Die Schauspielerin im roten Ornat
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Yvonne Köstler als Päpstin

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Werbeclip im Vatikan: "Die amerikanische Päpstin" in Eggenfelden

Werbeclip im Vatikan: "Die amerikanische Päpstin" in Eggenfelden

Eine Frau erneuert im Jahr 2042 die katholische Kirche, indem sie liberale Reformen rückgängig macht und sich als konservative Heilsbringerin inszeniert. Esther Vilars provokantes Stück wird im Theater an der Rott überraschend einmütig beklatscht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Lange her, dass die deutsch-argentinische Autorin Esther Vilar, inzwischen 88, Schlagzeilen machte: In den siebziger Jahren verteidigte sie die Männer gegen den Feminismus und legte sich diesbezüglich im Fernsehen mit Alice Schwarzer an. "Der dressierte Mann" (1971) wurde zum umstrittenen Klassiker der Gender-Literatur, gilt seitdem als "Trostbuch" für frustrierte Machos, und auch "Die amerikanische Päpstin" (1982) steht gegen den damaligen und erst recht den heutigen Zeitgeist.

Vatikan Mieter im eigenen Haus

Vilar hält den Menschen im Allgemeinen und den Mann im Besonderen für überfordert - vor allem von der Freiheit. Die titelgebende Päpstin Johanna II., im Jahr 2042 gerade basisdemokratisch für vier Jahre gewählt, eilt den Gläubigen daher zu Hilfe und schafft auf einen Schlag alle liberalen Errungenschaften wieder ab, die ihre fiktiven Vorgänger nach und nach durchgesetzt haben: Der Vatikan ist nur noch Mieter im eigenen Haus, hält sich mit Werbeeinschaltungen notdürftig über Wasser, segnet Homosexuelle und hat sich sogar mit Abtreibungen abgefunden. Alle Immobilien wurden zugunsten der Armen verkauft, was die Zahl der Gläubigen aber wundersamer Weise weiter schrumpfen ließ. Nur noch wenige hundert Unentwegte stehen vor dem Petersdom, so die polemische Zukunftsvision von Esther Vilar.

Johanna II., im Theater an der Rott in Eggenfelden eindrucksvoll gespielt von Yvonne Köstler, nutzt eine TV-Show zum Amtsantritt für eine provokante Analyse der Lage und für ein reaktionäres Manifest: Sie will den von den modischen Reformen verunsicherten, orientierungslosen Anhängern wieder klare Botschaften vermitteln, legt ihr "Kleines Schwarzes" ab und schlüpft feierlich in den Traditions-Ornat des Pontifex. Das Outfit wird aus der Museums-Vitrine geholt, das neue, auf einer Pergamentrolle verewigte Grundsatzprogramm, ebenfalls. Die Päpstin "opfert" sich, spielt gegen ihre Überzeugungen die Rolle der Heilsvermittlerin - denn speziell die hilflosen Männer sehnen sich ihrer Meinung zufolge nach geistiger Anleitung und simpler Erbauung.

Flüchtiger Blick auf alte Führerschein-Fotos

Das war schon bei der Uraufführung eine Satire, allerdings mit anderer Stoßrichtung als heute. Damals provozierte Esther Vilar linke Feministinnen, heutzutage geht das Ganze locker als Parodie auf rechte Fundamentalisten durch, die eine wilde Flucht in die Vergangenheit antreten wollen. Die Männer der Siebzigerjahre, die Vilar einst meinte in Schutz nehmen zu müssen, sind rückblickend ja nur noch Karikaturen ihrer selbst, wie schon ein flüchtiger Blick auf alte Führerschein-Fotos und erst recht auf damalige Pamphlete zeigt.

Elke Maria Schwab, Intendantin und Regisseurin im Theater an der Rott, erzählt im Gespräch, dass sie schon als Siebenjährige nicht verstand, warum sie keine Messdienerin werden durfte. Seitdem "verfolge" sie das Thema durchs Leben. Da lag "Die amerikanische Päpstin" nahe, gerade weil das Monolog-Stück politisch so sperrig ist und mit seiner raffinierten Doppelbödigkeit kein billiges Kirchen-Bashing ist, sondern nach den wahren Ursachen für die Glaubenskrise forscht.

Könnte auch von Nietzsche sein

Päpstin Johanna II. ist überzeugt, dass Jesus Atheist war und den Leuten durch sein Vorbild lediglich ihre Freiheit erträglicher gestalten wollte, ein Einfall, der auch von Friedrich Nietzsche stammen könnte. Religion als Therapie, Glaube als Schmerzmittel. Yvonne Köstler ist als frisch gewähltes Kirchenoberhaupt erst eine durchsetzungsfähige Selbstdarstellerin, die sich in den Werbeclip-Pausen eilig pudern lässt und ihrem Publikum professionell "die Leviten" liest, dann eine gravitätische Erscheinung, die minutenlang fast regungslos ausharrt, bis eine devote Assistentin die zahlreichen Knöpfe an ihrem weißen Ornat geschlossen hat. Minuten, in denen kein Wort fällt, sich die Päpstin jedoch von einer Krisenmanagerin zum identitätsstiftenden Mittelalter-Lookalike wandelt, nach dem Motto: Zurück in die Zukunft, allerdings ganz weit zurück.

Es ist sehr unterhaltsam, in diesen rund neunzig Minuten Esther Vilars ehedem mächtig provokante "verkehrte Welt" vorgeführt zu bekommen, die mittlerweile kaum noch ein Grund zur Aufregung sein dürfte, weil die Ideologiedebatten der alten Bundesrepublik längst Patina angesetzt haben. Die gesellschaftliche Rolle, die die Kirchen damals hatten, werden sie nach den Missbrauchsskandalen vorläufig nicht mehr spielen können. Der Feminismus hat seit der ersten Kanzlerin eine andere Diskussionsgrundlage und wie viel Freiheit der Mann verträgt, das dürfte nach Lage der Dinge nicht theologisch beantwortet werden, sondern eher modisch. Die Krawatte ist ja so gut wie erledigt.

Wieder am 17., 22. und 23. März 2024 im Theater an der Rott Eggenfelden

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