Im Herbst 2003 erreichte Hubert Weiger eine alarmierende Nachricht. Der damalige Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern saß in seinem Büro in Nürnberg, als er von der geplanten Forstreform erfuhr. Sein erster Gedanke: "Dass unsere schlimmsten Befürchtungen Realität werden."
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Forstreform: Was war geplant?
2003 wurde bekannt, dass der bayerische Staatswald künftig als eigenständiges Unternehmen geführt werden soll. Bei Hubert Weiger schrillten die Alarmglocken. Der Staatswald, der rund elf Prozent der Landesfläche Bayerns ausmacht, ist ein wichtiger Naherholungsort, Trinkwasserspeicher und Klimaregulator.
Verwaltet wurde der Staatswald damals von einer zentralen staatlichen Forstverwaltung. Die galt allerdings als ineffizient und defizitär. Die Staatsregierung wollte sie verschlanken – und wirtschaftlich tragfähiger machen. Im Raum stand plötzlich ein neues Schlagwort: Privatisierung.
Ein bayernweiter Aufschrei
Im Landtag begann ein Schlagabtausch. Christian Magerl vom Bündnis 90/Die Grünen warnte vor Gewinnmaximierung und kurzzeitigem Renditestreben, während Forstminister Josef Miller (CSU) die Reform als zukunftsträchtig verteidigte.
Während sich Hubert Weiger und der Bund Naturschutz eine Strategie überlegten, um die Reform zu verhindern, machte sich ein kleines Gründungsteam Gedanken über deren konkrete Ausgestaltung. Einer von ihnen war Manfred Kröninger. "Meine Frau ist auch Försterin", erzählt der 59-Jährige. Er habe gemerkt: Jeder hat zu diesem Thema sofort eine Meinung. Und Ängste.
Eintrittsgeld für den Wald?
Niemand habe gewusst: Was passiert jetzt mit diesem bayerischen Staatswald? Geht es nur noch um wirtschaftliche Kriterien? Wäre sogar Eintrittsgeld für Waldbesuche möglich, wie manche Reformgegner befürchteten?
Der Plan: Den Schutz der Wälder soll das Landwirtschaftsministerium verantworten, die Bewirtschaftung ein eigenständiges Unternehmen. Als Förster konnte Manfred Kröninger die Sorge nachvollziehen. "Kein Förster und kein Beteiligter wollte, dass das zu Schaden des Waldes passiert. Es war ja dann der Auftrag an uns, sich Mühe zu geben, dass das nicht passiert." Wie also sollte die Reform konkret aussehen?
Schafft das Volksbegehren die Zehn-Prozent-Hürde?
Die zentrale Forderung vom Bund Naturschutz: Der Staatswald soll weiterhin vorrangig dem Gemeinwohl dienen – nicht dem Profit. Um das durchzusetzen, riefen die Naturschützer 2004 das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" ins Leben.
"Wir hatten bis zum Schluss die Hoffnung, dass wir erfolgreich gewinnen", sagt Hubert Weiger heute. Das Ziel: Zehn Prozent der Stimmenberechtigten mussten unterschreiben.
Als das Ergebnis schließlich bekannt wurde, saß Weiger gemeinsam mit den anderen Hauptakteuren des Bündnisses in München. Eine Stimmbeteiligung von 9,3 Prozent. Knapp gescheitert. "Das war dann natürlich schon schwer zu verdauen", blickt Weiger zurück.
Schlange für das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald"
Die Gründung der Staatsforsten
Aber das Volksbegehren blieb trotzdem nicht ohne Wirkung. Viele der Forderungen wurden von Manfred Kröninger und den anderen Mitgliedern des Gründungsstabs in die Reform eingearbeitet.
Im Juli 2005 wurden die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) gegründet. Nicht privatisiert, sondern als Anstalt des öffentlichen Rechts – mit klaren gesetzlichen Vorgaben, die zur vorbildlichen Waldnutzung verpflichten. Manfred Kröninger wird im neuen Unternehmen Teilbereichsleiter für Finanzen.
Zunächst geht es für das Unternehmen aufwärts
Die Anfangsjahre verliefen erfolgreich - mit stabilen Holzpreisen. Die Bayerischen Staatsforsten erwirtschaften Gewinne, von denen ein Teil an den Freistaat fließt.
Doch dann kam das Jahr 2018. Und mit ihm Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer. Ohne Rücklagen rutschte das Unternehmen in eine Krise.
Die Antwort: Ein Klimawaldfonds
Die Lösung war ein Klimawaldfonds, in dem die Gewinne nun gesammelt werden. "Das hat auch intern die Akzeptanz zur Tätigkeit enorm gestärkt, weil die Mitarbeiter wissen: Jeder Euro, den sie erwirtschaften, geht auch wieder direkt in den Wald", sagt Kröninger. Die aktuell größte Herausforderung sei es, den Wald klimaresilient umzubauen.
Von der umstrittenen Reform zum Erfolgsprojekt?
Wie fällt die Bilanz aus, 20 Jahre nach Gründung der Bayerischen Staatsforsten? Auch wenn auch er am Anfang damit gehadert hätte, die Entscheidung für die Forstreform war richtig, findet Manfred Kröninger heute: "Wir bewirtschaften den Staatswald in dieser Form aus meiner Sicht am besten."
Auch Hubert Weiger zieht ein versöhnliches Fazit: Es sei gelungen, durch Bürgerengagement Fehlentwicklungen zu stoppen und das öffentliche Wohl im Staatswald zu sichern. Der öffentliche Druck habe gewirkt – und trage bis heute.
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