"Es ist nicht sehr angenehm, wenn sich der Anführer eines anderen Landes herausnimmt, in Bezug auf Ihr eigenes Land solche Aussagen zu machen", schimpfte der russische Polit-Blogger Oleg Sarow (373.000 Fans) über die neuesten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump.
Der hatte von einer "psychologischen Frist" gesprochen, die er Putin für einen Waffenstillstand gesetzt haben will und in einem Telefonat mit dem US-Sender NBC News angeblich sogar gewettert, er sei auf Putin "sehr wütend" und "sauer" ("pissed off"). Später ergänzte Trump gegenüber Journalisten: "Wenn ich glaube, dass sie [die Russen] uns austricksen, werde ich nicht glücklich darüber sein."
"Trumps Plan funktioniert nicht"
Diese Auftritte haben Trump bei Russlands Propagandisten nicht gerade populärer gemacht: "Es ist schlimm, dass wir uns in einer Situation befinden, in der solche Aussagen über Russland gemacht werden und wir ihnen auch noch Aufmerksamkeit schenken", so Sarow.
Er erinnerte wehmütig an eine Anekdote, die dem britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben wird: "Als Stalin auf der Konferenz von Jalta [im Februar 1945] den Sitzungsraum betrat, erhoben wir uns alle wie auf Kommando und standen aus irgendeinem Grund stramm." Diesen Respekt des Westens gegenüber Russland vermisst Sarow demnach heute.
Kreml-Sprecher: "Arbeiten weiter zusammen"
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verwies darauf, dass einige Trump-Zitate nicht wörtlich, sondern nur aus zweiter Hand vorlägen. Putin sei nach wie vor "absolut offen" für jedwede Kontakte mit Trump: "Wir arbeiten weiterhin mit der amerikanischen Seite zusammen, und zwar in erster Linie am Aufbau unserer bilateralen Beziehungen, die unter der vorherigen [US-]Regierung enormen Schaden erlitten haben."
TV-Kriegsberichterstatter Alexander Sladkow (862.000 Fans) gab sich gönnerhaft und fragte sich, ob Trump die Russen etwa bald "bestrafen" wolle: "Nehmen Sie sich in Acht vor Illusionen und Verführungen. In der großen Politik ist Donald Trump noch ein Anfänger. Sie sollten ihn nicht als bereits vollendeten Profi betrachten. Wenn er nicht sogar ein Stellvertreter globaler Clans ist. Die verfügen über jahrhundertelange Erfahrung in der Konfrontation mit Moskau."
"Je stärker der Druck, desto härter der Beton"
Der russische Parlamentsabgeordnete Andrei Kolesnik seufzte: "Hoffen wir, dass die Androhung von Zöllen [auf russische Öl-Exporte] nichts als leeres Gerede ist. Trump ist ein impulsiver Mensch: Er kündigt heute dies an und morgen jenes. Es ist schwierig, mit ihm zu verhandeln, weil er nicht sehr berechenbar ist." Nicht jeder habe die Selbstbeherrschung von Putin, so der Politiker: "Druck auf Russland auszuüben, führt, um es ganz offen zu sagen, in eine Sackgasse. Je stärker der Druck, desto härter der Beton."
Politologe Georgi Bovt argumentierte: "Trump ist nicht bereit, Monate auf zähe und unproduktive Verhandlungen über unzählige Details und Nuancen zu verschwenden. Seine Wähler werden es nicht verstehen."
BR24
Politologe Andrei Kalitin folgte seiner Intuition: "Der Kreml hat nicht die Mittel, diesen Krieg zu gewinnen. Weil die Mittel zum 'Gewinnen' nicht reichen, wird der Krieg bewusst in die Länge gezogen, was enorme kommunikative, diplomatische und materielle Ressourcen erfordert."
"Trump wird beleidigtes Gesicht aufsetzen"
Der im Londoner Exil lehrende Politologe Wladimir Pastuchow (163.000 Follower) ist der Meinung, dass Trump an Frieden deutlich weniger interessiert sei als an seinem Geldbeutel: "Wenn es keinen Waffenstillstand gibt, wird Trump ein beleidigtes Gesicht aufsetzen und sagen, dass er allen aufrichtig helfen wollte, aber wenn die Ukrainer unbedingt sterben wollten, dann sollten sie halt sterben, nur nicht mit seinem (amerikanischen) Geld." Alles andere sei Trump "völlig egal", übrigens auch der Friedensnobelpreis.
Politologe Andrei Nikulin zitierte aus der Militär-Satire "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" und verglich Trump mit dem selbstherrlichen Leutnant Dub: "'Was treibst du dich hier herum?' fragte er Schwejk. 'Kennst du mich?' - 'Melde gehorsamst', antwortete Schwejk salutierend, 'dass ich Sie nicht von Ihrer schlechten Seite kennenzulernen wünsche.' Leutnant Dub erstarrte vor Schrecken, aber Schwejk stand ruhig vor ihm, die Hand fortwährend am Mützenschild, und fuhr fort: 'Melde gehorsamst, Herr Lajtnant, dass ich Sie nur von der guten Seite kennenlernen will, damit Sie mich nicht zum Weinen bringen, wie Sie mir letztes Mal gesagt haben.'"
"Keine leere Worthülse"
Umstritten ist unter russischen Beobachtern, wie gefährlich Trumps Drohungen für den Kreml werden können: "Trumps Druck auf Putin ist keine leere Worthülse. Wenn das Land von Export-Einnahmen abgeschnitten wird, wird das zu zunehmenden internen Ausfällen und Funktionsstörungen führen", so einer der Kommentatoren.
Dagegen schrieb Polit-Blogger Anatoli Nesmijan, Trumps Äußerungen würden den Kreml kaum beeindrucken: "Alles, was hätte kaputt gemacht werden können, ist bereits kaputt." Gegen Russland seien schätzungsweise 25.000 Sanktionen in Kraft, weitere würden sich allenfalls mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren auswirken: "Doch in der gegenwärtigen Situation sind ein bis zwei Jahre für den Kreml fast so, als würde bis dahin die Sonne erlöschen."
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