Ferruccio Labita mit Fahrrad im Umland von München
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Die Diagnose "Herzinfarkt" ist ein Schock, erst recht in jungen Jahren. Doch sie muss nicht das Ende aller sportlichen Ambitionen sein.
Bildrechte: BR, Caroline Hofmann
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Die Diagnose "Herzinfarkt" ist ein Schock, erst recht in jungen Jahren. Doch sie muss nicht das Ende aller sportlichen Ambitionen sein.

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Herzinfarkt mit 38 Jahren - Wie es danach weitergehen kann

Herzinfarkt mit 38 Jahren - Wie es danach weitergehen kann

Die Diagnose "Herzinfarkt" ist ein Schock, erst recht in jungen Jahren. Doch sie muss nicht das Ende aller sportlichen Ambitionen sein. Im Gegenteil: Manche starten nach einem Herzinfarkt stärker durch als je zuvor.

Über dieses Thema berichtet: ARD-Wissen Mein Körper am .

Ferruccio Labita steht um 6.30 Uhr morgens mit seinem Gravelbike auf einem Sportplatz in Ljubljana. Mit ihm warten etwa 150 Radfahrerinnen und Radfahrer auf den Start des Radrennens "Seven Serpents". Die Strecke führt sie 850 Kilometer durch Slowenien nach Kroatien und schließlich ans Ziel Triest in Italien. "Ich bin dieses Rennen noch nie gefahren und will es in drei bis vier Tagen schaffen. Das wird sicher nicht einfach“, sagt Ferruccio Labita lachend. Für ihn ist so ein Rennen womöglich schwieriger als für alle anderen Teilnehmenden, denn der heute 46-jährige Münchner hatte mit 38 Jahren einen Herzinfarkt.

Herzinfarkt mit 38 Jahren

Bei einem Herzinfarkt verstopfen Plaque-Ablagerungen aus Fett und Cholesterin die Herzkranzarterien. Wegen der Verstopfung wird der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Ohne schnelle Hilfe stirbt Herzmuskelgewebe unwiderruflich ab. Diese Erfahrung musste Ferruccio Labita 2016 machen: Mit starken Brustschmerzen kam er ins Krankenhaus, wo die Ärzte feststellten, dass seine Arterien zu 80 Prozent zu sind. Ihm wurden mehrere Stents eingesetzt, die seine Gefäße wieder öffneten.

Die Panik danach

Für den damals 38-Jährigen brach eine Welt zusammen. Es folgten eine Reha und eine zweijährige Verhaltenstherapie, denn mit dem Herzinfarkt kamen auch Angst und Panikattacken. Das sei nicht ungewöhnlich, meint Christiane Waller, Psychokardiologin am Klinikum Nürnberg. "Patienten nach einem Herzinfarkt haben häufig Ängste, nämlich Angst davor, dass noch einmal so ein Herzinfarkt auftritt und sogar Angst, das Leben nicht mehr zu schaffen."

Was ist Psychokardiologie?

Die Psychokardiologie ist eine noch relativ junge Fachrichtung, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen psychischen Faktoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschäftigt. Sie untersucht unter anderem, wie psychische Belastungen, etwa Stress, Depression, Angst oder Traumata, das Herz krank machen oder bestehende Herzerkrankungen verschlimmern können. Denn bei Stress werden Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. "Wenn man dauerhaft diese Stressantwort im Körper aktiviert hat, steht der Körper dauerhaft unter einem chronischen Entzündungsprozess", so die Psychokardiologin.

Resilienz schützt das Herz

Insbesondere der zwischenmenschliche Stress, also dauerhaft streitvolle und dysfunktionale Beziehungen, sind der größte Stressor für unser Herz, erklärt Christiane Waller. Umso wichtiger sei es, das Herz emotional zu entlasten und von starken, belastenden Gefühlen immer wieder wegzukommen.

Wie wichtig emotionale Stabilität für das Herz ist, darauf deutet auch die "Gutenberg-Gesundheitsstudie" der Universität Mainz hin. Sie zeigt: Menschen mit höherer psychischer Resilienz hatten ein um 38 Prozent geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine um 36 Prozent niedrigere Sterberate über rund viereinhalb  Jahre, selbst wenn andere Risikofaktoren wie Alter oder Bluthochdruck berücksichtigt wurden.

Mehr Herzschutz durch Atmung, Ernährung und Oxytocin

Ein ganzheitlicher Lebensstil schützt das Herz: Regelmäßige Bewegung, bewusste Atmung, Yoga und Meditation senken Stress und Blutdruck. Viel Gemüse, gesunde Fette und wenig Zucker halten die Gefäße gesund.

Auch soziale Nähe wirkt herzschützend durch die Ausschüttung von Oxytocin, dem sogenannten "Kuschelhormon". Dieses Hormon bindet an spezielle Rezeptoren im Herz und in den Gefäßen, verbessert die Durchblutung, senkt den Blutdruck und entspannt den Körper. Laut Christiane Waller wird Oxytocin besonders stark bei Berührung von vertrauten Menschen, Partnern, einem Kind oder beim Orgasmus ausgeschüttet und trägt so messbar zur Entlastung des Herzens bei.

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Ferruccio Labita unterwegs beim Radrennen "Seven Serpents".

Balance zwischen Körper und Psyche finden

Kilometer um Kilometer auf dem Fahrrad lernte Ferruccio Labita seinem Herzen wieder zu vertrauen. Sein Glück: Der Herzinfarkt wurde rechtzeitig erkannt. Denn "auch nach einem Herzinfarkt kann man wieder Sport treiben, man kann sogar theoretisch wieder Leistungssport betreiben. Das hängt ganz klar damit zusammen, wie groß, wie schwer dieser Infarkt war, wie viel Herzmuskelgewebe kaputtgegangen ist und wie die Herzfunktion danach ist", erklärt die Kardiologin Conchita Ruiz-Mohné vom Krankenhaus Porz am Rhein in Köln.

Doch auch die psychische Komponente spielt eine wichtige Rolle. Laut Christiane Waller fassen "Patienten dann wieder Vertrauen und Zuversicht in den Körper, wenn sie merken, dass der Körper wieder funktioniert, dass er belastbar ist, und das ist meistens Kopfsache".

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