Modell der künftigen jüdischen Kita in Nürnberg.
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Neben dem Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg soll diese jüdische Kindertagesstätte entstehen.

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Offen für alle: Nürnberg bekommt erstmals jüdische Kita

Offen für alle: Nürnberg bekommt erstmals jüdische Kita

Es ist ein Zeichen dafür, dass jüdisches Leben zum Alltag in der Stadt gehört: In Nürnberg entsteht erstmals eine jüdische Kindertagesstätte. Sie soll Kindern aller Religionen offenstehen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Ostern, Weihnachten oder Pfingsten wird in vielen Kindergärten in Deutschland gefeiert, selbst, wenn sie nicht religiös gebunden sind. Aber in welcher Kita wird schon das Lichterfest Chanukka, das Versöhnungsfest Jom Kippur oder Sukkot, das Laubhüttenfest, begangen? Jüdische Feste und Traditionen haben kaum Platz im Alltag der Kinder.

"Immer erklären, warum wir anders feiern"

Wenn Diana Liberova ihre Kinder in den Kindergarten brachte, erlebte sie immer wieder, dass weder Kinder noch Erzieherinnen und Erzieher wissen, wie und warum jüdische Feste gefeiert werden – so wie kürzlich das Pessachfest, bei dem jüdische Kinder Matzen, also ungesäuertes Brot, dabeihaben. "Man muss sich immer erklären als Mutter, warum wir was Anderes feiern als die Mehrheit der Gesellschaft", sagt Liberova, die auch Mitglied im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg ist, im Interview mit der Regionalzeit Franken auf Bayern 2. Bei Kindern jüdischen Glaubens könne dies dazu führen, dass sie sich ausgeschlossen fühlen.

Jüdische Feste im Kindergarten feiern

Eine Kindertagesstätte, in der das jüdische Jahr mit seinen Festen und Traditionen ganz selbstverständlich gelebt wird – das wünscht sich die SPD-Stadträtin und Mitinitiatorin der ersten jüdischen Kita in Nürnberg. Direkt neben dem Gemeindehaus der Israelitischen Kultusgemeinde im Norden der Stadt werden eine Krippe mit zwölf Plätzen und ein Kindergarten mit zweimal 20 Plätzen gebaut. Gestern versenkten Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) und der IKG-Vorsitzenden Jo-Achim Hamburger zusammen mit anderen Gästen eine Zeitkapsel mit Dokumenten und einem Ausschnitt aus der Tora, dem Heiligen Buch der Juden, im Boden. Im Herbst 2025 soll die Einrichtung eröffnen und dann nicht nur jüdischen Familien, sondern Familien aller Religionen offenstehen.

Erzieher müssen nicht jüdisch sein

Auch die Erzieherinnen und Erzieher der neuen Kita müssen nicht unbedingt jüdisch sein, aber zumindest offen für jüdische Gepflogenheiten. "Wir erwarten eine Bereitschaft, sich auf jüdische Traditionen und die jüdische Religion einzustellen", so Diana Liberova. Sie wünscht sich gemischte Teams aus jüdischen und nicht jüdischen Fachkräften, die in Deutschland oder in Israel ausgebildet wurden und den Kindern ein wertschätzendes Miteinander vorleben und vermitteln.

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Reden über den Auszug aus Ägypten

Es gehe nicht um eine strenge Erziehung im jüdischen Glauben, meint Liberova, aber schon darum, jüdische Erzählungen und Traditionen zu vermitteln. Auch koscheres Essen soll zum Kita-Alltag gehören. "Wir werden weniger über den Osterhasen reden als über den Auszug aus Ägypten." Der Auszug aus Ägypten vor über 3.000 Jahren ist im Übrigen der Grund, warum zu Pessach Matzen gegessen wird – die Menschen hatten bei ihrer Flucht vor dem Pharao keine Zeit, gesäuertes Brot herzustellen oder den Teig lange gehen zu lassen. Matzen ist deshalb ein flaches Fladenbrot und besteht nur aus Wasser und Mehl, das höchstens 18 Minuten lang gebacken wird. Nach dem Alten Testament befahl Gott selbst dem jüdischen Volk, sieben Tage lang nur ungesäuertes Brot zu essen.

Starkes Signal für Vielfalt in Nürnberg

Aus Sicht von Diana Liberova ist eine jüdische Kindertagesstätte ein starkes religiöses, aber auch ein starkes gesellschaftliches Signal für Vielfalt in Nürnberg und ein Zeichen gegen Antisemitismus. Ganz normal wird der Alltag in der jüdischen Kita aber nicht werden – so wie auch andere jüdische Einrichtungen müssen für sie besondere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, die mit dem bayerischen Innenministerium und der Polizei abgestimmt würden. "Das ist leider traurige Realität", sagt Liberova. Sie sieht aber auch eine positive Seite: Eltern, die ihre Kinder in die jüdische Kita schickten, müssten keine Sorge um ihre Sicherheit haben.

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