Am Anfang steht bei Anna Konjetzky die Lust an der Bewegung, daran, im grellen Scheinwerferlicht eine Menschlichkeit zu zeigen. Von klein auf war das so: "Was mich wirklich interessiert und mir richtig Spaß macht, ist, konzipieren, denken, Bewegung denken, Klang denken, Raum denken."
In diesem Jahr feiert die Choreografin Anna Konjetzky ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum. An ihrer Neugier eine Musik, dazu noch Rhythmus und Sprache mit dem Körper zu erspüren, daran hat sich bis heute nichts geändert. Und sie ist auch kein bisschen müde geworden. Jede neue Bühne, jedes neue Tänzerinnen- und Tänzerteam stimuliert sie nicht nur vielseitig im Bewegungskanon zu sein, sie zeigt damit auch, wie grenzenlos vielfältig Menschen sein können: Was die Hautfarbe angeht, die Muttersprache, Körpergröße, Figur, die sexuelle Orientierung, das Alter.
Zeiten voller Fragezeichen
Kreativen Druck spüre sie nicht, denn Ideen zu haben, sei nie ihr Problem gewesen, sagt Konjetzky. "Ich habe so einen ganz aktiven und schnellen Kopf und nehme sehr bewusst wahr." Was sie hingegen spüre sei Leistungsdruck, der Druck abzuliefern. Und das zunehmend mehr, "in dem Maße, in dem kulturpolitisch, auf finanzieller Ebene, aber auch auf Deutungsebene große Fragen im Raum sind oder große Fragezeichen".
Umso wichtiger ist es Anna Konjetzky gerade in diesen Zeiten voller Fragezeichen andere Zeichen zu setzen. Das kann ein Ausrufezeichen sein oder auch ein Doppelpunkt wie im Falle ihrer neuen Produktion "Sound on". Vier Tanzende spazieren im Adidas-Outfit und mit Sneakern auf die Bühne und spielen an einem Sound-Pad herum, wie kleine Kinder. "Es gibt Teile, die songähnlich mit Stimme arbeiten. Es gibt Teile, die arbeiten eher mit einer körperlichen Stimme, die geräuschhaft ist, aber die aus dem Körper, aus einer Bewegung kommt."
In Kreiselbewegungen, Trippelschritte, Sprünge und Kullern eingebunden sind zudem vier weiße Quader, jeder so hoch wie drei Bierkästen. Die Performerinnen bauen damit immer wieder neue architektonische Kulissen – sie werden zum Catwalk oder auch zur Projektionsfläche für die Bilder der mobilen Live-Kamera.
Wie tickt die junge Generation?
Dabei stellt Anna Konjetzky die Frage, die all ihre Arbeiten wie ein roter Faden durchzieht: Wie reflektiere ich meine Sinneseindrücke, egal ob die nun aus der U-Bahn kommen, aus einem Gedicht, aus einem Stadtrundgang oder über Social Media. "Also Input haben wir, egal wo wir den bekommen. Und diese Frage, was machen wir damit und wie bleiben wir nicht in der Kopie, sondern wie können wir uns trauen, auch anders zu sein, vielleicht auch gegen den Strich zu gehen."
Gegen die Strömung zu schwimmen ist bei der täglich konsumierten Flut an Beiträgen in sozialen Netzen eine Herausforderung. Tag für Tag neue Gesichter, vielleicht auch neue Vorbilder. Wie beeinflussen diese mich und warum? Auch damit setzt sich "Sound on" auseinander. Also: wie 'tikt tokt' die junge Generation eigentlich: "Eine Tänzerin gibt eine Bewegung vor und dann lernen die alle und entwickeln die weiter. Das heißt, dieses Prinzip von Input, Digesting und Output, das ist eigentlich das, was mich daran interessiert an Social Media."
Eine konkrete Botschaft möchte Anna Konjetzky nicht mit ihren Arbeiten verbunden wissen. Vielmehr bietet sie den Zuschauenden ihre Lesart auf die Welt an. Eine Lesart, die über die Dauer ihres Schaffens stets mit der Zeit geht. "Ich glaube auch, dass dieser Austausch und dieses Zusammenkommen und gemeinsam über etwas nachdenken, einfach total wichtig ist – dieses Sich-Nicht-Alleine-Fühlen."
Das Stück "Sound on" von Anna Konjetzky ist am 8. und 9. Juli im HochX Theater zu sehen.
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