Sie sind verblasst, teilweise zerrissen und doch sind die Ähnlichkeiten zum heute noch üblichen bayerischen Blatt deutlich erkennbar: Elf Spielkarten – oder was von ihnen übrig ist – sind gleich am Eingang der kleinen Sonderausstellung mit dem Titel "Sau sticht König - Spielkarten aus Bayern" zu sehen. Es handelt sich dabei um den ersten Nachweis für die deutschen Spielkartenfarben "Herz", "Eichel", "Schellen" und "Gras". Die einzige erhaltene Figurenkarte des Spiels ist wohl der älteste "Herz-Unter" der Welt.
Dass die Karten aus dem 15. Jahrhundert im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen sind, ist einem Zufallsfund zu verdanken. Im Jahr 2000 wird ein gotisches Haus im oberbayerischen Schongau saniert. Bei den Arbeiten wird Füllmaterial eines Zwischenbodens freigelegt. Darin enthalten sind die Reste des über 500 Jahre alten Kartenspiels.
Kartenspiele: Erste Verbote im 14. Jahrhundert
Spielkarten wurden wohl in China erfunden. Von dort aus gelangten sie im späten Mittelalter nach Europa. Erstmals kann das Kartenspielen im 14. Jahrhundert in Deutschland nachgewiesen werden. Ausgerechnet ein Verbot ist der erste Beleg. 1378 sieht sich die Stadt Regensburg gezwungen, das Kartenspielen zu verbieten. Viele weitere Städte zogen später nach.
Ähnlich wie Stammtische seien Kartenrunden auch immer eine Möglichkeit gewesen, Kritik an der Obrigkeit in kleiner Runde zu üben, sagt der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Richard Loibl. Dazu kommt, dass oft auch um Geld gespielt worden ist, was ebenfalls Zündstoff liefern konnte.
Sau sticht König
Zwar seien die Spielkarten mit ihren Königen, Obern und Untern von jeher auch ein Abbild der hierarchischen Gesellschaft gewesen, sagt Loibl. Allerdings erlaubten sich Kartenspieler auch mehr oder weniger subtil die ständische Ordnung auf den Kopf zu stellen: Ab dem 16. Jahrhundert bürgert sich bei den Kartenspielen mit dem sogenannten "bayerischen Blatt" ein, dass die niedrigste Karte, die "Sau", die bis dahin höchste Karte, den "König", sticht. Ein Zusammenhang mit den zeitgleich auftretenden Bauernkriegen liegt nahe, ist aber nicht mehr nachweisbar.
Im Audio: Spielkarten mit Geschichte
Zahlreiche Spielkarten aus verschiedenen Epochen zeigen die Entwicklung bayerischer Spielkarten im Laufe der Jahrhunderte.
Schafkopf setzt sich erst spät durch
Die Ausstellung im Haus der bayerischen Geschichte geht immer wieder auf die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und dem Kartenspielen ein. Besucher bekommen nicht nur anhand zahlreicher Beispiele die Entwicklung bayerischer Spielkarten, sondern erfahren auch Neues über beliebte Kartenspiele.
Das heute weitverbreitete "Watten" entstand beispielsweise in Italien. Und auch das von vielen als urbayerisch angesehene "Schafkopfen" entstand woanders. Erst im 19. Jahrhundert kommt es aus Schlesien über Franken nach Südbayern. Richtig in Mode kommt der "Schafkopf" aber erst mit dem Ersten Weltkrieg, wo er sich unter bayerischen Soldaten in den Schützengräben verbreitet.
Kartenspiele werden vergessen
Vorher seien andere Kartenspiele viel gängiger gewesen, sagt Kurator Timo Nüßlein. Im 19. Jahrhundert ist beispielsweise ein Spiel namens "Tertl" beliebt, das zu zweit gespielt wird. Noch um 1900 ist das beliebteste Spiel in Bayern der heute weitgehend in Vergessenheit geratene "Hafertarock", der zu dritt gespielt wird.
Schon seit dem Mittelalter wurde außerdem "Pochen" gespielt. Ein Spiel mit Geldeinsatz, dass Auswanderer mit nach Amerika nehmen, wo es weiterentwickelt wird und als "Pokern" heute weltweit verbreitet ist.
Auch wenn sich die Art zu spielen stark gewandelt hat: Die Spielkarten selbst sind beständig. Ein Kartenset aus dem Jahr 1895, das am Ende der Ausstellung gezeigt wird, ist von heutigen Karten kaum zu unterscheiden.
Die Ausstellung "Sau sticht König" ist als Teil der Dauerausstellung noch bis April 2026 im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen.
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