Ein transparenter Plastikbecher liegt auf einer Rastbank, während ein Auto vorbei fährt.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Felix Kästle
Bildbeitrag

Darum funktioniert die Mehrwegpflicht noch nicht (Symbolbild)

Bildbeitrag
> Wirtschaft >

Darum funktioniert die Mehrwegpflicht noch nicht

Darum funktioniert die Mehrwegpflicht noch nicht

Seit einem halben Jahr sollen Pappbecher und Wegwerfschüsseln per Gesetz weichen. Stattdessen soll es überall Mehrweggeschirr geben. BR24 Drangeblieben hat herausgefunden: Bisher wird das Gesetz eher unwillig befolgt, aus sehr verschiedenen Gründen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Drangeblieben am .

Es ist Dienstagmorgen im Münchener Hauptbahnhof. Am Fahrkartenschalter steht ein Mann, er zieht ein Ticket und schlürft zeitgleich seinen Kaffee. Als er fertig ist, nimmt er den Fahrschein mit, den Becher schmeißt er in den nächsten Mülleimer. Solche einmal benutzten Verpackungen verursachen allein in Deutschland jährlich etwa 280.000 Tonnen Müll.

Um diese Zahl nicht mehr steigen, sondern endlich sinken zu lassen, hat die Europäische Union eine Richtlinie erlassen, die seit dem 1. Januar 2023 auch in Deutschland Gesetz ist: die sogenannte Mehrwegpflicht.

  • Zum Artikel: Mehrweg-Pflicht - Dieser Landkreis zeigt, wie's klappen kann

Es drohen Bußgelder bis zu 10.000 Euro

"Gastronomiebetriebe, die mehr als 80 Quadratmeter Fläche haben und mindestens fünf Mitarbeitende beschäftigen, sind verpflichtet, für ihre Mitnehm-Speisen und -Getränke auch Mehrwegbehältnisse anzubieten", erklärt Christopher Schuhknecht die Regelung. Wer sich nicht dran hält, dem drohen Bußgelder bis zu 10.000 Euro.

Schuhknecht ist Jurist und arbeitet bei der Stadt München im Referat für Klima- und Umweltschutz. Er leitet dort die Stabsstelle "Recht und Sonderprojekte". Und ein solches Sonderprojekt ist die Mehrwegpflicht noch immer – obwohl sie schon seit einem halben Jahr gilt. Denn noch setzen längst nicht alle Betriebe sie um.

Schuhknecht weiß das, weil im Referat für Klima- und Umweltschutz auch Leute beschäftigt sind, die die Umsetzung der Mehrwegpflicht kontrollieren. Die berichten, dass es durchaus Betriebe gebe, die sehr vorbildlich auf ihr Mehrweg-Angebot hinweisen, manche verlangen für den umweltschädlichen Pappbecher sogar einen Aufschlag. Aber: "Wir haben zeitgleich auch Betriebe, in denen dieses Thema zum ersten Mal aufschlägt, wenn der Kontrolleur vor Ort ist."

Schätzung: Nur etwa ein Drittel der Betriebe setzt die Pflicht um

Schuhknecht schätzt, dass ein Drittel aller verpflichteten Cafés, Bäckereien, Imbisse, Restaurants, Metzgereien und so weiter ihrer Pflicht nachkommen. Dass die anderen zwei Drittel es nicht tun, dafür hat er auch keine rechte Erklärung. Möglicherweise kam das Gesetz zu schnell, zu allgemein ausgestaltet, vermutet er. Aber: "Es ist jetzt so wie es ist. Wir müssen einfach auf dem Weg zu mehr Mehrweg einzelne Schritte nach vorne kommen."

