Es ist Abba Naors 17. Geburtstag, als er bei einem Todesmarsch von US-Soldaten befreit wird. An diesen Tag kann sich der heute 90-Jährige noch genau erinnern. Er gehört zu den wenigen Überlebenden des KZ-Außenlagerkomplexes Landsberg am Lech/Kaufering. Heute ist er an diesen Ort zurückgekehrt – zu dem Monster, wie Abba Naor den ehemaligen Rüstungsbunker der Nationalsozialisten in der Welfenkaserne in Landsberg am Lech nennt.
Rund 250 Menschen versammelten sich anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ-Außenkomplexes in der heutigen Untertageanlage zu der Gedenkveranstaltung.
Knobloch besorgt über wachsenden Antisemitismus
Auch nach so vielen Jahren habe die Befreiung der Menschen nicht an Bedeutung verloren, betonte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, in ihrer Rede. Der wachsende Antisemitismus ließe jüdische Menschen wieder in Angst leben.
Demokratie und Menschenwürde seien mit bitteren Opfern errungen worden, so Knobloch. "Nun ist es an den Nachgeborenen, die Erinnerung an diese Verbrechen weiterzutragen", sagte Knobloch auf der Veranstaltung. Deutschland stehe derzeit an einem historischen Scheidepunkt, an dem es innere und äußere Feinde der Demokratie gebe.
Ilse Aigner: "Wir brauchen Erinnerung"
In Zeiten von Hass und Hetze sei Geschichte noch nie so nah wie jetzt, sagte Ilse Aigner, Bayerische Landtagspräsidentin. "Wir brauchen Erinnerung, um mit dem Blick zurück nach vorne zu denken." Sie selbst stelle sich in den Dienst der Erinnerung.
Zu der Gedenkveranstaltung kamen neben Überlebenden des Lager-Komplexes auch zahlreiche Nachkommen. Die Bundeswehr hatte zum Tag der Befreiung zusammen mit der Stadt Landsberg und der Marktgemeinde Kaufering eingeladen.
Ausstellung zu KZ-Überlebenden
Im Anschluss an die Gedenkfeier wurde die Ausstellung "Dr. Zalman Grinberg – Leiter DP Hospital Sank Ottilien" eröffnet. Im April 1945 hatte Dr. Zalman Grinberg nach Weisung der US-Truppen Teile der Krankenstation der Erzabtei St. Ottilien übernommen. Er organisierte einen Monat danach ein Befreiungskonzert mit dem Orchester, das sich selbst "Jewish Orchestra in Bavaria" nannte. In Erinnerung an dieses Konzert wurde ein Musikstück davon heute auf der Gedenkveranstaltung gespielt.
Ein Erinnerungsstein an die NS-Verbrechen im Außenlagerkomplex Landsberg/ Kaufering
Welfenkaserne war NS-Gebiet bis 1945
Die Welfenkaserne Landsberg am Lech ist ein Relikt deutscher Nazi-Vergangenheit. Anfang 1944 wurde aufgrund alliierter Luftangriffe geplant, im Reichsgebiet sechs unterirdische Flugzeugfabriken zu bauen. Drei davon in Landsberg am Lech unter den Decknamen "Diana II", "Weingut II" und "Walnuss II".
23.000 Zwangsarbeiter nach Landsberg deportiert
Für den Bau der Bunker wurden zwischen Juni 1944 und April 1945 etwa 23.000 Zwangsarbeiter, überwiegend jüdischer Herkunft, aus dem KZ-Dachau in die Außenlager nach Landsberg und Kaufering deportiert. Darunter auch Zalman Grinberg und Abbo Naor. Der 90-Jährige berichtete, wie er 50 Kilogramm schwere Zementsäcke schleppen musste, in Tages- oder Nachtschichten. Die Häftlinge mussten unter grausamen Arbeitsbedingungen für die Nazis schuften. Mehr als 6.000 von ihnen starben.
Der einzige noch erhaltene Bunker "Weingut I" wurde halb fertiggestellt und befindet sich heute auf dem Gelände der Welfenkaserne.
Von der Bunkerbaustelle zur Untertageanlage
Nach dem Krieg nutzten US-Streitkräfte das Gelände um die Bunkerbaustelle als Lager für Flugzeugbomben.1959 wurde das Gebiet durch die deutsche Luftwaffe übernommen. Die Bundeswehr errichtete eine neue Untertageanlage. Ab 1964 wurde das Gelände als Lager- und Instandsetzungseinrichtung genutzt. Die heutige Welfenkaserne wurde in den 1970er Jahren neu gebaut und beherbergt das Instandsetzungszentrum 13, das unter anderem zum Waffensystemunterstützungszentrum 1 in Manching gehört.
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