Eine Frau putzt eine Treppe (Archivbild)
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Bürgergeld: Lohnt sich Arbeit im Niedriglohnsektor noch?

Bürgergeld: Lohnt sich Arbeit im Niedriglohnsektor noch?

Das Bürgergeld wurde Anfang des Jahres deutlich erhöht. Für die einen sind die Regelsätze immer noch "Armutssätze". Die anderen sehen ein weiteres Problem: Dass es sich für viele nicht mehr lohnen könnte, einen Job anzunehmen.

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Beim Anfang des Jahres erhöhten Bürgergeld bekommt ein alleinstehender Erwachsener aktuell 563 Euro im Monat. Hinzukommen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Mietkosten, Geld für die Erstausstattung der Wohnung sowie Heizung. Für Kinder werden Klassenfahrten und Schulmaterialien bezahlt, ebenso wie Nachhilfe. Kritiker bemängeln, dass es sich für viele Menschen nicht mehr lohne, zu arbeiten, weil sie mit dem Bürgergeld besser dastünden.

Unternehmer: "Wir finden kein Personal"

Jobs in der Küche, als Kellner oder Barkeeper gibt es derzeit wie Sand am Meer. Doch keiner will sie machen. Auch Mitarbeiter für die Gebäudereinigung werden händeringend gesucht. Auf entsprechende Annoncen meldet sich aber kaum jemand. "Die Leute kommen vorbei und sagen: 'Ich würde ja gerne arbeiten – aber nicht für weniger als das, was ich an Bürgergeld bekomme", berichtet der Münchner Gastronom Serdar Fafal. Eine Bürgergeld-Empfängerin, die unerkannt bleiben will, bringt es auf den Punkt: "Das Problem ist, dass ich mir mit diesen Jobs auch nicht mehr leisten könnte."

Monika Schacht müsste sich eigentlich im Büro um das Management ihrer Firma kümmern, aber dafür fehlt ihr die Zeit. Sie ist damit beschäftigt, Personallücken zu schließen. Ihr Gebäudereinigungsunternehmen hat sich auf Treppenhäuser spezialisiert. Arbeit ist genug da, aber kaum noch jemand, der sie machen will. "Wir finden kein Personal", beschreibt Schacht die Situation. "Die Reserve, das sind meine Tochter, die Junior-Chefin und ich. Meine Tochter putzt schon jeden Tag und dann komme ich noch dran."

Junior-Chefin Katharina lernt neue Bewerber an. Wenige kommen und noch weniger bleiben. "Also, hier erlebe ich wirklich alles Mögliche. Die Leute kommen zum Einarbeiten und sehen dann, sie haben hier keinen Aufzug. Dann wollen sie schon gar nicht zu Fuß rauf laufen", erzählt Katharina Schacht. "Oder sie sagen dann: 'Wie, ich muss mehr putzen als nur Treppen runterwischen?'. Zum Treppenhausreinigen gehört natürlich mehr als nur den Boden zu wischen. Und die sagen dann reihenweise: 'Nee, das ist mir zu viel Arbeit.'"

Wie viel Verdienst im Vergleich zum Bürgergeld?

Der Verdienst für einen Acht-Stunden-Tag: brutto rund 2.300 Euro. Netto macht das – je nach den persönlichen Umständen – etwa 1.650 Euro für Alleinstehende und rund 1.750 Euro für Alleinerziehende. Gut 1.800 Euro bleiben einem Alleinverdiener mit Lohnsteuerklasse 3.

Ist das zu wenig? Eine Frage auch in der Gastronomie. Wirt Serdar Fafal sucht dringend neue Leute für sein Gasthaus in einem Münchner Szeneviertel. Mit seiner Stammbelegschaft schafft er die Arbeit kaum noch. "Wir müssen alle Vollgas geben, alle konzentriert dabei sein." Das Wirtshaus hat von morgens bis spät in die Nacht geöffnet. Gearbeitet wird im Zwei-Schicht-Betrieb. Köche, Küchenhilfen, Servicepersonal – an allem fehlt es.

"Wir haben ja Jobs in der Küche, die Nicht-Qualifizierte auch machen können", sagt Fafal. Doch selbst dafür finde man zu wenige Leute, um das ganze System aufrechtzuerhalten. "Wir haben ein Einstiegsgehalt von dem Mindestlohn – und das Hinaufarbeiten über Einsatz, Motivation, das steigert das alles."

Im Schnitt verdient eine Vollzeitkraft dort brutto 2.500 Euro. Macht netto, je nach individueller Voraussetzung, gut 1.750 Euro mit Lohnsteuerklasse 1, rund 1.850 Euro mit Lohnsteuerklasse 2 und knapp 2.000 Euro mit Lohnsteuerklasse 3. Plus Trinkgeld. Und für 100 Euro im Monat kann das Personal während der Schicht im Restaurant Essen und Trinken. Neue Kollegen zieht das trotzdem nicht mehr an.

"Die Situation mit zu wenig Personal bedeutet einfach für uns, dass wir zu wenig Kontakt am Gast haben können, uns nicht so darum kümmern können, wie wir es uns eigentlich vorstellen – und somit auch nicht den Umsatz erreichen, den wir als Steigerung brauchen würden", berichtet Fafal.