Einigen sind diese Schritte aber nicht entschlossen genug. Thomas Fischer zum Beispiel. Er ist bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für alle Themen rund um Kreislaufwirtschaft zuständig und sagt: "Mehrweg ist keine Utopie, es hat einen ökologischen Zusatznutzen – davon muss man aber auch überzeugt sein." Auch deshalb hat die DUH gerade vier große Ketten verklagt, weil sie sich nicht oder nur zum Teil an ihre Mehrwegpflichten gehalten haben.

Aufschlag auf Pappbecher verpflichtend machen?

In Fischers Augen ist das Gesetz zur Mehrwegpflicht zu lasch ausgestaltet. Eigentlich müsse es standardmäßig und überall teurer sein, einen Pappbecher zu benutzen. Außerdem plädiert er dafür, Einweg in Restaurants komplett zu verbieten. Und es müsste ein einheitliches Pfandsystem in ganz Deutschland geben.

Damit könnte sich Greta Mager vom Münchener Mehrweggeschirr-Hersteller Recup sicherlich auch anfreunden. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter als Fischer und hofft, dass es irgendwann nur noch selten Kaffee zum Mitnehmen gibt. "Es wäre schön, wenn wir alle wieder mehr genießen könnten", sagt sie. Recup ist einer der größten Anbieter für Geschirr zum Mitnehmen.

Causa Pizzakarton: Schwierig für Mehrweg

Dort freuen sie sich zwar über die Mehrwegpflicht, zeitgleich aber tun sich mit ihr auch ganz neue Herausforderungen auf. Pizzakartons zum Beispiel. "Die würden wir auch gerne zum Mitnehmen gestalten", erzählt Mager. "Aber das ist die Königsdisziplin." Denn wie gestaltet man einen Kunststoffkarton, in dem etwas heiß und knackig bleiben soll? Und wie kann er zur nächsten Rückgabestelle transportiert werden, ohne mit seinem quadratischen Riesenformat zu nerven?

Bei Recup ist man allerdings zuversichtlich, dass auch dieses Problem irgendwann gelöst werden kann – denn man schaut schon auf die künftigen Pläne der Europäischen Union. Die will mittelfristig nämlich nicht nur den Pappbecher aus dem Verkehr ziehen, sondern zum Beispiel auch Lebensmittelverpackungen aus dem Einzelhandel nachhaltiger gestalten.

"Irgendwann wird Mehrweg der Standard sein", da ist sich Christiane Rohleder sicher. Sie ist Staatssekretärin im Bundesamt für Umwelt und Verbraucherschutz. Auch sie beobachtet Ausweichbewegungen bei den Betrieben. Ein Stück weit könne Sie das verstehen, erzählt sie, schließlich brauche es durchaus etwas Eigeninitiative, um vom Papp- auf den Plastikbecher umzusteigen.

Öffentliche Debatte fehlt

Aber es zeigt sich auch: "Wenn viele Gastronomie-Betriebe mitmachen, dann übt das auch einen Druck auf die anderen aus, das auch zu tun", erzählt Rohleder. Um die Kommunen zu unterstützen, hat der Bund gerade zusätzlich ein Gesetz beschlossen, das Hersteller von Einweg-Plastik-Geschirr noch etwas mehr unter Druck zu setzen soll: das Einwegkunststoff-Fonds-Gesetz. "Jetzt müssen Anbieter von Einwegkunststoffprodukten, die besonders häufig in der Landschaft landen, in einen Fonds einzahlen. Und dieses Geld kommt dann den Kommunen zugute für ihre Reinigungskosten."

Worüber wiederum Christopher Schuhknecht sich freuen dürfte. Denn die Stadt ist auch dafür zuständig, die vielen kurz genutzten und schnell entsorgten Einwegbehältnisse zu entsorgen. Damit die Abkehr vom Einweg schneller geht, bräuchte es vor allem eines, sagt Schuhknecht: eine öffentliche Debatte zur Mehrwegpflicht. Die fehlt ihm noch, denn "wenn mehr Menschen wüssten, dass es das Angebot gibt, dann würden es auch mehr nachfragen", da ist er sich sicher.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!