Gebrauchtwagen auf Parkplatz
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Krisenstimmung am Gebrauchtwagenmarkt: Viel Angebot trifft auf verhaltene Nachfrage

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Gebrauchte E-Autos: Warum der Markt nicht in die Gänge kommt

Gebrauchte E-Autos: Warum der Markt nicht in die Gänge kommt

Elektroautos erleben gerade eine Absatzkrise, gleichzeitig kommen wohl bald viele gebrauchte Stromer auf den Markt. Was bedeutet das für Kaufinteressierte und wie reagieren Handel und Hersteller?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Damit sich Elektromobilität unter Marktbedingungen durchsetzt, braucht es ein hinreichend großes Gebrauchtwagenangebot über alle Preisklassen. Anders als beim Verbrenner existiert so ein Gebrauchtwagenmarkt jedoch erst ansatzweise. Der ist aber "enorm wichtig für das gesamte Ökosystem E-Mobilität", so Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Im Kern geht es darum, breitere Einkommensschichten an die E-Mobilität heranzuführen. Bei aktuellen Neupreisen meist ab 60.000 Euro aufwärts ist das unmöglich. Doch für preisgünstige, gebrauchte Stromer sind die Voraussetzungen bislang schlecht und Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil, wie BR24-Recherchen bei Käufern, Herstellern und Handel ergaben.

Warum die Käufer streiken

Die Marktbeobachter der DAT Automobiltreuhand sehen für das ausgehende Autojahr 2023 "eine deutlich spürbare Kaufzurückhaltung der Endverbraucher" im gesamten Automarkt. E-Autos sind nach wie vor vergleichsweise kaum gefragt und gebrauchte Stromer lassen sich nur mit hohem Beratungsaufwand und Abschlägen verkaufen. Zum gleichen Befund kommt auch eine aktuelle Studie von Dekra und Ipsos Marktforschung. Laut Datenauswertung der Handelsplattform "autoscout" gibt die Kundschaft im Schnitt rund 15.000 Euro weniger aus als noch im Oktober 2022 – ein Preisrückgang von 31 Prozent.

Bei einem Testanruf im Berliner Audi-Zentrum wurde uns ein zwei Jahre alter E-Tron 50 für 31.900 Euro angeboten, also rund 45.000 Euro unter Neupreis. Das liegt auch am Alter des Wagens. Denn wenn sich Kunden für einen Elektro-Gebrauchtwagen entscheiden, dann in 90 Prozent der Fälle als Jahreswagen. Weil Batterie, Reichweite und Ladekapazitäten immer besser werden, mutieren gebrauchte Stromer mit veralteter Technik rasch zu Ladenhütern.

Hier wird es darauf ankommen, wie schnell und überzeugend der Gesundheitszustand ("State of Health") eines Akkus künftig ermittelt und für Gebrauchtkäufer zertifiziert werden kann. Denn eine zeitwertgerechte Reparatur wie bei Verbrennern ist beim E-Akku in der Regel nicht möglich und ein Komplettaustausch geht in die Tausende.

Förderpolitik als "Rohrkrepierer"

Gebrauchtwagen-Kunden haben bei jungen E-Autos zudem nur einen geringen Preisvorteil gegenüber Neuwagen mit staatlicher Förderung. Die Förderung gebrauchter Stromer sei wegen der vielen Einschränkungen ein "Rohrkrepierer", so Marcus Weller, ZDK-Experte für Elektromobilität.

Wenn große Anbieter wie jüngst Tesla dann mit plötzlichen Rabatten oder Preissenkungen operieren, sei das "enorm schädlich für die Restwerte der Bestandsfahrzeuge", so Automarkt-Experte Bratzel. Autovermieter Sixt hat bereits reagiert und Tesla aus dem Programm genommen. Auch Konkurrent Hertz tritt auf die Bremse, weil Schadensreparaturen bei Elektroautos in etwa doppelt so teuer seien wie bei Verbrennern. Das hat mittelfristige Folgen für das Gebrauchtwagenangebot.

Denn zwei Drittel aller Neuzulassungen in Deutschland sind gewerblich, die Kunden sind also Unternehmensflotten oder Autovermieter. "Diese sind ungeheuer wichtig für den gesamten deutschen Automarkt, da diese Fahrzeuge nach ein bis drei Jahren auf dem Gebrauchtwagenmarkt zur Verfügung stehen", urteilt das DAT-Barometer vom November.

Die Politik hat das Problem erkannt und appelliert an die Firmen, noch mehr E-Autos in die Dienstwagenflotte aufzunehmen, die später als Gebrauchte auf dem Markt landen. Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) spricht von einem "Dienstwageneffekt". Andererseits drängen die Ampelpartner SPD und Grüne auf Abschaffung der Steuervorteile für Dienstwagen. Verbrenner-Autos künstlich unattraktiv machen ist die andere Option, die allerdings auf massiven Protest stoßen dürfte. Aktuelle Pläne zur drastischen Kfz-Steuererhöhung kritisiert zum Beispiel das bayerische KFZ-Gewerbe als "unverantwortliche Haushaltssanierung auf Kosten der Autofahrer".

Doch nicht nur die Förderpolitik, auch Angebot und Nachfrage sind im Ungleichgewicht, wie sich auf dem Leasingmarkt zeigt.

