Ein großes Kreuz - eineinhalb Meter hoch und 50 Zentimeter breit, darauf ein gekreuzigter Christus: Zwei Schülerinnen eines staatlichen Gymnasiums in Bayern störten sich am täglichen Anblick des Kruzifixes im Eingangsbereich ihrer Schule. Weil die Schulleitung ihren Wunsch abgelehnt hatte, das Kreuz abzuhängen, klagten die jungen Frauen - und bekamen jetzt vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof teilweise Recht.
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Urteil: Kruzifix verletzt Glaubensfreiheit der Schülerinnen
Das Kruzifix im Eingangsbereich habe die Glaubensfreiheit der Schülerinnen verletzt, urteilte der BayVGH. Die Weigerung der Schule, das Kruzifix zu Schulzeiten der Klägerinnen zu entfernen, sei daher rechtswidrig gewesen. Die Klägerinnen, die mittlerweile ihr Abitur gemacht haben, seien wegen der Schulpflicht dazu gezwungen gewesen, das Kreuz immer wieder zu sehen, bemängelten die Richter. Eine zumutbare Ausweichmöglichkeit habe es nicht gegeben.
Die Richter verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 1995: Demnach gehöre das Kreuz nach wie vor zu den spezifischen Glaubenssymbolen des Christentums und sei geradezu "sein Glaubenssymbol schlechthin".
Laut Verwaltungsgerichtshof gibt es für Gymnasien keine gesetzliche Regelung für das Anbringen von Kreuzen. Ob ein Kruzifix in einer Schule durch ein bayerisches Gesetz legitimiert werden könnte, ließ der BayVGH den Angaben zufolge offen. Vorgeschrieben sind Kreuze in Bayern für staatliche Dienstgebäude, dazu zählen Schulen nicht. Lediglich für die Grundschulen schreibt das "Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen" vor, dass in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht wird.
Alternativunterricht während des Schulgottesdienstes rechtmäßig
Dagegen sieht es der Verwaltungsgerichtshof als rechtmäßig an, dass die Schülerinnen einen Alternativunterricht besuchten mussten, wenn sie an Schulgottesdiensten nicht teilnehmen wollten. Zwar könne der Besuch von Schulgottesdiensten den Schülerinnen und Schülern nicht vorgeschrieben werde. Daraus könne jedoch kein Anspruch abgeleitet werden, für die Dauer des Schulgottesdienstes vom Unterricht befreit zu werden. Durch den Alternativunterricht werde vielmehr eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler sichergestellt.
Ministerin: Konsequenzen werden geprüft
Nach BR-Informationen handelte es sich um das Hallertau-Gymnasium im oberbayerischen Wolnzach. Die Schule wollte sich auf Anfrage zu dem Urteil nicht äußern und verwies auf das Kultusministerium.
Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sagte dem BR, ihr Haus setzte sich intensiv mit der Urteilsbegründung auseinander. "Selbstverständlich prüfen wir im konkreten Einzelfall sorgfältig auch alle daraus folgenden Konsequenzen." Klar bleibe aber, dass das Kreuz für Werte stehe, "die unser Zusammenleben und unseren Bildungsauftrag maßgeblich prägen".
Staatskanzleichef: "Bedauerlich"
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) bezeichnete das Urteil zum Kreuz als bedauerlich. Es sei aber eine Einzelfallentscheidung und betreffe auch nicht den "Kreuzerlass" der Staatsregierung. "Das Kreuz ist ein Zeichen unserer kulturellen und historischen Prägung." Kreuze sollte man laut Herrmann "aufhängen und nicht abhängen - und im konkreten Einzelfall zum Ausgleich der unterschiedlichen Ansichten einfach umhängen".
Auch bayerische CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek bedauerte die Gerichtsentscheidung. "Das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander."
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