Die Musiker präsentieren sich vor einem Auftritt im Luschniki-Olympiastadion
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Die belarussische Band Bi-2 im Juni 2021 in Moskau

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"Nutzlos und hilflos": Rockband blamiert Russlands Diplomaten

"Nutzlos und hilflos": Rockband blamiert Russlands Diplomaten

Der Kreml wollte die politisch unliebsame Band Bi-2 unbedingt aus Thailand nach Russland zurückholen. Doch die Musiker reisten aus der Abschiebehaft nach Israel aus. Jetzt muss sich Russlands Außenminister Lawrow "mangelnde Erfolge" vorwerfen lassen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Katzenjammer im russischen Außenministerium nach einem tagelangen diplomatischen Kräftemessen zwischen Thailand, Russland und Israel. Die Musiker der belarussischen Band Bi-2 saßen in Bangkok in Abschiebehaft, nachdem sie angeblich "ohne die nötige Arbeitserlaubnis" Konzertauftritte in Phuket absolviert hatten. Von der Band hatte es geheißen, es seien ihnen bei der Einreise nach Thailand "irrtümlich" Touristenvisa ausgehändigt worden. Wie auch immer: Die Band wollte nach dem für sie äußerst unerfreulichen Vorfall nach Israel ausfliegen, Moskau dagegen ihre Rückkehr in die Heimat erzwingen - um sie möglicherweise zu bestrafen. Die Musiker hatten sich geweigert, Propagandakonzerte "für den Präsidenten" zu geben, woraufhin in Russland mehrere Auftrittstermine abgesagt worden waren.

"Mit Löffeln an Gitterstäbe schlagen"

Putin-Fans wie der Politologe Sergej Markow schimpften, die Band gehöre damit nicht mehr zu den "anständigen Menschen" und unterstütze den "Terrorismus". Der nationalistische russische Parlamentsabgeordnete Andrej Lugowoi hatte Bi-2 damit gedroht, die Band werde demnächst "vor ihren Zellengenossen Stepp tanzen" und den Rhythmus mit "Löffeln an Gitterstäbe schlagen". Der "Abschaum" werde im "wörtlichen wie im übertragenen Sinne mit offenen Armen" empfangen. Die russische Botschaft in Thailand legte es angesichts solcher Kommentare darauf an, Bi-2 nach Moskau ausfliegen zu lassen, wo die Musiker ein höchst ungewisses Schicksal erwartet hätte, doch die Band verweigerte jede Kontaktaufnahme mit den russischen Diplomaten.

Weil einige Bandmitglieder die israelische Staatsbürgerschaft haben, schalteten sich Israels Diplomaten ein und erreichten nach einer Sitzung des thailändischen Sicherheitsrats, dass die Künstler nach Tel Aviv ausreisen konnten. Dort beschwerte sich die Band über die "unverhältnismäßige" Behandlung in Thailand, womit wohl weniger die Geldstrafe von umgerechnet jeweils 85 US-Dollar gemeint war, als vielmehr die zeitweilige Unterbringung "in einem Käfig unter sengender Sonne", wie Augenzeugen beobachtet haben wollten. Zuvor hatten die thailändischen Behörden deutlich gemacht, dass die Band nicht etwa aus politischen Gründen, also auf Druck Moskaus, festgesetzt worden war. So oder so entwickelte sich die Angelegenheit zu einem symbolträchtigen Diplomaten-Duell, das Russland verlor, weshalb sich Außenminister Sergej Lawrow nun viel Hohn und Spott gefallen lassen muss.

Lawrow reagiert mit bissiger Ironie

Der russische Generalkonsul in Thailand, Wladimir Sosnow, habe sich "idiotisch" verhalten und damit den Einfluss der russischen Diplomatie auf der ganzen Welt geschmälert, kritisierte der gut informierte Blogger und selbst ernannte "Korruptionsbekämpfer" Schumanow, der gleichzeitig behauptete, dass Sosnows Frau einen schwunghaften Handel mit Visa für China betreibe ("schnell und günstig"), was seiner Ansicht nach nur mit Unterstützung des Außenministeriums möglich sei. Diese öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Privatgeschäfte dürfte nicht ganz im Sinne der Familie Sosnow sein.

Lawrow ließ unterdessen eine Stellungnahme veröffentlichen, wonach es sich beim Vorgang um Bi-2 um "Desinformationen" und "Fake News" handle. Hinter den Kulissen gehen die emotionalen Wogen im Außenministerium wohl ziemlich hoch, gemessen am ungewöhnlich ironischen Stil des Texts: "Wir haben Verständnis für die Versuche israelischer Diplomaten, die Möglichkeit der Befreiung, wenn schon nicht der Geiseln [im Gaza-Streifen], dann doch immerhin von Musikern auszuloten." Die Band habe zwar jeden Kontakt mit russischen Konsulatsbeschäftigten abgelehnt, amerikanische, deutsche, polnische und litauische Diplomaten aber gern empfangen: "Es ist wahrscheinlich viel einfacher, nach der abermaligen 'geheimnisvollen Hand des Kremls' zu suchen, als zuzugeben, dass man gegen Gesetze verstoßen hat."

