Der palästinensische Regisseur Basel Adra (l) und der israelische Regisseur Yuval Abraham (r) bei der Preisverleihung der Berlinale.
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Der palästinensische Regisseur Basel Adra (l) und der israelische Regisseur Yuval Abraham (r) bei der Preisverleihung der Berlinale.

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Antisemitismus? Eklat um Berlinale-Preisverleihung

Antisemitismus? Eklat um Berlinale-Preisverleihung

Antiisraelische Äußerungen während der Berlinale-Preisverleihung und ein antisemitischer Instagram-Post haben scharfe Kritik von Politikern wie CSU-Chef Söder hervorgerufen. Der Zentralrat der Juden fordert Konsequenzen. Was war passiert?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Während der Berlinale-Preisverleihung am Samstagabend hat der Filmemacher Ben Russell von einem "Genozid" im Gazastreifen gesprochen. Der US-amerikanische Regisseur wurde für seinen Dokumentarfilm "Direct Action" ausgezeichnet und sagte in seiner Dankesrede: "Natürlich stehen wir hier auch auf für das Leben. Waffenstillstand jetzt! Natürlich sind wir gegen den Genozid. Wir stehen in Solidarität mit all unseren Kameraden." Teile des Publikums reagierten mit Applaus. Während seiner Rede trug Russell eine Kufiya, auch als "Palästinensertuch" bekannt.

Applaus für anti-israelische Äußerungen

Anstoß erregte auch die Dankesrede des palästinensischen Regisseurs Basel Adra. Er hatte als Teil eines palästinensisch-israelischen Kollektivs den Dokumentarfilmpreis gewonnen für den Film "No Other Land", in dem es um die Vertreibung von Palästinensern im Westjordanland geht. "Es ist für mich sehr schwer zu feiern, wenn Zehntausende meines Volkes in Gaza gerade durch Israel abgeschlachtet werden," sagte Adra und appellierte an Deutschland, keine weiteren Waffen an Israel zu liefern.

Auch dafür gab es Applaus. Adras Co-Regisseur, der israelische Journalist Yuval Abraham, sprach zudem von "Apartheid" im Westjordanland und rief zu einem Waffenstillstand und einem Ende der Besatzung auf. Véréna Paravel, französische Filmemacherin und Mitglied der Jury, trug während der Laudatio einen Zettel mit der Aufschrift "Ceasefire Now" ("Waffenstillstand jetzt") auf dem Rücken.

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"Waffenstillstand Jetzt": Jurymitglied Verena Paravel während der Preisverleihung auf der Bühne der Berlinale.

Claudia Roth kündigt Aufarbeitung an

Diese Äußerungen führten zu deutlicher Kritik vonseiten zahlreicher deutscher Politiker. Am Montag hat Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt: "Gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, und dem Berliner Senat, die mit uns die Verantwortung für die Berlinale tragen, werden wir nun die Vorkommnisse bei der Bärenverleihung aufarbeiten," sagte Roth, die während der Preisverleihung im Publikum saß. Es solle untersucht werden, wie die Berlinale ihrem Anspruch, ein Ort für Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und Dialog zu sein, gerecht geworden sei oder nicht. Dabei will Roth auch klären, "wie zukünftig sichergestellt werden kann, dass die Berlinale ein Ort ist, der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit".

Die Statements bei der Preisverleihung nannte Roth "erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israel-Hass geprägt". Es sei "nicht akzeptabel, wenn an einem solchen Abend von den internationalen Filmschaffenden nicht der bestialische Terrorangriff der Hamas auf über tausend friedlich lebende und auch bei einem Festival feiernde Menschen und deren grausame Ermordung angesprochen wird und auch kein Wort zu den noch mehr als 130 Geiseln verloren wird, die immer noch in der Gewalt der Hamas sind." Auch die menschenverachtende Strategie der Hamas, die für das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza mitverantwortlich ist, sei nicht benannt worden, sagte die Kulturstaatsministerin.

Olaf Scholz verurteilt Äußerungen

Auch Olaf Scholz (SPD) hat die Äußerungen zum Gaza-Krieg während der Abschlussgala verurteilt. Der Bundeskanzler teile es, "dass eine derart einseitige Positionierung so nicht stehen gelassen werden kann", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Es sei in jeder Debatte zu diesem Thema wichtig, im Auge zu behalten, was diese erneute Eskalation des Konflikts ausgelöst habe – nämlich der Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.

Kritik von Markus Söder

Zuvor hatte CSU-Chef Markus Söder Claudia Roth in ihrer Funktion als Kulturstaatsministerin zu einer Stellungnahme aufgerufen. "Das dröhnende Schweigen von Frau Roth kann so nicht bleiben", sagte der bayerische Ministerpräsident am Montagmorgen nach einer Sitzung des CSU-Vorstands vor Journalisten in München.

Söder warf Roth vor, schon zuvor bei Antisemitismusvorwürfen rund um die Documenta in Kassel geschwiegen zu haben. "Offenkundig steckt ein System dahinter", sagte der CSU-Chef. Wenn auf offener Bühne gegen Israel gehetzt werde, müsse das geklärt werden. Es müsse auch geklärt werden, wer Zuschüsse und Steuergelder erhalte. Durch den Vorfall bekomme die deutsche Filmindustrie "einen schweren antisemitischen Schlag".

Kai Wegner: "In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz"

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schrieb bei X (vormals Twitter): "Das, was gestern auf der Berlinale vorgefallen ist, war eine untragbare Relativierung. In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz, und das gilt auch für die Kunstszene. Ich erwarte von der neuen Leitung der Berlinale, sicherzustellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen." In einem weiteren Tweet merkte er an: "Die volle Verantwortung für das tiefe Leid in Israel und dem Gazastreifen liegt bei der Hamas."

