Es gibt viele Themen, über die man ganz unterschiedlicher Meinung sein kann. Die renommierte Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig (externer Link) bestätigt den Trend in den vergangenen Jahren: Die deutsche Gesellschaft polarisiert sich zunehmend. Für die Wahlbeteiligung sind das zunächst gute Nachrichten. "Es ist gut möglich, dass bei der nächsten Bundestagswahl mehr Menschen zur Wahl gehen als sonst", sagt die Demokratietheoretikerin Sarah Strömel von der Universität Regensburg.
Polarisierung kann zu mehr Beteiligung führen
Denn: Je stärker Gesellschaften streiten, desto eher sind die Bürgerinnen und Bürger motiviert, ihre Stimme abzugeben. Das gilt auch im Umkehrschluss. Besonders Anfang der 2000er-Jahre war die Politikverdrossenheit hoch und die Wahlbeteiligung niedrig. Das habe sich in der Wahlbeteiligung, aber auch den Eintrittszahlen in Parteien und in Vereine gezeigt, so Strömel. Doch in den vergangenen Jahren hat sich dieses Bild gewandelt.
Strömel erklärt, dass die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft viele Menschen dazu motiviere, sich politisch zu positionieren. "Die Menschen entwickeln eine eigene Meinung, wollen diese zum Ausdruck bringen und gehen eher wählen, weil sie das Gefühl haben, es geht um etwas. Vielleicht auch, weil sie verhindern wollen, dass bestimmte Parteien an die Macht kommen oder weil neue Parteien als Korrektiv zu den etablierten politischen Kräften dienen sollen", so die Politikwissenschaftlerin.
Langfristige Folgen der Polarisierung: Politischer Stillstand
Auch die Unzufriedenheit mit der gescheiterten Ampel-Regierung könnte einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben, sagt Strömel. Die Politikwissenschaftlerin hält das für ein grundsätzlich positives Zeichen für eine Demokratie, warnt aber gleichzeitig vor möglichen langfristig negativen Folgen. Unter anderem Koalitionsverhandlungen, aber auch Kompromisse in einer zukünftigen Regierung würden durch starke Polarisierungen erschwert. Das alles sei in Österreich bei der Koalitionsbildung zu beobachten gewesen.
Denn politische Fragmentierung erschwert nicht nur die Regierungsbildung, sondern sorgt auch dafür, dass extreme Positionen stärker in den Fokus rücken. "Je mehr die Gesellschaft polarisiert ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass radikale Kräfte profitieren", erklärt Strömel. Obwohl sich hier auch die Mär hält, dass vor allem populistische Parteien Nichtwähler mobilisieren könnten. Empirisch betrachtet gehen aber alle Menschen mehr wählen, wenn Themen oder Parteien polarisieren.
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