"Sie brauchten eine fette Trophäe"

Nach Auffassung des russischen Oppositionspolitikers Dmitri Gudkow, der in engem Kontakt zu Bi-2 stand, wollte Moskau in Thailand mit geheimdienstlichen Methoden ein Exempel statuieren: "Sie brauchten so eine fette Trophäe. Aber Gott sei Dank ist es uns gelungen, das zu verhindern." Daran hätten auch die Vertreter Deutschlands, Australiens und der USA ihren Anteil gehabt. Der thailändische Premierminister sei direkt beteiligt gewesen: "Offenbar erklärten sie ihm, dass ein internationaler Skandal verhindert werden müsse, dass er die Tourismusbranche treffen würde und dass die Musiker in Moskau, in Russland, politische Verfolgung erwarte." Die russische Seite habe den thailändischen Stellen eine "schwarze Liste" vorgelegt und sogar eine "Belohnung" in Aussicht gestellt, falls irgendjemand die Bandmitglieder rechtzeitig für eine 23.00 Uhr-Verbindung nach Moskau zum Flughafen bringe. Andere Politiker behaupteten, Lawrows Diplomanten hätten versucht, die Musiker zu einer Umsteigeverbindung nach Israel über Moskau zu überreden.

"Strudel der Absurdität"

"Wir verurteilen die Verfolgung von Musikern", ist in einem der Polit-Blogs (53.000 Fans) zu lesen: "Wir sind froh, dass es ihnen gelungen ist, den hartnäckigen Umarmungsversuchen des Heimatlandes zu entkommen." Lawrow habe sich als "hilflos und nutzlos" erwiesen: "Ob die russische Diplomatie einen noch stärkeren Niedergang als bisher erreichen kann, ist eine offene Frage. Anstelle von ernsthaften Geschäften und Versuchen, die Abschiebung russischer Bürger zu beeinflussen, sollte Lawrow die Realität akzeptieren und sich beruhigen und sich auf die Bekämpfung von [angeblich von den USA genmanipulierten] Mücken, biologischen Laboratorien und solchen Unsinn konzentrieren. Einige sind so tief in den Strudel der Absurdität gesunken, dass es schon beängstigend ist, wenn sie wieder an die Oberfläche treiben."

"Die ganze Welt gerettet"

Politikwissenschaftler Sergej Starowoitow schrieb sarkastisch: "Es ist wahrscheinlich übertrieben zu behaupten, dass das russische Außenministerium überhaupt nicht funktioniert. Aber es hat ein offensichtliches Problem – mangelnde Erfolge." Lawrow habe "seit vielen Jahren" keinerlei Ergebnisse mehr präsentiert. "Es ist klar, dass das Außenministerium eine Geisel der Entscheidungen der höchsten Staatsbeamten ist, aber es ist die Aufgabe von Diplomaten, schwierige Probleme zu lösen. Denn wenn die Probleme einfach wären, dann werden sie auch ohne das Außenministerium irgendwie gelöst", so Starowoitow. Die israelischen Diplomaten hätten sich "nicht mit Worten, sondern Taten" profiliert. Vermutlich werde Putin nach der Präsidentschaftswahl Mitte März im Außenministerium viel verändern: "Und niemand wird die Frage stellen, warum. Denn dafür hat das Außenministerium selbst viel getan."

Andere russische Blogger machten sich darüber lustig, dass der israelische Außenminister Israel Katz die "kluge und harte diplomatische Arbeit" seiner Kollegen gelobt und wörtlich gesagt hatte: "Jeder, der auch nur eine einzige Seele rettet, hat die ganze Welt gerettet." Dass neuerdings "Seelen" vor russischen Diplomaten "gerettet" werden müssten, sei zumindest "interessant". Die ganze Angelegenheit sei jedenfalls "sehr überhitzt" und "aufgeblasen". Offenbar wolle das Putin-Regime nach den ihm verhassten liberalen neunziger Jahren jetzt auch die Stars der einstmals optimistischen Nullerjahre "entsorgen", mutmaßte Mark Schischkin: "Sägt die Regierung den Ast ab, auf dem sie einst selbst saß?"

"Nicht Rache und Fallbeil"

Politologe Alexej Baunow fragte sich: "Wenn die Deportation von Bi-2 nach Russland erfolgreich gewesen wäre, wie hätten dann wohl ihre lieben Kollegen, all diese Rockmusiker in Kriegszeiten, von denen einige in der Vergangenheit Kriegsgegner und Dissidenten in der Sowjetunion waren und selbst mit der damaligen Polizei und der sowjetischen Justiz zu tun hatten, auf die anschließende Festnahme, den Prozess und die Inhaftierung reagiert?" Es wäre sehr fraglich gewesen, ob die Musikerkollegen von Bi-2 Lawrows Repressionsversuch unterstützt hätten, so Baunow. Offenbar gebe es in der Rockmusik immer noch etwas, "das sich der Polizeigewalt" widersetze.