Ähnlich äußerte sich Berlins Kultursenator Joe Chialo, der bei X schrieb: "Die Kultur sollte Raum für vielfältige politische Meinungsäußerungen bieten, doch die diesjährige Preisverleihung der Berlinale war geprägt von selbstgerechter antiisraelischer Propaganda, die nicht auf die Bühnen Berlins gehört".

Marco Wanderwitz (CDU), stellvertretender Vorsizender des Bundestags-Kulturausschusses sagte beim Kurznachrichtendienst, "diese Berlinale müssen wir als Bundeskulturpolitik sehr genau auswerten. Auf der Bühne & aus dem Publikum gab es leider mehrfach unwidersprochen antiisraelische Statements, die in Deutschen nicht akzeptabel seien dürfen." Der Grünen-Politiker und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Volker Beck nannte die Vorgänge einen "kulturelle[n], intellektuelle[n] und ethische[n] Tiefpunkt" der Berlinale.

Auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisierte die Äußerungen und sprach von einer "perfiden Täter-Opfer-Umkehr".

Rufe nach mehr Differenzierung

Andere Stimmen betonten die Wichtigkeit eines offenen Diskurses und bestreiten, dass insbesondere die Äußerungen des palästinensisch-israelischen Regie-Kollektivs um Basel Adra und Yuval Abraham antisemitisch gewesen seien. So verwies Ralf Michaels, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, auf einen Artikel der liberalen israelischen Zeitung "Haaretz" über die Vorfälle mit dem Hinweis, dass dieser "ohne die demonstrative Erregtheit, die deutsche Medien und Politiker mit Israelsolidarität und Antisemitismusbekämpfung verwechseln," auskomme. Auch die Autorin Charlotte Weidemann teilte den Artikel bei X mit den Worten "So sachlich geht's auch".

Layla Al-Zubaidi, Leiterin der Internationalen Themenreferate der Heinrich Böll Stiftung, schrieb in Reaktion auf den Post von Joe Chialo: "Was ist eigentlich mit 'vielfältigen Äußerungen' und 'Dialog' gemeint, wenn es für das kulturelle Berlin nicht ertragbar ist, dass ein junger Israeli und ein junger Palästiner [sic!] auf der Bühne gemeinsam Frieden und Gerechtigkeit einfordern?"

Meron Mendel, Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte in Frankfurt, mahnt zu mehr Besonnenheit im Umgang mit den Geschehnissen. Im Interview mit dem BR spricht er von antiisraelischen Äußerungen, sieht aber keine antisemitische Rhetorik. Der Politik und auch Markus Söder wirft er Symbolpolitik ohne konstruktive Lösungen vor.

Äußerungen "nicht Haltung des Festivals"

Die Veranstalter der Berlinale verteidigten in einer Mitteilung die grundsätzliche Freiheit der Meinung auf dem Festival. Die Äußerungen der Preisträger und Preisträgerinnen seien unabhängige individuelle Meinungen und gäben "in keiner Form die Haltung des Festivals wieder". Solange sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegten, müssten sie aber akzeptiert werden. Die Berlinale habe Verständnis dafür, dass die Äußerungen einiger Preisträgerinnen und Preisträger "als zu einseitig empfunden wurden", wies aber auch darauf hin, dass Meinungsäußerungen bei Kulturveranstaltungen nicht grundsätzlich verhindert werden könnten und sollten.

Die Co-Chefin der Berlinale Mariette Rissenbeek hatte zu Beginn der Gala betont, dass es für "Hetze, Antisemitismus, antimuslimischen Hass und jede Form von Diskriminierung" keinen Platz bei der Berlinale gebe. Den Krieg in Gaza bezeichnete sie als "humanitäre Katastrophe" und sagte weiter: "Wir fordern Hamas auf, die Geiseln umgehend freizulassen und wir fordern Israel dazu auf, alles erdenklich Mögliche zu tun, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen und dafür zu sorgen, dass dauerhaft Frieden in der Region wiederkehren kann. Die Kampfhandlungen müssen aufhören."

Zentralrat der Juden fordert Konsequenzen

Am Montag meldete sich Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zu Wort und kritisierte die Bundesregierung und die Berliner Senatskanzlei. "Hetze gegen Israel und Juden auf deutschen Kulturveranstaltungen ist eine erschreckende Regelmäßigkeit geworden", sagte Schuster der "Bild" vom Montag.

"Schon wieder ducken sich bei der Berlinale viele politisch Verantwortliche weg und haben nicht den Mut, gegen Applaus für Israelhass aufzustehen." Schuster sagte weiter: "Ich erwarte von den politischen Verantwortlichen endlich klare Positionierungen und Konsequenzen für die Kulturförderung." Die Berlinale wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur, Claudia Roth, sowie vom Land Berlin gefördert.

Antisemitischer Instagram-Post: Konto gehackt?

Für weitere Aufregung sorgte ein antisemitischer Post auf dem offiziellen Instagram-Account des Berlinale-Nebenwettbewerbs "Panorama". Dort wurde laut Bericht der "Welt" ein Bild gepostet von einem sich aufbäumenden Pferd am Meeresstrand mit dem Slogan "Free Palestine. From the River to the Sea". Ein anderer Post trug die Aufschrift "Gaza, mon Amour. End the German funded State terror". Die Beiträge waren schon kurze Zeit später nicht mehr auffindbar.

Am Sonntag gaben die Berlinale-Veranstalter bekannt, dass dieser Instagram-Kanal gehackt worden sei. Man habe eine Anklage gegen unbekannt eingereicht. "Dass jemand einen Berlinale Social Media Kanal für antisemitische Hetze missbraucht, ist unerträglich", so das Festival.

Mit Informationen von dpa

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