Günther Friedl ist Kfz-Meister und betreibt eine Werkstatt im Münchner Norden. Seine Zeit verbringt er inzwischen aber mehr am Schreibtisch als in der Werkstatt. Als Präsident des Verbandes Kraftfahrzeuggewerbe Bayern steht er auch in ständigem Kontakt mit seinen Kollegen und bekommt die Sorgen der Werkstätten und Autohäuser mit. Zum Beispiel die Personenkraftwagen-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung, kurz PKW-ENVKV. Die Idee hinter der PKW-ENVKV ist aus seiner Sicht eigentlich gut: "Man will den Verbraucher mit einem Blick über die Energieeffizienz seines Produkts informieren. Das kennt man auch, wenn man zum Beispiel einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine kauft."
Kleinteilige Verordnungen bereiten Autohäusern Probleme
Doch die Verordnung hat für Praktiker wie ihn Tücken. Kfz-Meister Friedl zeigt zwei Etiketten, die auf den ersten Blick exakt gleich aussehen. Allerdings: Bei dem ersten Etikett fehlt rechts der Rahmen und die Schrift ist minimal zu groß. "Wenn Sie das ins Auto reintun, kriegen Sie eine Abmahnung - obwohl der Inhalt exakt der gleiche ist", erklärt er im BR-Politikmagazin Kontrovers.
Die verwendeten Schriftgrößen werden offenbar genau kontrolliert. "Da sprechen wir von teilweise Hundertstel Millimetern, die da nachgemessen werden. Ich denke mal, dass nahezu alle Autohäuser in Deutschland, die im Neuwagenverkauf tätig sind, eine Abmahnung bekommen haben. Mindestens eine." Und dann drohten Strafen im vier- bis fünfstelligen Bereich.
Viele Stunden Mehrarbeit wegen Bürokratie
Aber das ist nicht die einzige bürokratische Hürde, die Friedl und seine Kfz-Mechaniker-Kollegen beschäftigt: Auch die neu in Kraft getretene Produktsicherheitsverordnung bedeutet viel zusätzliche Arbeit. Die Vorschrift besagt, dass Ersatzteile, die Kfz-Betriebe selbst bauen, penibel dokumentiert werden müssen.
Selbstgebaute Ersatzteile sind zum Beispiel bei älteren Autos immer wieder notwendig. "Wir müssen jetzt für jedes Teil eine komplette Bedienungsanleitung und eine Gefahrenanleitung schreiben. Der Herstellungsprozess muss dokumentiert werden. Es muss eine Seriennummer vergeben werden, was natürlich auch noch dokumentiert werden muss." Und das, obwohl schon immer galt: Wenn ein Ersatzteil nicht sicher ist, haftet dafür die Werkstatt.
Doch jetzt müssen die Mechaniker zusätzlich eine Anleitung schreiben. So entsteht für jedes Ersatzteil mehrere Stunden Extra-Arbeit. Kontrovers hat bayerische Kfz-Unternehmer gefragt, wie viel Zeit sie mit bürokratischen Aufgaben verbringen. Vor fünf Jahren waren es im Schnitt drei Stunden pro Woche. Heute verbringen sie damit acht Stunden pro Woche.
Politiker verspricht nachzuprüfen
Viele Unternehmer wünschen sich hier einen direkten Draht zu denen, die solche Gesetze verantworten. Kontrovers macht das möglich. In der Serie "1001 Gesetz" bringt das Politikmagazin Unternehmer und Politiker zusammen.
Zum Kfz-Meister lädt Kontrovers den SPD-Politiker Sebastian Roloff ein. Er sitzt im Bundestag und ist für seine Partei der Beauftragte für Bürokratieabbau. Friedl zeigt dem Politiker die beiden scheinbar identischen Energielabel. "Die Schriftgröße entspricht nicht dem, was im Gesetz steht. 26 Punkt steht im Gesetz. Hier ist die Schrift größer. Und es fehlt der Rahmen außen herum. Da gibt es dann eine Abmahnung, weil man die Bescheinigung nicht korrekt ausgehändigt hat." Der Politiker nennt diese Details "absurd" und sichert zu: "Wenn das in Berlin machbar ist, kann ich Ihnen zusagen, dass wir uns das noch mal sehr konkret anschauen."
Geschäftsaufgabe wegen Bürokratie-Last?
Und auch das Thema Produktsicherheit und den damit verbundenen Aufwand bringt der Kfz-Mechaniker mit einem praktischen Beispiel an: "Da dreht ein Mechaniker an der Drehbank für irgendein altes Getriebe schnell eine Buchse. Das dauert eine Stunde. Aber dieser ganze Dokumentationswahn dauert dann mindestens eine Woche, bis wir eine Seriennummer haben", kritisiert Friedl. "Das ist irre." So eine Buchse koste dann mehr als das ganze Getriebe.
An der Stelle verweist SPD-Politiker Roloff auf die nächste Regierung. "Da hat es in Berlin tatsächlich den Versuch gegeben, dass man da bei dem Gesetz ein bisschen pragmatischere Lösungen findet." Roloff sagt, er hoffe, dass die neue Regierung "da nochmal rangeht".
Aus der Sicht von Kfz-Mechaniker Günter Friedl ist der Handlungsbedarf für seine Branche groß. So könne es nicht weitergehen. "Bei mir gab es die Überlegung, aufgrund der Verwaltungs- und Bürokratievorschriften auch den Betrieb komplett zu schließen, aufzugeben, auszuwandern. Die Überlegung gab es nicht nur einmal."
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