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Wegwerf-Agenten: Die neue Strategie russischer Geheimdienste

Wegwerf-Agenten: Die neue Strategie russischer Geheimdienste

Russlands Geheimdienste setzen zunehmend auf "Low-Level-Agents", um günstig und schnell Informationen zu sammeln und Desinformation zu verbreiten. Diese Methode stellt die deutsche Spionageabwehr vor neue Herausforderungen und erfordert ein Umdenken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In der "alten" Welt der Spionage galt es als die Königsdisziplin, Menschen mit mühsam aufgebauten, erfundenen Lebensläufen im feindlichen Ausland zu etablieren und sie – oft über einen Zeitraum von vielen Jahren – in einflussreiche Positionen zu bugsieren, in denen sie dann an sensible Informationen kommen. Der "Kanzleramtsspion" Günter Guillaume ist so ein Beispiel, der es Anfang der 1970er Jahre bis zum persönlichen Berater von Bundeskanzlers Willy Brandt brachte – aber stets für das "Ministerium für Staatssicherheit" (Stasi) der DDR arbeitete.

Ähnlich aufwändig verlief die Etablierung des Ehepaars Heidrun und Andreas Anschlag, die über viele Jahre vom hessischen Marburg aus für Russland operierten und nach ihrer Entdeckung den eigenen Kindern offenbaren mussten, dass ihr ganzes Leben eine Lüge war.

"Nützliche Idioten"

So effektiv solche Operationen aber sein mögen: Für die feindlichen Geheimdienste sind sie mit riesigem Aufwand verbunden und verlangen viel Geduld. Zudem besteht stets die Ungewissheit, wie Ertrag und Aufwand im Verhältnis stehen. Lohnt es sich wirklich?

Alle diese Probleme tauchen bei den "Wegwerf-Agenten" nicht auf: Für einen Geldbetrag wird eine Leistung erkauft. Aus Sicht der Angesprochenen mag es nach viel Geld klingen, für die Geheimdienste sind einige tausend Euro Peanuts. Und die Aufträge sind simpel: Auspuffrohre von Autos mit Bauschaum verkleben und vermeintliche Flugblätter von Klima-Aktivisten hinterlassen. Flugbewegungen auf einem Frachtflughafen notieren. Bahnstrecken ausspähen. Diese Beispiele aus jüngerer Zeit zeigen, dass es (insbesondere) den russischen Diensten um Informationsgewinnung und Desinformation geht – und es im Falle einer Enttarnung nur Leute trifft, die entbehrlich sind und meist nicht einmal wissen, für wen sie eigentlich aktiv waren. "Nützliche Idioten", wie es in der Welt der Spionage heißt.

"Wegwerf-Agenten" als Notbehelf

Allerdings dürften russische Dienste diesen Weg nicht nur aus Gründen der Effektivität wählen. Einiges spricht dafür, dass die große Kunst der legendären Spione auch deshalb an Grenzen gestoßen ist, weil sich die Geheimdienste in letzter Zeit Aufwand und Geduld nicht mehr in gleichem Maße leisten konnten, wie früher. Denn auch bei spektakulären Operationen, wie dem russisch gesteuerten Mordanschlag im "Kleinen Tiergarten" in Berlin 2019 fällt nicht nur auf, dass der Täter gefasst werden konnte. Es ist ihm auch nicht gelungen, seine Spuren in die Heimat gründlich genug zu verbergen. Der Mörder handelte im staatlichen Auftrag, stellte das Kammergericht Berlin bei der Verurteilung fest – schon das eigentlich eine Blamage für den russischen Geheimdienst.

In der Folge kam es aber auch zur Ausweisung von russischen Botschaftsmitarbeitern aus Deutschland, bei denen der Verdacht bestand, dass sie in Wirklichkeit nicht Diplomaten, sondern Agenten waren. Auch dadurch wurden die operativen Möglichkeiten der russischen Dienste in Deutschland reduziert, vermuten deutsche Verfassungsschützer und sehen in den Wegwerf-Agenten eine Art Notbehelf.

Audio: Prozessbeginn gegen mutmaßliche deutsch-russische Spione

Die Klingel im Eingangsbereich zum Hochsicherheitsgerichtssaal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Foto: Tobias Hase/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Prozessauftakt

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