Vitrinen voller Silber- und Goldschmuck: Das Museumsdepot des Bayerischen Nationalmuseums
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Immer mehr schlummert in den Depots: Das Museumsdepot des Bayerischen Nationalmuseums

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Sammeln: Wie viel Museum können wir uns noch leisten?

Sammeln: Wie viel Museum können wir uns noch leisten?

Vom Gemälde bis zum Klapp-Handy: Museen sammeln Kulturgüter aller Art, um sie für künftige Generationen zu bewahren. Doch die Museumsdepots sind voll, das Bewahren kostet Geld. Wie viel Kulturguterhalt können wir uns in Zeiten knapper Kassen leisten?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Es heißt, dreiviertel aller Menschen würden irgendetwas sammeln: Briefmarken, Kugelschreiber, Uhren, Schuhe oder auch Autos. Das Sammeln scheint dem Menschen im Blut zu liegen. Doch nicht nur als Privatperson, auch als Gesellschaft sammeln wir: vom Flugzeug über Dinosaurierknochen bis zur Krone von König Ludwig – öffentliche Museen sammeln Kulturgüter aller Art, um sie für alle erlebbar zu machen, um aus ihnen zu lernen und um sie für künftige Generationen zu erhalten.

Doch die erhaltenswerten Kulturgüter werden mit fortschreitender Zeit immer mehr, allein schon, weil wir Menschen fortlaufend neue Dinge produzieren. Immer mehr Museen kümmern sich um immer größere Sammlungen. Doch wie viel Kulturguterhalt können wir uns in Zeiten knapper Kassen leisten?

Sammelstopp keine Option

Museen haben einen klar definierten Auftrag: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellen. Doch während die Kosten für Personal und Energie immer weiter steigen, wächst die finanzielle Ausstattung meist nicht in gleichem Ausmaß mit. Gleichzeitig gibt es immer mehr Museen: Waren es 1990 noch 4.000 Museen in Deutschland, sind es mittlerweile mehr als 7.100. Zugleich werden die Sammlungen immer größer: auch Badekappen aus den 60ern, Computerspiele aus den 90ern oder die ersten Handys wollen für künftige Generationen bewahrt werden. Unser Kulturgut wird also immer mehr – und verursacht immer mehr Kosten.

Ein Sammelstopp oder gar ein "Entsammeln" kommt trotzdem nicht in Frage, sagt Matthias Mühling, Direktor am Münchner Lenbachhaus [externer Link]: "Wir haben nicht nur in unserer Gegenwart einen Bildungsauftrag zu erfüllen, sondern wir sind auch darauf ausgerichtet, für zukünftige Generationen das Material an Kunst zur Verfügung zu stellen, das es braucht, um bestimmte Epochen und bestimmte Zusammenhänge darstellen zu können."

Orte der Zukunft

Das gilt nicht nur für ein Kunstmuseum wie das Lenbachhaus, sondern auch für kulturhistorische Sammlungen, die beispielsweise Alltagsgegenstände oder religiöse Objekte beherbergen, wie das Diözesanmuseum (DIMU) Freising. Dessen Direktor Christoph Kürzeder sagt: "Religion ist etwas, was in den Generationen vor uns einen Großteil der eigenen Identität ausgemacht hat. Da geht es um Dinge, die für Menschen durch die Geschichte hinweg bedeutsam waren: Was macht unser Leben aus? Welche Haltung habe ich gegenüber dem Leben, den Mitmenschen und zu mir selbst? Das sind spannende Fragen, die sich in vielen, vielen Objekten, die wir aus Kirchen kennen, aber auch in ganz persönlichen Dingen ausdrücken."

Verkauf oft unmöglich

Private Museen, wie etwa in Amerika, tun sich leicht, in Krisenzeiten mal ein Gemälde zu verkaufen und vom Erlös den Museumsbetrieb zu finanzieren oder ein anderes Werk zu kaufen. In öffentlichen Museen in Deutschland ist das schwieriger. Für viele Objekte ist vertraglich festgelegt, dass sie nicht verkauft werden dürfen, zum Beispiel weil es sich um Schenkungen handelt.

Und überhaupt: Wer sollte denn nach welchen Richtlinien entscheiden, was wegkann? Niemand weiß, welche Dinge in Zukunft interessant und wichtig werden. Krasse Fehlurteile aus der Vergangenheit beweisen das: "Ein deutsches Museum hatte einst Bilder von Vermeer", erzählt Matthias Mühling, "und die dachten: Oje, was für ein schlechter Maler, da sind so Frauen, die gucken so traurig und halten einen Brief in der Hand und das ist alles so unscharf gemalt und übrigens ist es ja kein Deutscher. Und dann wurde gesagt: Okay, dann tauschen wir das ein gegen Julius Schnorr von Carolsfeld, weil das ist so ein toller deutscher Maler. Und jetzt haben die Schnorr von Carolsfeld im Depot liegen und keine Vermeers mehr."

Lösung: Bewusstes Sammeln

Die Lösung im Angesicht von Platzproblemen und steigender Kosten heißt für die Museumsdirektoren nicht Entsammeln, sondern bewusst Sammeln: So nehmen Museen beispielsweise nicht jede Schenkung an, denn auch Schenkungen verursachen Kosten etwa für Archivierung, Lagerung oder Restaurierung, sagt Christoph Kürzeder vom DIMU in Freising: "Wir kriegen fast täglich Anrufe von Menschen, die sagen, kommen Sie bitte vorbei, wir würden Ihnen gern was zeigen. Aber da sind wir inzwischen extrem zurückhaltend. Das heißt, wir wählen wirklich sehr, sehr gut aus. Denn die Nachsorge für all diese Objekte ist wirklich aufwendig."

Christoph Kürzeder und Matthias Mühling sind sich einig: Es muss weitergesammelt werden, das sind wir kommenden Generationen schuldig. Entsammeln ist nicht praktikabel. Denn wenn es wirklich mal etwas gibt, was man weggeben könnte und möchte, dann will das auch sonst niemand haben.

Podcast: Wie viel Kulturguterhalt können wir uns noch leisten?

Die Aufgaben eines Museums sind klar: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen. Doch während die Lohn- und Energiekosten steigen, werden die Zuwendungen aus öffentlicher Hand immer knapper. Wie viel Sammeln können wir uns noch leisten? Andrea Mühlberger im Gespräch mit Matthias Mühling vom Münchner Lenbachhaus und Kunstbau München sowie mit Christoph Kürzeder vom Diözesanmuseum Freising.

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