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Gas-Krise: Keine Klarheit, wer im Notfall was bekommt

Gas-Krise: Keine Klarheit, wer im Notfall was bekommt

Wer bekommt Gas, wenn es zu wenig gibt? Das entscheidet die Bundesnetzagentur, ganz oben auf der Liste stehen Gesundheits-, Strom- und Wasserversorger. Für deren Zulieferer gilt das aber nicht - genau wie für tausende andere Unternehmen in Bayern.

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Die Gasspeicher in Deutschland sind aktuell sehr gut gefüllt. Das beruhigt nicht alle. Denn: Sollte es zu einer Gasmangellage kommen und die dritte Stufe des Notfallplans ausgerufen werden, würde das Gas rationiert. Die Bundesnetzagentur wäre dann für die Verteilung zuständig. Bei dem Thema Gas-Verteilung herrscht viel Unsicherheit – vor allem bei Unternehmen, die zwar nicht selbst zur kritischen Infrastruktur zählen, dieser aber zuliefern.

Frische Wäsche für das Krankenhaus

So zum Beispiel beim Wäschereibetrieb Abel in Anger-Aufham im Berchtesgadener Land. Dort kann nur gearbeitet werden, wenn Gas geliefert wird. Die Wäsche, die dort gewaschen wird, ist für Krankenhäuser unverzichtbar, zum Beispiel in Murnau: "Das ist Berufsbekleidung für das Gesundheitswesen. Wenn wir die nicht mehr liefern, dann kann der OP nicht mehr arbeiten", sagt Christian Abel.

Die Wäscherei reinigt auch Feuerwehr-Bekleidung und Berufsbekleidung für andere Betriebe. 250 Kunden gehören laut Abel zur kritischen Infrastruktur. Insgesamt rund 50.000 Stück Wäsche werden hier bearbeitet. Ohne sie würden elementar wichtige Betriebe und Einrichtungen in Bayern womöglich still stehen.

Was passiert, wenn das Gas im Winter knapp wird?

Der Gasnotfall-Plan des Bundeswirtschaftsministers sieht drei Stufen vor. Die erste Stufe, die sogenannte "Frühwarnstufe", wurde im März ausgerufen, im Juni dann die zweite Stufe, die sogenannte "Alarmstufe". Die dritte Stufe ist die "Notfallstufe" – noch gilt sie nicht. Nach Expertenmeinung kann das aber auf Deutschland zukommen, etwa, wenn der Winter sehr kalt wird. Wenn die dritte Stufe in Kraft tritt, teilt die Bundesnetzagentur das knappe Gas über die Versorger direkt zu.

Christian Abel und sein Team wollen schon lange wissen: Was würde passieren, wenn die dritte Stufe in Kraft tritt? Bei verschiedenen Stellen fragten sie schon an, ob sie dann Gas bekämen: bei der Gemeinde, dem Landrat, den Energienetzen Bayern und den Münchner Stadtwerken. Eine Antwort sei nur von den Energienetzen Bayern gekommen, so Abel. Ein Fragebogen, auf dem Kontaktdaten eingetragen werden sollten und ob man zu den Endverbrauchern gehöre. "Aber zu den Endverbrauchern gehören wir effektiv nicht. Das wissen wir ja", sagt Abel. "Also, wie versorgen wir unsere Krankenhauskunden in Zukunft, wenn wir kein Gas bekommen? Und ob wir Gas bekommen oder nicht, darauf haben wir keine Antwort bekommen."

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In der Wäscherei wird Bekleidung für Feuerwehren, Krankenhauspersonal und weitere Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur gereinigt.

Karte: So sind die Gasspeicher in Bayern gefüllt

Privathaushalte werden weiter mit Gas versorgt

Die Bundesnetzagentur definiert wer in einer nationalen Gasmangellage Gas zugeteilt bekommt. Zu den geschützten Kunden zählt sie private Haushalte sowie Unternehmen mit einem Verbrauch von weniger als 1,5 Gigawattstunden pro Jahr. Der Rest gilt als "nicht geschützte Kunden". Auch die Wäscherei gilt mit ihrem großen Gasverbrauch als nicht geschützt.

