Neblige Landschaft mit Strommast in Bayern (Symbolbild)
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Strompreise: Einige Konzerne nutzen "Dunkelflaute" aus

Strompreise: Einige Konzerne nutzen "Dunkelflaute" aus

Weil es windstill und duster ist, können Erneuerbare gerade nicht gut arbeiten – die Preise an den Strombörsen rasen nach oben. Für Verbraucher hat das in der Regel zunächst keine Auswirkung. Trotzdem bleibt die Frage: Wie kann das sein?

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Die Lage ist "Ernst". So heißt jedenfalls das aktuelle Hochdruckgebiet, das über Deutschland für herbstlichen Hochnebel sorgte und für wenig Wind, sodass die erneuerbaren Energien nicht ihren gewohnten Betrag zum Strom-Mix leisten.

In einer Dunkelflaute wie zurzeit steigt der Strompreis zwar üblicherweise, aber er muss nicht gleich explodieren. Das aber ist diese Woche am Mittwoch und Donnerstag geschehen, als an der Energiebörse Preise von 1.000 Euro pro Megawattstunde aufgerufen wurden für die kurzfristige Lieferung. Das war etwa zehnmal so viel wie eine Woche zuvor. Es spricht einiges dafür, dass deutsche Stromerzeuger die Absprachen mit Bundesnetzagentur unterlaufen haben.

Kurzfristiger Lieferstreik der Gaskraftwerke und weniger Kohlestrom

Wenn nicht genügend Strom aus Windrädern oder Photovoltaik-Anlagen in die Netze gelangt, wird der fehlende Strom normalerweise durch den aus Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerken ersetzt. Gerade im Winter, wenn die meiste Energie gebraucht wird, benötigt man dann viel Erdgas zum Heizen – und eben auch zur Stromerzeugung. Das ist ohnehin schon teuer. Aber in dieser Woche war aus unerklärlichen Gründen auch noch die Stromproduktion aus Kohle- und Gaskraftwerken in Deutschland unzureichend. Das führte an der Energiebörse zu einer Preisexplosion.

Dunkelflaute an sich war nicht das größte Stromproblem

Die nicht ungewöhnliche Wetterlage kann in Deutschland zum Beispiel mit erhöhten Importen von Strom aus französischen Atomkraftwerken ausgeglichen werden. Die bedienen beständig und unabhängig vom Wetter eine kontinuierliche Grundlast an Strom, wie das bis 2023 auch die deutschen AKW getan haben. Darüber hinaus sind die Betreiber von deutschen Kohlekraftwerken verpflichtet, eine stetige Versorgung zu garantieren, die mit zugeschalteten Gaskraftwerken ergänzt werden soll.

Deutsche Stromerzeuger unterlaufen Absprachen mit Bundesnetzagentur

Wie die Bundesnetzagentur berichtet, sind die deutschen Betreiber von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken ihren Verpflichtungen aber über mehrere Tage nicht nachgekommen und haben an der Energiebörse wesentlich geringere Strommengen angemeldet. Die Betreiber von Gaskraftwerken sprangen nun nicht – wie politisch von Bundesregierung und Netzagentur gewollt – in die Lücke: Sie lieferten ebenfalls viel weniger Strom als üblich.

Das bedeutet, dass große Energiekonzerne, die nicht nur Kraftwerke betreiben, sondern zugleich auch Strom liefern, an der sich abzeichnenden Versorgungslücke mit den hohen Preisen verdienen, die sie vorher selbst verursachen.

Transparente Börsenangebote laden zum Missbrauch der Marktmacht ein

Das ist möglich, weil an der Energiebörse EEX alle Marktteilnehmer vorher weitgehend einsehen können, wer wann wie viel Strom liefert und abnehmen will. Dafür werden im Vorfeld des Handels entsprechende Angebote abgegeben. Wer sich als Profi gut am Markt auskennt und abschätzen kann, wie viel Energie zu einem bestimmten Zeitpunkt gebraucht wird, kann sich entsprechend verhalten.

Ein Konzern, der zugleich Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke hat und in Erneuerbaren investiert ist, kann sich daraus den für ihn besten Strom-Mix gestalten. Noch interessanter ist das für Energiekonzerne, deren Marktmacht sich auch noch auf Stromnetze und kurzfristige Lieferungen erstreckt.

Preischaos verunsichert Unternehmen und Stromkunden

Die meisten Unternehmen und fast alle Privathaushalte sind durch längerfristige Verträge vor solchen Schwankungen geschützt. Aber einige Fabriken wie in der Stahlindustrie, die auf diese Lieferungen angewiesen sind, haben ihre Produktion vorübergehend gedrosselt. Unsicherheiten wie in dieser Woche könnten mittelfristig die hohen Strompreise in Deutschland weiter steigen lassen.

Eine Gegenmaßnahme sollten große Stromspeicher sein, die überschüssig produzierte Mengen aufnehmen und günstig abgeben. Doch der Ausbau dieser Ausgleichs-Speicher kommt nicht voran. Ein weiterer Versuch wäre das Gesetz zur Förderung neuer Gaskraftwerke, die eine Mangellage wie diesen Mittwoch und Donnerstag verhindern soll. Doch das Gesetz wurde wegen des Koalitionsbruchs nicht verabschiedet.

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