Zollstreit mit den USA: Deutschland trifft es am Härtesten
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Zollstreit mit den USA: Deutschland trifft es am Härtesten
Bildrechte: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON
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Zollstreit mit den USA: Deutschland trifft es am härtesten

Zollstreit mit den USA: Deutschland trifft es am härtesten

Donald Trumps jüngste Zoll-Drohung treibt die EU um. Dabei muss sich ein Mitgliedsstaat besondere Sorgen machen: Deutschland. Brüssel und Berlin wollen gegensteuern – bis zum letzten Moment.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Auswirkungen höherer US-Zölle treffen die EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich hart. Deutschland verfügt über die größte Volkswirtschaft der EU und führt innerhalb der Gemeinschaft am meisten Waren und Dienstleistungen in andere Länder aus – auch und gerade in die Vereinigten Staaten. Die USA waren im vergangenen Jahr Deutschlands wichtigster Handelspartner mit einem Volumen im Warenaustausch von 259 Milliarden Euro. Die Bundesrepublik leidet deshalb besonders unter dem Zollstreit mit der US-Regierung.

Merz: Verhandlungen bis zum Schluss

Das erklärt, warum Bundeskanzler Friedrich Merz auf Deeskalation setzt und seit Wochen eine Verhandlungslösung verlangt. Auch nach der jüngsten Drohung des US-Präsidenten tritt der Bundeskanzler für weitere Gespräche mit der US-Regierung ein. Donald Trump hat am Wochenende in einem Brief an die EU pauschale Zölle in Höhe von 30 Prozent ab dem 1. August angekündigt.

Merz will die knappen drei Wochen bis dahin nutzen, um doch noch eine Lösung zu erreichen. Andernfalls würden höhere US-Zölle die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen, warnte der Bundeskanzler im ARD-Sommerinterview. Merz hat mit Trump in den vergangenen Wochen mehrmals unter vier Augen gesprochen – bei seinem Antrittsbesuch in Weißen Haus, beim G7-Gipfel in Kanada und am Rande der Nato-Versammlung in Den Haag.

Milliardenverluste der Industrie

Dass der Bundeskanzler eine schnelle Lösung für die Branchen Auto, Maschinenbau, Pharma und Chemie anmahnt, kommt nicht von ungefähr – das sind die Sektoren, in denen Deutschland führt und besonders unter hohen Zoll-Aufschlägen leidet. Schon jetzt gilt für mehr als drei Viertel der EU-Importe in die USA ein pauschaler Zoll von zehn Prozent. Dazu kommen Aufschläge auf Autos und Autoteile in Höhe von 25 Prozent und 50 Prozent auf Stahl- und Aluminiumprodukte.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht von Milliardenbelastungen für deutsche Hersteller. Allein im April lagen die Mehrkosten demnach bei rund einer halben Milliarde Euro. Auch die Wirtschaftsvereinigung Stahl befürchtet massive Auswirkungen: Wenn Stahl aus Ländern, denen der US-Markt durch hohe Zölle versperrt wird, nach Europa gelangt, könnte das den angespannten Markt zusätzlich belasten.

Auch andere EU-Staaten betroffen

Andere große Volkswirtschaften der EU wie Italien und Frankreich trifft der Zollstreit weniger hart als Deutschland, weil ihr Handelsüberschuss mit den USA geringer ausfällt. Aber auch Italien sorgt sich wegen der Auswirkungen auf seine Autobranche. Das gilt besonders für den italienisch-französischen Dachkonzern Stellantis, zu dem Marken wie Fiat, Citroën und Peugeot gehören.

In Frankreich bangen Winzer und Spirituosenhersteller sowie der Luftfahrtkonzern Airbus, der auch Werke in Deutschland betreibt. Irlands Exporte gehen zu einem Drittel in die USA, weswegen es ebenfalls viel zu verlieren gibt: Das Niedrig-Steuer-Land hat sich zu Europas größtem Exporteur von Pharmazeutika in die USA entwickelt. Die US-Regierung lässt seit April auch höhere Zölle auf Pharmaprodukte prüfen. Das Ergebnis soll Ende des Monats kommen.

Gegenmaßnahmen aussetzen - oder verschärfen?

Die deutsche Industrie hat die EU-Kommission aufgefordert, auf Gegenmaßnahmen zu verzichten, um die Chancen auf eine Verhandlungslösung nicht zu schmälern. Die Kommission spricht in der Außenhandelspolitik für die 27 Mitgliedsstaaten. Die unterstützen grundsätzlich Brüssels Kurs, bis zum letzten Augenblick weiterzuverhandeln und für den Ernstfall Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben sich darüber am Wochenende nach dem Eintreffen von Trumps Schreiben abgestimmt.

Eigentlich sollte ein erstes Paket von EU-Gegenmaßnahmen als Ausgleich für die US-Stahl- und Aluminiumzölle ab Montag in Kraft treten. Die Kommission hat es bis Anfang August ausgesetzt, um Spielraum für weitere Verhandlungen zu eröffnen. Brüssels Hoffnung ist, dass Trump mit seinem Brief nur den Druck in den Gesprächen erhöhen wollte. Die Handelsministerinnen und -minister haben in Brüssel über eine zweite umfangreichere Liste mit zusätzlichen Gegenmaßnahmen und einem Volumen von 72 Milliarden Euro beraten.

Hält die Einigkeit?

Trotz der viel beschworenen Einigkeit werden in der EU Unterschiede in der Haltung gegenüber Washington deutlich. Dabei gilt: Je größer die Abhängigkeit vom transatlantischen Handel, desto vorsichtiger drücken sich Regierungen aus. Während sich der Bundeskanzler (noch) zurückhält, äußert Frankreichs Präsident Macron auf X starke Missbilligung und verlangt glaubwürdige Gegenmaßnahmen. Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer geht noch weiter. Er fordert, die EU müsse selbstbewusster auftreten und ein drittes Paket von Gegenmaßnahmen vorbereiten, das auch US-Digitalkonzerne treffen könnte.

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