Symbolbild: Russische Soldaten bei einer Militärparade in Moskau 2016.
Bildrechte: picture alliance / AA | Sefa Karacan
Bildbeitrag

Symbolbild: Russische Soldaten bei einer Militärparade in Moskau 2016.

Bildbeitrag
> Kultur >

Angst und Trauma: Was rührt der Krieg in uns an?

Angst und Trauma: Was rührt der Krieg in uns an?

Der Angriff Russlands auf die Ukraine beschäftigt die Menschen in Deutschland. Besonders diejenigen, die schon mal einen Krieg erlebt haben - aber auch junge Leute, die in Frieden aufgewachsen sind. Wie erleben sie die jetzige Zeit?

Es ist 77 Jahre her, dass Edeltraut Rohde fliehen musste. Damals war sie 13 Jahre und drei Monate alt. Heute ist sie 90. Als sie letzte Woche vom Angriff Russlands auf die Ukraine hörte, traute sie ihren Ohren nicht.

"Ich muss ehrlich sagen, ich hatte das Gefühl, mir erstarrt mein Blut zu Eis vor lauter Schreck, dass es heutzutage möglich ist, dass noch einer so im Kopf verdreht ist, dass er der Welt einen Krieg aufzwingt." Edeltraut Rohde

Flucht: "Dieses Trauma wird ein Kind nie mehr los"

Die Berichterstattung, die Bilder von Krieg und Flucht kann Edeltraut Rohde nach ihrer Flucht aus Schlesien kaum ertragen, sagt sie. Vor allem belasten sie die Bilder von flüchtenden Frauen und Kindern: "Dieses Trauma wird ein Kind nie mehr in seinem Leben los. Ich habe es jetzt 75 Jahre irgendwo in meinem Körper versteckt und wenn ich das jetzt sehe, kommt das alles wieder zurück."

Sie hätte nie damit gerechnet, dass sie noch einen solchen Krieg in Europa erleben würde, sagt Rohde. Dass der Überfall Russlands auf die Ukraine bei vielen älteren Menschen Erinnerungen weckt, hat auch Seelsorger Volker Herbert bei seiner Arbeit in Alten- und Pflegeheimen in München in den letzten Tagen bemerkt. Viele sind unruhig.

Je näher der Krieg, desto größer die Angst bei Menschen im Alter

Momentan sei es eine Mischung aus realer Angst vor einem Einsatz atomarer Waffen und vor dem Ausgeliefertsein an irgendwelche Politiker, so der Seelsorger. "Das andere ist die Phantasie, die sich dann verbindet mit den Erinnerungen, den Befürchtungen, die man hat."

Je näher der Krieg sei, desto größer die Angst bei Menschen im Alter, die das schon einmal erlebt haben, sagt Herbert. "Es ist die Zerstörung von Lebensläufen, von Lebensplänen, von Schicksalen. Die haftet ganz besonders stark und die lässt viele bis zum Ende ihres Lebens nicht los. Und da sind noch so viele Ruinen in den Seelen mancher Menschen, denen ich begegne."

Traumatherapeut: Kriegserlebnisse werden niemals vergessen

So geht es nicht nur alten, sondern allen Menschen, die Krieg erlebt haben, sagt Traumatherapeut Markos Maragkos. Kriegserlebnisse würden niemals im wirklichen Sinne vergessen. Maragkos ist psychologischer Psychotherapeut und leitet die Münchner Ambulanz der Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation und hat immer wieder mit solchen Fällen zu tun. In den letzten Tagen haben sich mehrere Menschen an ihn gewandt.

Krieg betreffe niemals nur den Ort, wo er passiere, beziehungsweise nur die Menschen, die in ihm lebten, sagt Maragkos, "sondern es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Krieg in einem Land immer den ganzen Planeten betrifft". Und es verändere unsere Haltung gegenüber unserem normalen Alltag.

Krieg für junge Menschen bis vergangene Woche weit weg

So geht es auch Jakob. Er ist 20 und studiert Landwirtschaft. Krieg? - Schien ihm bis vergangene Woche weit weg. "Also für mich war das immer eine Sorge mit Sicherheitsabstand, bis Putin in seiner Ansprache den Westen gewarnt hat, falls er einschreitet, dass es dann Antworten von nie dagewesenem Ausmaß geben wird. Das ist dann schon finde ich einfach eine sehr konkrete Drohung, die uns jetzt relativ direkt auch betrifft."

Tipps, wie man Ängsten begegnen kann

Jetzt beschäftigt Russlands Einmarsch in der Ukraine Jakob jeden Tag. Psychotherapeut Maragkos hat Tipps, wie man Ängsten begegnen kann: "Vielen von uns hilft es, wenn sie reden, wenn sie eine Struktur im Alltag haben - wenn sie musizieren, wenn sie Freunde treffen - vielen von uns hilft, im Austausch zu bleiben." Und immer, wenn man im Zustand der Hoffnungslosigkeit, der Ohnmacht sei, solle man sich fragen: "Was kann ich konkret tun, was kann ich konkret in Handlungen umsetzen?"

Etwa Freunde und Bekannte aus Ukraine fragen, ob man ihnen helfen kann. An Hilfsorganisationen spenden, Demonstrationen besuchen oder Gesprächsrunden zum Thema organisieren.

Europäische Perspektiven zum Russland-Ukraine-Krieg

BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion. Aktuell im Fokus: der Russland-Ukraine-Krieg.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.