Wandbild im NS-Stil einer Frau mit Kindern vor hellblauem Himmel
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Wandbild aus der NS-Zeit im Münchner Gymnasium Max-Josef-Stift

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Propaganda-Erbe: Ein NS-Wandbild an einem Münchner Gymnasium

Propaganda-Erbe: Ein NS-Wandbild an einem Münchner Gymnasium

Was macht man im Schulalltag mit einem Überbleibsel des Nationalsozialismus? Seit 1939 befindet sich im Foyer des Max-Josef-Stifts in München ein wandgroßes Fresko – mit eindeutig propagandistischem Inhalt. Wie geht die Schule damit um?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Das Bild – zunächst harmlos: In der Mitte, leicht erhöht, das strahlende Bildnis der Mutter mit Kind. Umrahmt von drei sportlichen Amazonen, einer weiteren Mutter, die mit ihren Kindern spricht, zwei jüngeren Frauen, die einander zugeneigt sind. Auf den ersten Blick eine heile Welt! Aber offenbar doch auch ein Propaganda-Bild, das die Doktrin der Mutterschaft als höchstes Ziel der Frau präsentiert, ja, verherrlicht. Eine Doktrin, die der Nationalsozialismus vorgibt.

Geschichte zum Anfassen

Bis 2009 war das Wandbild aus den 30er-Jahren von einem großflächigen Wandteppich verhängt. Viele Schülerinnen wussten über Jahrzehnte nicht, was sich dahinter verbarg. In der Schule wurde das NS-Wandbild lange nicht thematisiert. Heute ist das anders, sagt Katharina Willimski, stellvertretende Schulleiterin: "Das Wandbild ist ein Geschenk. Nicht nur für mich als Historikerin, sondern für die ganze Schulfamilie. Weil wir hier sozusagen Geschichte zum Anfassen haben." Gerade in Zeiten, in denen historische Zusammenhänge häufig angezweifelt würden, sei es wichtig, etwas vor Ort zu haben, was mit der Geschichte zu tun habe und mit dem man sich auseinandersetzen könne, so Willimski. "Sozusagen als Ankerpunkt für Reflexionen, für Auseinandersetzungen, fürs Nachdenken, wer wir sind, wer wir sein wollen. Und da sehe ich das NS-Wandbild sozusagen als Glücksfall, wenn man das so sagen darf, dass wir das hier haben und diesen authentischen Lernort nutzbar machen können."

Eduard Steiner malt das wandfüllende Fresko 1939 im Foyer des Max-Josef-Stifts. Realistisch, leicht verständlich, feierlich. Die motivische Nähe zur Muttergottes ist gewollt. Die neue Religion, so soll das Wandbild damals klarmachen, ist der Nationalsozialismus. 2019 gab es am Max-Josef-Stift das Projekt "GeDENKPause", das das Wandbild und seine NS-Vergangenheit in einer Podiumsdiskussion, in Workshops und einer Lesung problematisierte. Schülerin Emily Binding war dabei: "In diesem Projekt ging es vor allem darum, dass wir uns ganz konkret mit unserer Geschichte auseinandersetzen und dass wir unsere Frauenbilder heute mit den Frauenbildern von damals in Kontrast setzen." Auch, um dann ganz konkret festzustellen: Nein, so sind wir nicht, so wollen wir nicht sein, erläuterte Binding. "Sich damit zu beschäftigen, hat mich sehr berührt. Und weitergebracht."

Neue Leitbilder gegen das problematische Erbe

Vor Kurzem wurde eine schulintern produzierte Filmdokumentation vorgestellt, die die Geschichte des Wandbildes offenlegt: die Gleichschaltung der Schule unter dem Nationalsozialismus, die Suspendierung der liberalen Schulleiterin Gräfin Lambsdorff Anfang der 30er-Jahre, die Einsetzung eines linientreuen Schulleiters. Auf den historischen Filmaufnahmen kann man die Schülerinnen in Reih und Glied sehen, die Arme zum Hitlergruß erhoben. An der Fassade in der Ludwigstraße die feierliche Hakenkreuzfahne. Den strammen Einmarsch der Mädchen mit Wimpel und in BDM-Uniform. Die Dokumentation ist heute Bestandteil des Lehrplans.

Die stellvertretende Schulleiterin Katharina Willimski definiert das heutige Leitbild des Max-Josef-Stifts im Gegensatz zu jenem anderen, das auf dem Fresko aus der NS-Zeit zu sehen ist: Sie wolle "junge Frauen aus dieser Schule entlassen, die selbstbewusst sind, die wissen, wer sie sind, die denkfähig sind, die reflexiv sind, die resilient sind und die eigentlich kein vorgegebenes Bild haben davon, wie sie sein sollen". Sondern selbst herausfinden, was in ihnen steckt und diese Potenziale entwickeln. "Dabei wollen wir sie begleiten", so Willimski.

Dieser Artikel ist erstmals am 10. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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