Weißes, ungebügeltes Hemd, weiße Hose, weißer Ledergürtel, keine Strümpfe, weiße Schuhe. Und dann noch ein italienischer Sportwagen: Das Bild passt zu ihm, dem Architekten der Moderne, dessen Gebäude so leicht und schwebend wirken, mit viel Glas und extrem schlanken Stützen. Aber es gibt noch ein zweites Outfit: Seine Trachtenanzüge ließ er in Kreuth schneidern. So ist er komplett: Sep Ruf, weltoffen, mondän, erfolgreich und gut vernetzt. Aber auch: bayerisch verwurzelt, fromm, menschlich und fleißig: Über 300 Gebäude hat er geschaffen, vom Karstadt bis zur Kirche, von der Bibliothek bis zum Bankgebäude.
Eine versöhnliche Moderne
Der Film "Sep Ruf - Architekt der Moderne" führt chronologisch durch 50 Schaffensjahre eines der erfolgreichsten Architekten seiner Zeit. Dabei war es keineswegs einfach, im Nachkriegsdeutschland modern zu bauen. "Tankstelle" nannten Anwohner die Bungalows auf dem Ackerberg am Tegernsee, die Neue Maxburg in München wurde zur "Murksburg". Dabei zeigt sich Rufs versöhnliche Auffassung der Moderne hier besonders gut, sagt Irene Meißner, vom Architekturmuseum der TU München: "Da hat er eben nicht diese internationale, ortlose Moderne vertreten, sondern die Moderne, die sich eben an dem Ort festmacht. Von dem historischen Bau hat er den alten Turm stehen lassen, hat die Proportionen studiert und hat daraus eben seine Architektur entwickelt."
Leichtigkeit, Transparenz, Offenheit
Ähnliches gilt für die Villa Schwend: Schon als 23-jähriger Student baute Ruf Anfang der 30er Jahre ein würfelförmiges, weißes Wohnhaus. Ein singulärer Bau in dieser Zeit und bis 1945 das einzige Flachdach in ganz München. Doch neben den modernen gibt es auch traditionelle Elemente: Die Holzbalkenköpfe der Zwischendecke ließ Ruf offen sichtbar, die Eingangstür hat einen Rundbogen.
"Der Hass auf moderne Architektur ist bekannt, der hat die Moderne immer begleitet", sagt Architekturkritiker Gerhard Matzig, "Das wird aber Sep Ruf nicht gerecht, weil er ja genau das Gegenteil gemacht hat: Er hat sehr modern gebaut, aber auch sehr versöhnlich. Begriffe wie Gemütlichkeit, Schönheit, die waren überhaupt nicht verpönt in seinem Denken, sondern er hat Räume mit großer Aufenthaltsqualität geschaffen."
Sep Ruf: Treppenhaus der Neuen Maxburg
Die Kunstakademie Nürnberg, der Deutsche Pavillon zur Weltausstellung in Brüssel 1958 oder der Wiederaufbau des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg: Für jede Bauaufgabe hat Ruf eigene, ortspezifische Lösungen gefunden. Beispiel Wohnhaus an der Theresienstraße in der Münchner Maxvorstadt von 1951, für die damalige Zeit war das eine unglaublich aufgerissene Fassade, man kann von "gebautem Exhibitionismus" sprechen, das Haus scheint sich aufzulösen.
Leichtigkeit, Transparenz, Offenheit: Das waren nicht nur ästhetische, sondern auch politische Werte. Der Höhepunkt: Der Kanzlerbungalow in Bonn, gebaut 1963 für Ludwig Erhard: ein Flachbau mit großen Glasfassaden: eine transparente, demokratische Architektur, die der Kanzler als Aussage über seine Politik verstanden wissen wollte.
Sep Rufs Ästhetik überzeugt noch heute
Der Film von Regisseur Johann Betz nähert sich Sep Ruf von allen Seiten: Viele Schönwetterbilder rücken die Bauten ins beste Licht, dazu Drohnenaufnahmen von oben, historisches Material, Fotos und Zeitungsartikel. Bewohner, Architekturkritiker und Historiker, ehemalige Schüler und Verwandte kommen zu Wort und singen als Chor der Begeisterten ein einstimmiges Loblied auf diesen Ausnahmearchitekten, dessen Ästhetik noch heute auf allen Ebenen überzeugt. Gerhard Matzig: "Wobei Ruf nicht so radikal war in seinen modernen Überzeugungen, er hat eigentlich das gemacht, was man als Architekt macht, man nimmt auch Rücksicht auf ganz normale Raumqualitäten, die es seit Pompeji gibt. Er wollte, dass die Menschen, die in seinen Bauten wohnen, gern darin wohnen. Das kann ich nicht von jedem Architekten behaupten."
Viele, zu viele tolle Bilder
Der Film allerdings ist nicht ganz so menschenfreundlich. Die vielen, vielleicht zu vielen Bilder sind recht schnell geschnitten, das ist anstrengend, Splitscreen-Sequenzen mit drei Bildern auf einen Blick machen die Sache nicht besser. Die kurzen Textpassagen aus dem Off sind schwach formuliert, die Sprecherin bleibt blass. Und dass nahezu der gesamte Film mit einer Art bayerischem Easy-Listening-Fahrstuhl-Sound unterlegt ist, nervt gewaltig. Aber bitte: Schauen Sie sich diesen Film trotzdem an! Mehr Sep Ruf ist in 90 Minuten nicht möglich und von Sep Ruf kann man eigentlich nie genug bekommen.
"Sep Ruf – Architekt der Moderne": Ab 10. Juli im Kino
Sep Ruf: Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1958
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!