Ausnahmen gelten nur für lebensnotwendige Dienste. Dazu zählt die Bundesnetzagentur etwa die Gesundheits-, Strom- oder Wasserversorgung, nicht deren Zulieferbetriebe.

"Gemeint sind hier nur die Erbringer des grundlegenden sozialen Dienstes selbst, nicht ihre Dienstleister und Zulieferer." Bundesnetzagentur

Keine Produktion ohne frische Wäsche

Nach Meinung von Christian Abel müsse "ganz klar gesagt werden, auch die Zulieferer zur kritischen Infrastruktur müssen die kritische Infrastruktur versorgen können. Und dafür brauchen sie die Energie." Auch Kunden der Wäscherei geht es nicht besser. Etwa den Milchwerken Berchtesgadener Land, die ihre Betriebsbekleidung dort steril reinigen lassen.

Denn ohne frische Wäsche läuft auch in der Großmolkerei nichts. Firmenchef Bernhard Pointner erläutert: "Ohne hygienisch gereinigte Betriebskleidung könnten wir nicht produzieren." Und auch er weiß nicht, ob und wenn, wieviel Gas er bekäme bei einer Gasnotfallstufe. "Der deutsche Mittelstand ist in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir wären also dringend darauf angewiesen, dass wir hier Rückmeldung bekommen und Planungssicherheit", so Pointner.

Industrie und Handel fordern klare Definition

Auf der Vollversammlung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages in München wurde die Sorge um das Gas thematisiert. Dass die Wirtschaft keine konkreten Angaben von der Bundesnetzagentur erhält, verunsichert zutiefst. Manche fürchten um den Fortbestand der Betriebe. "Wir haben sehr energieintensive Unternehmen in der Region, Papierfabriken usw. Da nützt es nichts, zu sagen: 'Spart mal x-Prozent ein'. Da gibt es nur ein Entweder - Oder", sagt Heike Wenzel, Präsidentin der IHK Aschaffenburg. Michael Waasner, Präsident der IHK Oberfranken Bayreuth betont: "Insbesondere haben wir in Oberfranken eine starke Glasindustrie. Wenn dort das Gas wegbleibt, frieren die Glaswannen ein. Damit kann die Produktion auf Jahre wahrscheinlich nicht mehr angefahren werden. Und die müssten das natürlich schon wissen."

Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages erklärt: "Eine Forderung, die wir haben, ist, Lebensmittelbranche definieren als Priorität. Wir müssen alle etwas zu Essen und zu Trinken haben, jeden Tag. Hygieneartikel, alles, was im Notfall eben wichtig ist. Das kann man doch definieren. Das ist doch nicht so schwer."

Bundesnetzagentur will bei Gasengpass einzeln entscheiden

Auch Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung fordert man Regeln: "Die klaren Kriterien, welches Unternehmen wird nun abgeschaltet und welches nicht, wenn es dazu kommt. Das steht nicht fest", sagt Präsident Achim Wambach. Es gehe nicht nur um diesen Winter, sondern auch um den nächsten, in dem es nach Meinung mancher sogar noch knapper werden könne. "Insofern lohnt es sich schon, auch einige Gedanken reinzustecken, wie man eine Gasmangellage vermeiden kann. Weil das sollte das prioritäre Ziel sein", ergänzt Wambach.

Auf Anfrage der BR-Redaktion mehr/wert teilte die Bundesnetzagentur mit, in Sachen Gaszuteilung in bestimmten Fällen – auch im Hinblick auf den Schutz kritischer Infrastrukturen – einzeln entscheiden zu wollen. "Warum hält sich die Bundesnetzagentur hier so zurück? Sie schafft zusätzliche Unsicherheit und geht rein auf Einzelfallentscheidung", kritisiert Gößl. Diese Einzelfallentscheidungen in der Gasnotfallstufe könnten angesichts Tausender Betriebe in Bayern eine schier unlösbare Aufgabe werden.

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