💬 "Dein Argument" greift Euren Input auf: Kommentare aus der BR24-Community sind Anlass für diesen Beitrag. 💬
Wenn es um steigende Löhne geht, nicht nur beim Mindestlohn, warnen vor allem Unternehmer oft vor einer Lohn-Preis-Spirale. Die müsse vermieden werden, heißt es dann, um die Inflation stabil zu halten. Und tatsächlich haben höhere Löhne und damit auch ein höherer Mindestlohn Effekte auf die Preise, allerdings in der Regel anders, als viele meinen.
Höhere Löhne kosten nicht nur, sie bringen auch Einnahmen
Wenn höhere Löhne gezahlt werden müssten, würden die Produktionskosten steigen und diese dann auf die entsprechenden Waren und Dienstleistungen umgelegt, so die Argumentation. Diese würden damit für Verbraucher und Verbraucherinnen teurer. Steigende Preise wiederum führen zu höheren Lohnforderungen, und die Lohn-Preis-Spirale nimmt ihren Lauf.
Auch BR24-User wie "farbwbm" haben diese Befürchtung: "Das heizt nur die Inflation an und am Ende haben alle viel weniger, auch die Mindestlohnempfänger."
Die Lohn-Preis-Spirale hat volkswirtschaftlich auch positive Effekte. Denn: Höhere Löhne stärken zunächst einmal die Kaufkraft in einer Volkswirtschaft. Die Arbeitnehmer haben mehr Geld im Portemonnaie und können auch mehr konsumieren.
Gerade Bezieher niedriger Einkommen spüren und nutzen das meist überproportional stark. Dadurch wiederum machen die Unternehmen mehr Umsatz und erzielen oft auch mehr Gewinn. Mehr Gewinn bedeutet wiederum mehr finanziellen Spielraum. Es ist also nicht zwingend so, dass die Unternehmen die Preise anheben, um höhere Lohnkosten zu kompensieren.
WSI sieht kaum Effekte durch den Mindestlohn
Erfahrungsgemäß hat auch ein sehr großer Mindestlohn-Schritt nur geringe Auswirkungen auf die Preise, sagt der Mindestlohnexperte Malte Lübker vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, WSI. Das habe sich schon 2022 gezeigt, als der Mindestlohn um fast 15 Prozent erhöht wurde auf damals 12 Euro. Berechnungen des WSI und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung [externer Link] haben den damaligen Effekt auf die Inflation berechnet. Die Erhöhung des Mindestlohns hat demnach die Inflation mittelfristig nur um rund 0,25 Prozent angefeuert. Die Bundesbank kommt sogar auf einen noch geringeren Effekt von plus 0,14 Prozent [externer Link].
In der Grafik ist das sehr gut zu erkennen: Im Oktober 2022, nach der Anhebung des Mindestlohns von 10,45 auf 12 Euro, sank die Inflationsrate sogar wieder.
Dass der Effekt so gering ist, erklärt sich auch dadurch, dass vor allem Menschen im Niedriglohnsektor von einer Erhöhung des Mindestlohns profitierten, die oft in Teilzeit oder in Mini-Jobs arbeiteten. Wenn deren Löhne deutlich steigen, erhöht sich dadurch insgesamt die Lohnsumme kaum. Deshalb hat der Mindestlohn nur verhältnismäßig geringe Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftlichen Arbeitskosten, sagt WSI-Experte Malte Lübker.
Im April 2024 waren von den insgesamt 45,8 Millionen Beschäftigten in Deutschland laut Statistischen Bundesamt knapp 1,44 Millionen im Mindestlohnbereich beschäftigt mit einem Stundenlohn zwischen 12,36 bis 12,45 Euro. Davon waren fast zwei Drittel Mini-Jobber (930.000 Beschäftigte), die durchschnittlich sieben Stunden pro Woche arbeiteten.
Steigen jetzt in Bayern die Lebensmittelpreise?
Am ehesten dürfte eine Anhebung des Mindestlohns dort zu spüren sein, wo die Materialkosten gering und der Arbeitsaufwand hoch sind. Die Referentin für den Obst- und Gartenbau des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Lisa-Maria Puschak, sagt auf BR24-Anfrage, dass mit jeder Anhebung des Mindestlohns auch die Endpreise für "arbeitsintensive Kulturen" steigen werden.
Vor allem das, was mit der Hand geerntet werden müsse, werde sich verteuern. Um wie viel genau die Preise für Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Spargel oder Gurken sich verteuern, hänge neben jeweiligen Produktionsverfahren auch von Betriebsstrukturen ab und lasse sich daher nicht im Detail sagen.
Verbraucher könnten also durchaus tiefer in die Tasche greifen müssen, für bestimmte regionale Produkte. Wenn aber Verbraucher dazu nicht bereit seien, könnten bayerische Obst- und Gemüsebauern zur Aufgabe gezwungen sein. Höhere Mindestlöhne seien also auch gefährlich für die Versorgung mit regionalen Produkten, heißt es aus dem BBV.
Was könnte sonst noch teurer werden?
Natürlich dürften Waren und Dienstleistungen vor allem dort teurer werden, wo häufig Mindestlohn bezahlt wird. Die Hans-Böckler-Stiftung hat entsprechend schon 2021 eine Liste der 50 Berufsfelder und Branchen erstellt, in denen mit steigenden Preisen zu rechnen ist [externer Link]. Das sind unter anderem: die Gastronomie, der Einzelhandel oder auch das Friseurhandwerk. In Bayern könnte sich also ein Restaurantbesuch, die Frühstückssemmel oder auch der neue Haarschnitt durch die Anhebung der Lohnuntergrenze verteuern.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!