Der italienische Berlusconi-Konzern Media for Europe (MFE) hat sich die Kontrolle über ProSiebenSat.1 gesichert. Nach einer Pflichtmitteilung der Gruppe hält MFE inzwischen 75,61 Prozent der Stimmrechte an der ProSiebenSat.1 Media SE. Damit hat das Unternehmen die entscheidende Schwelle überschritten, die ihm die volle Kontrolle über den zweitgrößten privaten Fernsehkonzern Deutschlands verschafft.
Media for Europe kauft Aktienpakete auf
MFE, geführt von Pier Silvio Berlusconi, Sohn des 2023 verstorbenen ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, hatte zunächst nur 43,6 Prozent der Anteile. In einer Nachfrist kaufte der Konzern weitere Aktien auf – darunter das Paket von 15,7 Prozent, das zuvor dem tschechischen Großaktionär PPF gehörte.
"Mehr Nachrichten, Unterhaltung und Eigenproduktionen" – so skizzierte Berlusconi junior diese Woche in Berlin den künftigen Kurs. Bei einem Treffen mit Medienstaatsminister Wolfram Weimer im Kanzleramt kündigte er an, ProSiebenSat.1 solle stärker auf deutsche Zuschauer zugeschnitten werden. Der Fokus soll auf Eigenproduktionen und einem Ausbau der Nachrichten liegen, während zugekaufte Formate reduziert werden. Arbeitsplätze sollen nach seinen Worten erhalten bleiben.
Redaktionelle Unabhängigkeit zugesichert
Weimer betonte nach dem Gespräch, dass die redaktionelle Unabhängigkeit oberste Priorität habe: "Sie darf nicht angetastet werden." Beide Seiten hätten "gemeinsame Linien" entwickelt. Dass sich Regierung und Konzern bei diesem zentralen Punkt einig zeigten, gilt als Signal für ein stabileres Miteinander zwischen Politik und Medienwirtschaft.
Mit dem Einstieg bei ProSiebenSat.1 treibt MFE seine Strategie voran, einen gesamteuropäischen Senderverbund aufzubauen. Schon heute gehören Fernsehkette in Italien und Spanien zum Konzern. Von der Kooperation der drei Märkte erhoffen sich die Italiener erhebliche Einsparungen – und mehr Schlagkraft im Wettbewerb mit globalen Streamingriesen.
Familienerbe von Silvio Berlusconi wirkt nach
Die Übernahme ist nicht frei von Symbolik: Über Jahrzehnte hatte Silvio Berlusconi den Medienkonzern Mediaset genutzt, um seine politische Karriere und seine Partei Forza Italia zu stützen. Seine Kinder, darunter Pier Silvio, sind bisher nicht selbst in die Politik eingetreten. Gleichwohl gilt die Familie weiterhin als der Partei nahestehend.
ProSiebenSat.1 vor neuem Kapitel
ProSiebenSat.1 ist neben der RTL-Gruppe der zweite große private TV-Konzern in Deutschland. Zum Portfolio gehören Sender wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins sowie die Streamingplattform Joyn. Reichweite erzielen die Münchner unter anderem mit Formaten wie "Germany’s Next Topmodel", "The Voice of Germany" oder "Joko & Klaas gegen ProSieben".
Mit der Übernahme durch MFE beginnt für die deutsche Senderfamilie nun ein neues Kapitel. Ob der italienische Kurswechsel den gewünschten Erfolg bringt, wird sich erst zeigen. Doch mit der Mehrheitsübernahme ist klar: Die Zukunft von ProSiebenSat.1 wird künftig in Mailand mitgeschrieben.
Im Audio: Berlusconi: ProSiebenSat.1 bleibt "redaktionell unabhängig"
Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer (l) empfängt den italienischen Medien-Unternehmer Pier Silvio Berlusconi.
Mit Informationen der dpa
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