Mozart, seine Frau Constanze und Salieri
Bildrechte: Tobias Witzgall/Salzburger Landestheater
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Trio in Wien: Hauptdarsteller von "Amadeus"

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"Warum sind alle gegen mich?": "Amadeus" überzeugt in Salzburg

"Warum sind alle gegen mich?": "Amadeus" überzeugt in Salzburg

Peter Shaffers Mozart-Drama von 1979 wird in der Regie von Andreas Gergen am Landestheater Salzburg zu einer so fulminanten wie bedrückenden Anklage gegen den Komponisten als genialem Systemsprenger. Eine beklemmende Parabel über den Neid.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Kulturleben am .

Mozart macht als Mensch und Künstler eigentlich alles falsch, so wie er in „Amadeus“ auftritt: Er ist eitel bis zur Hysterie, unhöflich bis zur Frechheit, einfältig bis zur Dummheit, schamlos bis zur Unzucht. Kein Wunder, dass sich die Leute mit ihm schwertun, und zwar nicht nur im 18. Jahrhundert, also zu seinen Lebzeiten. Mit diesem schwierigen Charakter zwischen Größenwahn und Aberwitz hätte er wohl auch heute noch Probleme, wie Regisseur Andreas Gergen nahelegt. Eine sehr überzeugende, ja in Salzburg sogar eine mutige Deutung, Mozart als „Systemsprenger“ darzustellen, immerhin sorgt der Mann für die Tourismus-Millionen, lässt die Mozartkugel rollen und wird vor allem als vermeintlich marktgängiger und gern verniedlichter Rokoko-Schabernack verehrt. Im Gespräch mit dem BR sagt Gergen, dass alle Mitwirkenden sich bei den Proben gefragt haben, wie sie ihr eigenes Künstlerdasein definieren. Da wird jeder individuelle Antworten gefunden haben, aber eines scheint allen gemeinsam: Sich nicht (nur) anpassen, nicht ausschließlich nach dem Brot gehen.

Als Mode-Prolet sorgt er für Aufruhr

Klar, die Fachleute und Kenner wissen um Mozarts revolutionäre Taten, die Musikgeschichte schrieben, doch durch die zahllosen Inszenierungen speziell der „Zauberflöte“ schwebt seine Musik ständig in der Gefahr, vom Marketingrummel zum Schlager-Dasein zerschreddert zu werden. Mozart gilt als eingängig und unterhaltsam, scheint immer mehrheitsfähig, was in der Kunst bekanntlich nicht unbedingt als Lob gilt. Wenn gar nichts mehr hilft, setzen Intendanten gern auf die "Königin der Nacht".

Der Mozart, den Aaron Röll energiegeladen spielt, interessiert sich nicht für die Vorlieben seiner Geldgeber, sondern will das „wahre“ Leben vertonen. Das allerdings erscheint dem Adel ziemlich vulgär, und damit hatten die Snobs sogar recht, schließlich herrschten in der Vorstadt raue Sitten. Wunderbar der Regieeinfall, die berühmte Operndiva Caterina Cavalieri in giftgrüne Gummistiefel zu stecken, als sie die Uraufführung der „Zauberflöte“ besucht: Der Weg zum Theater führt über wacklige Bretter durch den Unrat der Straße, es riecht nach "Würschtel". Dieser Mozart scheint davon nicht abgeschreckt, kleidet sich absolut geschmacklos in Flitter, sorgt als Mode-Prolet für Aufruhr und ist nicht nur genial, sondern weiß es leider auch. Kurz und gut: Eine herrliche Nervensäge, der man auf keiner Premierenfeier begegnen möchte. Aber wie sagt Kaiser Joseph II. seufzend? „Spektakel muss sein!"

Freundlich in alle Richtungen - aus Hass

Sein Gegner Antonio Salieri, mittelmäßiger Karrierist am Kaiserhof, fulminant dargestellt von Sona MacDonald, wird dagegen über drei Stunden zum Publikumsliebling, so souverän, wohl erzogen und einschmeichelnd, wie er sich durch seine raffinierten Intrigen scharwenzelt. Der Frack sitzt perfekt, die Frisur ebenfalls, und der größten Stärke dieses Mannes ist kein Genie dieser Welt wirklich gewachsen: Die Mittelmäßigen sind in der Mehrheit. Sie kennen den Neid und die Eifersucht auf scheinbar mühelose Erfolge, auf all diejenigen, die an ihnen vorbeiziehen, und teilen diesen Neid meist auch.

Herausragend, wie Sona MacDonald die Psyche dieses Salieri ausleuchtet, der zwar lauter böse Taten auf sein Gewissen lädt, aber im Unterschied zu Mozart in jeder Sekunde sozial völlig unauffällig ist. Freundlich in alle Richtungen, hilfsbereit nach unten und oben, verständig und gebildet – und dass er Mozarts Constanze verführen will, ist denkbar unerotisch, ja von zerstörerischer Banalität, weil ihn nicht sexuelle Gier antreibt, sondern schnöde Rache, besser gesagt der Hass auf seinen Konkurrenten.

Jedem Stand die passende Lehne

Salieri, der im echten Leben bekanntlich keineswegs so kriminell gewesen sein soll wie ihn Peter Shaffer in seinem Stück darstellt, schneidet sich in diesem Fall hochbetagt die Kehle durch. Sein Motiv: Er konnte Mozart nicht umbringen, er ist mit all seiner Raffinesse gescheitert, die Musik seines Feindes triumphierte über die eigene Mittelmäßigkeit. Gott hat es offenbar so gewollt – der Gott, den Salieri zunächst auf seiner Seite wähnte. Aber womöglich ist Gott ja tatsächlich auch irgendwann kurz nach Mozart gestorben, legt diese Inszenierung nahe: Die Welt ist seitdem ja kaum besser geworden - und die Musik?

Sehr gekonnt, wie Andreas Gergen Mozarts schwieriges Verhältnis zum Vater Leopold zum Thema macht. Das einstige Wunderkind leidet schwer unter der Gefühlskälte und den Erwartungen seines Erzeugers. Wer so einen Vater hat, muss rebellisch werden, muss Autoritäten herausfordern – leider zum eigenen Nachteil. Insgesamt ein fesselnder Theaterabend, auch dank der Ausstattung von Christian Floeren, der ein riesiges Kreuz als Laufsteg entworfen hatte. Ein plausibles Sinnbild für Mozarts narzisstische Besessenheit wie für seine Passionsgeschichte. Stühle und Sessel aller Art schweben aus dem Bühnenhimmel: Sitzgelegenheiten für hohe und niedere Personen: Jedem Stand die passende Lehne.

In Salzburg wie eine Befreiung

Georg Wiesinger steuerte die Musik bei, natürlich inspiriert von Mozart, aber weit weg von jeder Folklore. Dafür sorgte auch der Chor des Landestheaters Salzburg, der die Aufgabe hatte, das Geschehen fast wie im antiken Theater zu kommentieren – teils als Stimmen „von oben“, teils als wankelmütige Hofgesellschaft. „Warum sind alle gegen mich?“ jammert Mozart irgendwann. Dass er die Antwort nicht weiß, die so naheliegt, macht seine Tragik aus. Und dass nach dem begeisterten Schlussapplaus eine Zuschauerin doch tatsächlich leise zugibt, die Musik dieses Genies nicht zu mögen, klingt in Mozarts Heimat Salzburg wie eine Befreiung - von den gleichnamigen Pralinen und dem umsatzstarken Mythos.

Wieder am 3. und 9. Februar am Salzburger Landestheater, weitere Termine.

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