Leasing: Das Herstellerrisiko wächst

Nicht die Fahrzeugentwicklung, sondern die angeschlossenen Autobanken dürften den Herstellern in den kommenden Monaten und Jahren am meisten Kopfzerbrechen bereiten. Denn die erste Generation von Leasing-Rückläufern, also auf drei Jahre gemietete Elektroautos zumeist aus dem gewerblichen Bereich, drängt in den Gebrauchtwagenmarkt.

Solche Leasingfahrzeuge, die nach Vertragsende zurück beim Hersteller landen, treffen nun auf kaum vorhandene Nachfrage und erzielen voraussichtlich nicht die Preise, mit denen die Autobanken bei Vertragsabschluss kalkuliert hatten. VW ist mit seiner Financial Service-Sparte selbst ein großer Gebrauchtwagenvermarkter und muss die Restwerte seiner E-Leasingrückläufer entsprechend anpassen, so ein Konzernsprecher zu BR24. Das Problem: Bei VW-Financial Services sind 95 Prozent der E-Autokunden Leasingnehmer. Ihnen soll ein zweiter oder gar ein dritter Leasingzyklus angeboten werden.

Dass Autohersteller sich mit Leasing die Finger verbrennen können, wurde bereits beim Ausbruch der Finanzkrise 2008 sehr deutlich. Die BMW AG zum Beispiel hatte damals in den USA mit niedrigen Leasingraten geworben und war später auf den zu hoch kalkulierten Restwerten ihrer Gebrauchtwagen sitzen geblieben. Branchenkenner gehen davon aus, dass sich diese Abwärtsspirale beim E-Auto-Leasing wiederholt. Welche Dimensionen und damit Klumpenrisiken für die Hersteller das Leasinggeschäft hat, zeigt der Blick in die Geschäftsberichte. Im VW-Konzern war 2022 jedes dritte ausgelieferte Fahrzeug (also Verbrenner und E-Autos) geleast oder finanziert. Bei BMW lag der Anteil sogar bei 41 Prozent.

"Als Händler oder Privatperson darf man nicht erwarten, die gleichen Restwerte wie bei Verbrennern zu erzielen", räumt auch Dataforce-Autoanalyst Benjamin Kibies ein, nennt aber mit der Auslandsvermarktung auch einen Ausweg. Weil die Skepsis in Deutschland deutlich höher ist als in anderen Märkten, müssten Hersteller und Leasingfirmen vorausschauend international planen und in europäische Länder wie Norwegen exportieren, wo höhere Preise für gebrauchte Stromer bezahlt würden.

Schwarzer Peter landet beim Verkauf

Dass die Branche den Ernst der Lage erkannt hat, wird zumeist nur hinter vorgehaltener Hand bestätigt. Aber auch wenn offizielle Stellungnahmen der Hersteller fehlen, gibt es eindeutige Anzeichen. So entwickelt die Santander Consumer Bank gerade für ihre Kundschaft aus dem Autohandel Verkäuferschulungen, um gebrauchte E-Ladenhüter zu vermarkten.

Die Verkäufer vor Ort sollen es also richten. Dabei ist die Hersteller-Händlerbeziehung durchaus brisant. Denn seit der Corona-Krise vermitteln die Vertragshändler E-Autos meist lediglich als Agentur für die Hersteller gegen eine Provision. Preise und Vertrieb sind seitdem Herstellersache. Demzufolge müssten die Hersteller ihre Leasingrückläufer nun auch selbst vermarkten. Ein Problem, dass der VW-Konzern auf BR24-Anfrage mit Auktionsplattformen lösen will, die sich wiederum an die Händler richten.

"Die Hersteller sind nicht gewohnt, marktgerechte Preise zu stellen. Ein dickes Problem, das jeden Tag größer wird", resümiert Silvia Lulei von der Fachzeitschrift "Gebrauchtwagen Praxis", die im Februar 2024 einen Branchenkongress zum Thema organisiert.

Gebrauchtwagenmarkt als Realitätsschock für E-Strategen

Um die Hürden zu überwinden, sehen Branchenbeobachter wie die Unternehmensberatung McKinsey die Hersteller in der Pflicht zum Umdenken ihrer Vertriebsstrategien. Neben attraktiveren Leasingangeboten fordern sie, nicht nur Neuwagenverkauf im Blick zu haben. Mit Auto-Abos, Gebrauchtwagenleasing oder auch Mietmodellen für den Gebrauchtwagenmarkt könnten mehr Kunden angezogen werden und ihre Schwellenangst überwinden, solange keine günstigen gebrauchten E-Autos zur Verfügung stehen.

Das scheint in der Praxis zu funktionieren: Volkswagen bestätigt einen starken Anstieg der Nachfrage seit Einführung seines Auto-Abos vor drei Jahren. Nach Berechnungen von McKinsey können die Umsätze pro Fahrzeugleben mehr als verdoppelt werden.

Doch das ist Zukunftsmusik. Was als Kernproblem bleibt, ist der vom Durchschnittskunden immer noch als zu hoch empfundenen Kaufpreis von neuen und gebrauchten Stromern, da sind sich alle von BR24 befragten Experten einig. Die Folge: Wenn überwiegend teure E-Autos vom Band rollen, kommen später immer noch zu teure Gebrauchte auf den Markt.

"Die 'Alle-Drei-Jahre-Ein-Neues-Auto-Mentalität' ist vorbei", bringt es Axel Schäfer vom Bundesverband Betriebliche Mobilität auf den Punkt.

Dieser Artikel ist erstmals am 15.12.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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