Diesen Winter steht uns ein Jahrhundert-Winter bevor – zumindest, wenn man den zahlreichen Meldungen im Internet glaubt. Dort wurde uns auch schon im April ein Höllen-Sommer für 2025 mit durchweg extrem hohen Temperaturen vorhergesagt. Es kam jedoch, wie wir jetzt wissen, anders.
Reißerische Überschriften, in denen länger anhaltende Extremwetterlagen prognostiziert werden, sind kein neues Phänomen. Doch warum machen Meldungsmacher solche Langfrist-Prognosen? Über welchen Zeitraum lässt sich das Wetter überhaupt seriös vorhersagen? Und warum soll es diesmal einen Jahrhundert-Winter geben?
Warum es angeblich einen Jahrhundert-Winter geben soll
Ausgelöst wurden die Spekulationen, dass es einen Jahrhundert-Winter geben soll, wohl vor allem durch einen Internetartikel, der einen schwächeren Polarwirbel über dem Nordpol mit arktischer Kälte in Deutschland in Zusammenhang bringt. Für unser Wetter bedeutet ein schwacher Polarwirbel laut Lothar Bock vom regionalen Klimabüro München des Deutschen Wetterdienstes (DWD), "dass wir die Chance haben, dass wir öfter mal auf die Seite der Kaltluft kommen, wenn sie denn aus den Polarregionen ausbricht". Denn ein schwacher Polarwirbel kann – im Gegensatz zu einem starken Polarwirbel – die kalte Luft der Polarregionen nicht dort festhalten. Wenn die eisigen Luftmassen ausbrechen, können sie auch in unsere Breiten gelangen und das Wetter in Europa beeinflussen.
Reißerische Schlagzeilen: "Manche Sorgfaltspflicht etwas verworfen"
Einige private Wetterdienste und auch Journalisten nutzen solche Prognosen, um daraus möglichst reißerische Nachrichten oder zumindest Überschriften zu machen. Denn was auffällt oder gar schockiert, wird geklickt. Und Klicks bringen Aufmerksamkeit und Geld – von Werbepartnern etwa. Bei diesem sogenannten Clickbaiting werde dann vielleicht "manche Sorgfaltspflicht etwas verworfen", sagt Bock. "Wir als Behörde würden sowas natürlich nicht machen", fügt er hinzu.
DWD-Experte: "Reine Spekulation"
Auf die Frage, ob es diesmal einen Jahrhundert-Winter geben wird, antwortet Karsten Schwanke, Wetterexperte der ARD, im Interview mit dem SWR (externer Link): "Wir wissen es nicht". Laut Meteorologe Lothar Bock lassen sich die jeweils nächsten drei Tage "relativ gut vorhersagen". Bei "eingefahrener Wetterlage", wie zum Beispiel einem länger andauerndem Hochdruckgebiet "geht es auch mal bis zu zehn Tage".
Generell hänge die Vorhersagbarkeit des Wetters von unterschiedlichen Faktoren ab, nicht nur vom Polarwirbel. Auch Ozeantemperatur, Meeresströmungen und die Großwetterlage spielen eine Rolle. Ob wir 2025/26 einen Jahrhundert-Winter haben werden, lässt sich laut Martin Gudd, Meteorologe im ARD-Wetterkompetenzzentrum, "vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht" erst kurz nach dem Jahreswechsel prognostizieren. Anhand von "Strömungsmustern" könnte man dann vorhersagen, wie der Rest des Winters "ungefähr verläuft". Auch Lothar Bock vom DWD in München sagt: Mitte Oktober einen Jahrhundert-Winter vorherzusagen, sei "reine Spekulation".
1962/63 war es zuletzt bitterkalt
Statistisch gesehen ist ein Jahrhundert-Winter ein Winter, wie er nur einmal innerhalb von 100 Jahren vorkommt, also ein Extremereignis. Zuletzt gab es laut Bock einen solchen Jahrhundert-Winter 1962/63. In weiten Teilen Europas gab es damals sehr viel Schnee und es war bitterkalt. In Deutschland gilt dieser Winter als strengster Winter des 20. Jahrhunderts. Er hatte gravierende Folgen für die Strom- und Wärmeversorgung, verursachte erhebliche Schäden an der Infrastruktur und forderte Todesopfer.
Ob es aber 2025/26 tatsächlich einen Jahrhundert-Winter in Deutschland geben wird, wie in einigen Medien prognostiziert, ist völlig ungewiss. Laut Wetterexperten ist die Wahrscheinlichkeit dafür – auch wegen des Klimawandels – jedoch eher gering.
Dieser Artikel ist erstmals am 19.10.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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