Im Tarifstreit um den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen nähern sich Gewerkschaften und Arbeitgeber in zähen Gesprächen langsam an. Dem Vernehmen nach haben sie sich seit Freitag zwar in einigen Punkten aufeinander zubewegt. "Der Spalt ist deutlich geringer geworden", sagte die Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, in Potsdam. Eine Einigung sei aber weiter nicht absehbar, hieß es. Auch ein Scheitern wird nicht ausgeschlossen.
Gehalt und freie Tage für rund 2,5 Millionen Beschäftigte werden verhandelt
Welge sagte am Montag: "Ich glaube, es wird lang heute." Die kommunalen Arbeitgeber seien ernsthaft an einem Ergebnis interessiert. Der Diskurs sei aber nicht zu Ende geführt. Sie selbst könnte "mit meinem rational organisierten Verstand den Zieleinlauf sehen". Die Spitzengruppe hatte bis zum frühen Morgen zusammengesessen, wenige Stunden später berieten Gewerkschaften und Arbeitgeber dann zunächst wieder getrennt in ihren jeweiligen Gremien.
Am Nachmittag dann sickerte durch, dass die Arbeitgeber von Bund und Kommunen eine Entgelterhöhung von 5,5 Prozent angeboten haben, angeblich über zwei Jahre hinweg. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa am Rande der Gespräche in Potsdam. Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschaften lautete auf acht Prozent Entgelterhöhung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerseite das Angebot zügig annimmt.
Knackpunkt ist Forderung nach freien Tagen
Im Laufe des Sonntags machten sie neue Vorschläge. Auch die Arbeitgeber, also das Innenministerium und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA legten Zahlen auf den Tisch. Knackpunkt war vor allem die Forderung nach mehr freien Tagen. Die Arbeitgeber argumentieren, dann müssten sie womöglich Dienste einschränken - zum Beispiel Kita-Öffnungszeiten. Die am Freitag begonnenen Gespräche sind bereits die dritte Verhandlungsrunde.
Drei Szenarien
In dem festgefahrenen Tarifstreit sind mehrere Ausgänge möglich:
Szenario 1: Man einigt sich doch noch sehr schnell auf die Inhalte zu einem Vertrag. Dem müssten die Tarifkommissionen der Gewerkschaften zustimmen. Das sind zum Großteil gewählte, ehrenamtlich tätige Mitglieder, die zuletzt noch gestreikt haben. Auch Bund und Kommunen brauchen die Zustimmung ihrer Gremien. Aufseiten der Kommunen sollen immer noch viele sitzen, die sich immer noch höchstens einen Inflationsausgleich vorstellen könnten.
Das würde dann Szenario 2 nahelegen: Eine Schlichtung. Die würden viele Verhandler auf kommunaler Seite gerne anrufen, auch weil während einer Schlichtung Friedenspflicht herrscht. Im öffentlichen Dienst gibt es dazu vereinbarte Regelungen und zwei Unparteiische: Den früheren Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr haben die Gewerkschaften bestimmt. Die Arbeitgeber haben sich für Roland Koch entschieden, den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten. Der ist diesmal das Zünglein an der Waage, wenn sich die Tarifparteien nicht in Mehrheit auf einen gemeinsamen Schlichterspruch verständigen. Deshalb werden die Gewerkschaften von sich aus die Schlichtung wohl nicht anrufen.
Deshalb wirbt die Arbeitgeberseite für ein weiteres Treffen am Verhandlungstisch: Szenario 3 also. Doch das sehen Bund und Kommunen wiederum sehr skeptisch – eben weil dann die Gewerkschaften wieder mit Warnstreiks Druck ausüben könnten.
Für rund 2,5 Millionen Beschäftigte wird verhandelt
Es geht um Einkommen und Arbeitszeiten für rund 2,5 Millionen Beschäftigte von der Kita bis zur Müllabfuhr. Die Gewerkschaften Verdi und dbb Beamtenbund forderten ursprünglich eine Tariferhöhung um acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat, sowie mindestens drei zusätzliche freie Tage pro Jahr.
Mit Informationen von AFP und dpa
Im Video: Dritte Tarifrunde in Potsdam - noch keine Einigung
Noch keine Einigung: Dritte Tarifrunde in Potsdam
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!