Auf fast keinem Film lastet dieses Jahr so viel Druck wie auf Todd Phillips Fortsetzung um den ehemaligen "Batman"-Widersacher aus dem Kosmos des US-amerikanischen Comic-Verlages DC. Der erste Teil wurde mit Preisen überhäuft und galt als einer der besten Filme der letzten Jahre. Solche Erfolge zu wiederholen, ist diffizil. Das weiß auch Todd Phillips. Natürlich möchte das produzierende Studio mit dem Nachfolgefilm vor allem noch mal Geld verdienen, aber ein Regisseur ist in der Regel kein purer Wiederholungstäter. Daher setzt Phillips vermutlich bewusst auf einen Gegenentwurf.
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Alles anders
"Joker" war ein düsteres Drama über einen Außenseiter, der in seiner Kindheit missbraucht wurde. Darin stieg der gemobbte Clown und Möchtegern-Comedian Arthur Fleck, verkörpert von Joaquin Phoenix, zum ikonischen Verbrecherkönig Joker auf und wurde dabei zugleich zum Befreiungssymbol der unterprivilegierten Massen in der sozial maroden Kapitalismus-Metropole Gotham City. Eine Geschichte, die Todd Phillips nicht in dieser Größenordnung weitererzählen will. Er wagt einen Neustart. Das versucht er durch verschiedene Ansätze. Zum einen stellt er dem Antihelden Joker mit Harley Quinn, gespielt von Lady Gaga, eine ebenfalls gefallene Partnerin an die Seite. Im Film agieren beide im Sinne der titelgebenden "Folie a deux", einer gemeinsamen psychotischen Störung. Keine schlechte Idee, Phillips aber noch zu wenig. Aus dem Stoff wird zudem ein Musical, das eine abgründige Gefängnis-Love-Story und ein Gerichtsdrama erzählt.
Vom Blockbuster zum Kammerspiel
Zusätzlich funktioniert der Film vor allem als ein Kammerspiel: Die meisten Szenen finden in wenigen Innenräumen statt – der Anstalt, in der Joker einsitzt, während er darauf wartet, dass ihm der Prozess gemacht wird, und der Gerichtssaal, in dem dieser dann abgehalten wird. Die Künstlichkeit dieser Bühnen passt gut zu den eingestreuten Musicalnummern. Darin werden von Lady Gaga Songs gecovert, wie etwa Frank Sinatras "My Way" über das Ende einer Liebe oder "New York, New York" aus dem gleichnamigen Martin-Scorsese-Musical, der an den entscheidenden Stellen auf das fiktive Gotham City umgetextet wird.
Inhaltlich nichts Neues
Diese mutigen Schritte scheinen in der Theorie originell und auch der Besetzungscoup von Popstar Lady Gaga funktioniert. Bei all den Neuerungen vergisst Phillips aber, die Geschichte und ihre Charaktere weiterzuentwickeln. Er steuert inhaltlich nichts Neues bei, wiederholt vielmehr alte Motive – und verwässert die explosive, gesellschafts- und kapitalismuskritische Paranoia des ersten Teils mit den Gesangseinlagen. Lady Gagas perfekte Stimme und ihre glatte Performance passen nicht recht zu der Knastgeschichte von Missbrauch und Gewalt.
Verpasste Chance
Es bleiben zwar die schon im ersten Teil politisch aufregenden Parallelen zum realen rechtspopulistischen Furor in den USA, der gesellschaftliche Frust und die Hoffnung auf eine Erlöserfigur sowie der Bruch mit der Logik altbekannter Superhelden-Sagas. Am Ende kann Phillips aber aus dem Spagat zwischen Musical und gesellschaftlicher Bestandsaufnahme keine Funken schlagen. Die "Folie à deux" enttäuscht.
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