutschland 2024" 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen die AfD wählen. Das sind doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. Gleichzeitig erreicht die AfD auf TikTok mehr als dreimal so viele Nutzer wie alle anderen Parteien im Bundestag zusammen. Das ergab eine Analyse, über die ZDF-"heute" berichtete.

Medienexperte Klaus Lutz sagt: "Wenn man sich das ansieht, könnte man schon davon ausgehen, dass da ein Zusammenhang da ist." Der Geschäftsführer des Medienzentrums Parabol in Nürnberg und Medienfachberater für den Bezirk Mittelfranken nennt drei große Punkte, deretwegen die AfD auf Plattform erfolgreicher ist als andere Parteien.

Populismus funktioniert auf TikTok gut

Die AfD sei gut in dem, was auf TikTok ohnehin gut laufe, erklärt Lutz. Die Partei verbreite kurze, emotionale Aussagen, die treffen. "Hassbotschaften sind emotional, einfach zugeschnitten, nicht differenziert. Darauf springt der Algorithmus an und spült die Videos immer wieder in die Kanäle der User." Andere Parteien seien nicht bereit, "auf die holzschnittartige, von Hass- und Hetze geleitete Sprache der AfD aufzuspringen". Deshalb bleibe die Reichweite kleiner. Aber Lutz sagt auch: "Ich finde es gut, dass andere Politiker sich mehr Zeit nehmen wollen, um komplizierte Inhalte zu erklären."

AfD hat einen Zeitvorsprung

Die AfD werde in der journalistischen Berichterstattung weniger abgebildet als andere Parteien. "Deshalb haben sie sich früher als andere auch eigene Plattformen gesucht, um präsent zu sein", sagt Lutz. Die AfD habe also schlichtweg einen Zeitvorteil. "Und dadurch verstehen sie die Mechanismen besser." Zum Beispiel strukturiere die AfD Bundestagsreden so, dass man kurze Ausschnitte daraus wunderbar auf TikTok hochladen könne, sagt Lutz.

Außerdem habe die AfD verstanden, dass die Partei nicht nur durch positive Videos bekannt werde. Beispiel Alice Weidel. In einem Video auf TikTok ruft sie: "Sie wollen uns die Schweinshaxe, die Bratwurst, das Schnitzel verbieten. Aber ich sage Ihnen: Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen. Niemand geht an mein Schnitzel!" Der Clip wurde oft geteilt, User machten sich darüber lustig. Und genau das ist die Strategie: Je mehr Interaktion, desto mehr Usern wird das Video auf den Screen geladen. Marvins Mitschülerin Maya glaubt: "Viele junge Menschen nehmen die Politik nicht so ernst, wie man sie ernst nehmen sollte. Von der AfD kommt eben mehr witziger Content als von anderen Parteien, deshalb kommt man schneller drauf."

Populismus durch Influencer

Die AfD erzielt ihre Reichweite auf TikTok nicht nur mit eigenen Inhalten. "Sie haben auch Influencer, die in einer politisch erst einmal unverdächtigen Weise Inhalte platzieren", meint Medienexperte Klaus Lutz. Influencer seien für viele Jugendliche eine Orientierungshilfe, sagt Lutz. "In den Videos geht es dann zum Beispiel um Themen wie Männlichkeit." Eigentlich harmlos wirkende Themen, die die Influencer aber gezielt mit rechtspopulistischem Wording aufladen. Das Ergebnis: Die Nutzerinnen und Nutzer gewöhnen sich an den rauen Ton und die Haltungen.

Der 18-jährige Marvin informiert sich nicht nur auf TikTok, sagt er, sondern sehe sich auch längere Videos auf YouTube an. Aber er glaubt, die Videos der AfD seien für viele "der Anfang einer Politisierung". Er selbst stehe kurz vor dem Eintritt in die Junge Alternative (JA). Das ist die Jugendorganisation der AfD. Der Verfassungsschutz hat die JA als "gesichert extremistische Bestrebung" eingestuft. Den Eilantrag der Partei dagegen hat das Verwaltungsgericht Köln im Februar abgelehnt. Die Landesverbände der AfD gelten in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als "gesichert rechtsextrem", in Bayern als "Verdachtsfall".

Was können Eltern und Pädagogen tun?

Michael Becker ist der Geschichtslehrer von Maya und Marvin. In seiner Klasse gebe es viele Debatten zwischen den Jugendlichen, erzählt er. Die Mehrheit habe eine andere Meinung als Marvin. Becker lässt die Klasse diskutieren. "Mir ist wichtig, dass man eine Gesprächskultur hat und über alles reden kann", sagt er. Aber er halte auch "mit Sachkenntnis dagegen" und "entkräfte, wenn es etwas zu entkräften gibt." Auch Medienpädagoge Lutz hält es für wichtig, den Jugendlichen keine Meinung aufzudrängen, sondern "eine Reflektionsebene zu bieten und gemeinsame einen Faktencheck zu betreiben." Das Wichtigste sei es, Jugendliche, die auf populistische Inhalte einsteigen, zum Nachdenken zu bringen.

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