Bürgergeld-Empfängerin: Unter dem Strich wäre es weniger Geld

In einem Jobcenter in München trifft BR24 eine Bürgergeld-Empfängerin für ein Interview. Ihre wahre Identität will sie öffentlich nicht preisgeben, daher wird sie im Folgenden "Sophie" genannt.

Ihr sei es sehr unangenehm, in dieser Situation zu sein, berichtet Sophie. Sie ist Mitte 50 und alleinstehend, hat einen Realschulabschluss, aber keine Berufsausbildung. Früher hat sie im Büro gearbeitet, unter anderem als Assistentin der Geschäftsleitung. Seit gut einem Jahr bezieht sie Bürgergeld.

Sie zeigt ihren Bescheid vom Jobcenter. Jeden Monat erhält sie folgende Leistungen: den Regelsatz für den Lebensunterhalt: 563 Euro. Den Höchstsatz fürs Wohnen: 849 Euro und für Nebenkosten wie Wasser und Heizen 460 Euro. Macht insgesamt 1.872 Euro.

"Ich denke, dass das Bürgergeld generell nicht zu hoch ist, denn sonst kann man überhaupt nicht mehr leben. Man kann sich mit dem Regelsatz nichts leisten - überhaupt gar nichts. Man kommt über die Runden", bewertet Sophie die Leistungen. Und dennoch: Ein Job in der Gebäudereinigung oder im Szene-Wirtshaus ist für sie unattraktiv.

"Das macht einfach keinen Sinn. Nicht nur, dass ich sage, ich arbeite jetzt, was ja auch körperlich und geistig anstrengend ist – nein, unter dem Strich bekomme ich auch weniger Geld im Monat raus, als ich Bürgergeld erhalte. Das kann nicht sein."

Finanziell lohnt sich Arbeit im Niedriglohnsektor also nicht. Meta Günther, die bayerische Landesvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, hält sie trotzdem für sinnvoll. "Natürlich müsste sie aufstocken. Es wird nur etwas mehr, das weiß ich auch – aber letztendlich könnte es ein Sprungbrett sein. Sie könnte eine höhere Qualifizierung erhalten, dadurch mehr Gehalt. Viele Quereinsteiger haben jetzt eine Chance – selbst, wenn sie mit 50 oder 55 noch mal starten müssen."

Ifo-Institut: Finanzieller Anreiz muss größer werden

Aufstocken hieße für Sophie: Bürgergeld beziehen und zusätzlich arbeiten. Das kommt für sie aber nicht infrage, denn nur einen Verdienst bis 100 Euro darf sie komplett behalten. Von einem Minijob bleiben ihr 20 Prozent. Bei 1.000 Euro Verdienst sind es 30 Prozent, bei 1.200 Euro zehn Prozent. Das schreckt selbst Leistungsbereite ab.

Der finanzielle Anreiz zur Arbeit müsse größer werden, hat das ifo Institut in einer Studie festgestellt, die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt wurde. "Bei unserem Reformvorschlag geht es darum, dass insbesondere Bürgergeld-Empfänger mehr netto zur Verfügung haben, wenn sie arbeiten, wenn sie Geld verdienen. Das heißt, dass man ihnen weniger von dem hinzuverdienten Geld wegnimmt", erläutert Andreas Peichl vom ifo Institut München.

Die Studie zeige, dass durch diese Reform die staatlichen Kassen sogar entlastet würden. "Es würde circa eine Milliarde Mehraufkommen erzielt, insbesondere in der Sozialversicherung, weil durch die gestiegenen Arbeitsanreize auch tatsächlich mehr Menschen arbeiten würden und höhere Sozialabgaben, aber auch Steuereinnahmen entstehen und niedrigere Transferausgaben."

Institut für Arbeitsmarktforschung für höhere Freibeträge

Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erläutert, es brauche höhere Freibeträge, um Arbeit attraktiver zu machen. "Wir haben ein sehr starkes Abschmelzen von Sozialleistungen", betont Weber. "Da müsste man wirklich deutlich transparenter werden und auch kontinuierlicher einen Selbstbehalt gewährleisten."

Unternehmerin: Alle sind verzweifelt

Unternehmer wie Katharina und Monika Schacht könnten davon profitieren, wenn ihre freien Stellen für Bürgergeld-Empfänger attraktiver wären als bisher. Auf ihre aktuelle Stellenanzeige hat sich eine einzige Bewerberin gemeldet. Ob es tatsächlich zu einer Anstellung kommt, steht derzeit noch nicht fest. Bei den Arbeitgebern liegen die Nerven blank.

"Die Stimmung ist ganz schlecht", sagt Monika Schacht. "Jeder möchte am liebsten verkaufen, zumachen. Kein Interesse, kein Wille mehr, kein Mut, das weiterzumachen. Jedes Gewerbe, Fliesenleger, Maler, alle sind verzweifelt." Ihr Appell: Die Politik müsse handeln, damit Betriebe ihre Türen wegen Personalmangels nicht für immer schließen.

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