2035 müssen schon 90 Prozent erreicht werden. 2045 dann 100 Prozent – die Evangelische Landeskirche möchte in 20 Jahren klimaneutral sein, so ein Kirchengesetz. "Und da ist noch ganz viel zu tun", sagt Karin Lucke-Huss. Sie ist Umweltbeauftragte im "Grünen Gockel-Programm", einem kirchlichen Projekt zum Umweltmanagement, und soll die 24 Kirchengemeinden im Dekanat Kempten bei dieser Herausforderung begleiten. Das Ziel: Keine fossilen Brennstoffe mehr bei Heizung und Fortbewegung.
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Von Putzmittel bis Heizung: 1.500 evangelische Gemeinden müssen umrüsten
Gut 200 Gemeinden und Einrichtungen haben nach Angabe der Landeskirche bereits viel erreicht und tragen das Siegel des Grünen Gockels. Bei dem dahinter stehenden Umweltmanagement werden alle Bereiche unter die Lupe genommen, vom Putzmittel bis zur Kirchenheizung. Es ist so etwas wie der Goldstandard beim Klimaschutz.
Doch das Kirchengesetz sieht alle der rund 1.500 evangelischen Gemeinden in der Pflicht. Das Klimagesetz verbietet künftig Heizungen mit fossilen Energieträgern und fordert einen schnellstmöglichen Umstieg auf zertifizierten Naturstrom. Doch so einfach das klingt, wenn es konkret um Klimaschutz geht, wird es vor Ort schnell mal schwierig.
PV-Anlagen auf Kirchendach: Denkmalschutz schiebt Riegel vor
Lucke-Huss steht auf dem Marktplatz in Kempten, den Kopf im Nacken. Sie blickt am Kirchturm der St.-Mang-Kirche hinauf und blinzelt gegen die Sonne. Weiße Fassade, kupfergrünes Turmdach und rot-orange Ziegel auf den Dächern des Hauptbaus, der Seitenschiffe und Erker. "Wir haben hier lauter wunderbare Dächer, auf die wir PV-Module setzen könnten", sagt Lucke-Huss. "Aber die Denkmalschutzbehörden sagen, sie hätten gerne das ganze Ensemble gleichförmig. Mit diesen schönen roten Dächern. Deshalb sind wir da erstmal blockiert."
Eine Lösung wären rote Solarmodule, die aber teurer sind und meist weniger effizient. Vorerst bleibt es also bei Öl und Gas unter den vielen Dächern der Kirchengemeinde St.-Mang. Schade, findet Lucke-Huss: "Wir hätten gerne für unsere Dekanin ein Elektroauto und dafür braucht sie eine Ladestation. Selber produzierter Strom wäre toll."
Gemeinde will Gebäude sanieren – weiß aber nicht, welche
Besonders gut kennt sich Lucke-Huss in ihrer eigenen Kirchengemeinde aus, der Johanneskirche in Kempten. Auch hier stockt es. Die evangelische Landeskirche hat vor Kurzem beschlossen, dass bis 2035 die Hälfte aller Kirchengebäude in Bayern aufgegeben werden müssen. Wann entschieden wird, welche Gebäude verkauft oder abgerissen werden, weiß niemand in der Kirchengemeinde. "Erst wenn wir da so weit sind, können wir planen, welche Dächer wir mit Solarmodulen bestücken und welche Heizungen wir einbauen", sagt Lucke-Huss. Betroffen sind etwa der Kindergarten, die Kirche, das Pfarrhaus und der Gemeindesaal.
Der Unterhalt dieser Gebäude kostet viel Geld und Ressourcen. Um Heizkosten und Strom zu sparen, ziehen sie je nach Jahreszeit um: "Die Kirche wird nämlich beheizt mit Kirchenunterbankheizungen, die sehr große Stromfresser sind und trotzdem ist die Kirche kalt." Die Gottesdienste finden im Winter darum im Gemeindesaal statt. Zumindest eine Zwischenlösung auf dem Weg zur klimaneutralen Kirche.
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