Offenbar habe Lawrow versucht, Auslandsrussen zu disziplinieren, wurde von Ultrapatrioten unterstellt: "Die sogenannten Liberalen und die anderen ausländischen Agenten müssen spätestens jetzt verstehen lernen, dass sie Russland nicht systematisch verunglimpfen sollten, es sei denn natürlich, sie wollen die Dinge so weit bringen, dass der lange Arm der russischen Staatlichkeit sie erreicht. In der einen oder anderen Form. Sie sollten nicht versuchen, sich einer ganzen Zivilisation, dem russischen Staat und der russischen Gesellschaft, entgegenzustellen. Die Bi-2-Musiker haben das bedauerlicherweise bereits getan. Der Bumerang wird sie erreichen, nicht jetzt, sondern später. Gleichzeitig sollten wir über Bestrafung im Rahmen des Gesetzes sprechen und nicht über Rache und Fallbeil. Die Einhaltung aller rechtlichen Auflagen ist sehr wichtig."

"Exilanten werden vorsichtiger sein"

Moskau habe offensichtlich vorgehabt, ein "klares Signal an alle Exilanten" zu senden, "dass sie zwar weit von Russland entfernt sind, rein rechtlich aber immer noch Russen" seien, war im Blog von Dmitri Sewrjukow (54.000 Fans) zu lesen: "Es ist klar, dass die trunkene Atmosphäre der Freiheit manchmal einen grausamen Scherz mit Russen treibt, die sich in unfreundlichen Staaten befinden. Nach den Missgeschicken von Bi-2 und den offenbar gewordenen Plänen des russischen Außenministeriums, die konsularische Kontrolle über ausgewanderte Bürger zu stärken, werden viele dieser Art Exilanten wohl nüchtern, obwohl es nicht ausgemacht ist, dass sie sich fügen und noch weniger, dass sie massenhaft zurückkehren. Zumindest aber wird der Auswanderungsprozess geordneter, und die im Ausland lebenden Russen werden lieber vorsichtiger sein und sich von den Versuchungen der Geopolitik fernhalten."

"Freude über Demütigung des Außenministers"

Lawrow habe "viel Mist gebaut", wetterten die Teilnehmer von Leserforen, wo es allerdings auch wütende Putin-Fans gab, die sich darüber ereiferten, dass Bi-2 offenbar befürchtet hätten, in ein "russisches Vernichtungslager" gesteckt zu werden - das es natürlich gar nicht gebe. "Man könnte meinen, unsere Diplomaten hätten Besseres zu tun, als sich um diese Musiker zu kümmern", schrieb jemand fassungslos. "Für die Jungs kann man sich nur freuen", meinten die einen, während die anderen froh waren, nicht mehr für die "krächzenden alten Stimmen" zahlen zu müssen. "Russland fordert den Rücktransport seiner Bürger, um sie zu bestrafen, Israel, um sie zu beschützen. Das ist der ganze zivilisatorische Unterschied und die unbequeme Wahrheit", wagte einer zu behaupten.

Ein israelischer Pass sei "besser als ein Zahnarzt-Diplom", bewunderte ein Leser die Band: "Endlich mal eine gute Nachricht." Mit Blick auf Lawrow schrieb einer der Kommentatoren: "Ein seltener Moment, in dem sich das russische Volk aufrichtig über die Demütigung des eigenen Außenministers freut. Es war notwendig, das große Land soweit zu bringen!" Der Ausgang des Kräftemessens sei "vorhersehbar" gewesen, schließlich sei Thailand an Touristen ebenso interessiert wie an Arbeitsmöglichkeiten im Ausland, argumentierte ein weiterer. "Sie lassen ihre eigenen Leute nicht im Stich, sie helfen anderen. Bravo, Israel", fasste ein Post den aufgeregten Streit zusammen.

"Wenn Diplomaten um etwas bitten"

Es sei bemerkenswert, dass Russland nicht mal in einer "scheinbaren Win-Win-Situation" siegen könne, rechnete ein Blogger mit 380.000 Fans vor. Immerhin komme jeder fünfte Tourist in Thailand aus Russland, doch diese große wirtschaftliche Bedeutung habe anscheinend nicht ausgereicht, die Behörden davon zu überzeugen, mit Lawrow zusammenzuarbeiten. Der oben erwähnte Dmitri Gudkow hatte in diesem Zusammenhang gesagt: "Thailand ist an russischen Touristen interessiert und die russische Diaspora hat alle Rekorde beim Immobilienkauf gebrochen. Das heißt, sie leisten einen großen Beitrag zur thailändischen Wirtschaft. Wenn Diplomaten Sie also um etwas bitten, dann kommen Sie dieser Bitte nach."

Eine eher scherzhaft gemeinte "Verschwörungstheorie" wurde auch in Umlauf gesetzt: Bi-2 hätten sich wahrscheinlich vor Jahren den Bandnamen gegeben, um dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu ("Bibi") zu schmeicheln. Der habe sich jetzt wohl revanchiert.

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