Die Süddeutsche Zeitung hatte kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die erste Presselizenz von den amerikanischen Besatzungsbehörden in Bayern bekommen. Am 6. Oktober 1945 erschien die erste Ausgabe. "Das war die erste freie Zeitung nach zwölf Jahren Diktatur", betont Wolfgang Krach, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. "Das heißt für mich schon, dass wir eine besondere Verpflichtung haben."
Es gehe darum, so Krach im Interview mit BR24 Medien, Meinungsfreiheit und Demokratie zu verteidigen und sich jeder Form von Extremismus entgegenzustellen und das "bis an die Grenze dessen, was möglich ist". Man dürfe dabei allerdings "nicht aktionistisch" sein, es gehe immer um eine klare Trennung zwischen Bericht und Kommentar. Stolz verweist Krach, der die Redaktion der Süddeutschen zusammen mit Judith Wittwer leitet, dabei auch auf eine besondere Symbolik. Um die Druckplatten für die erste SZ-Ausgabe zu produzieren, waren damals Bleisätze von Adolf Hitlers "Mein Kampf" eingeschmolzen worden.
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Wirtschaftliche Schwierigkeiten
Seit Längerem steht die SZ allerdings wirtschaftlich unter enormem Druck. Der massive Rückgang der Printauflage (seit 2017 um mehr als 100.000 auf aktuell ca. 250.000 Exemplare) und sinkende Werbeeinnahmen sind maßgebliche Ursachen dafür. Deshalb wurde in den vergangenen Jahren immer wieder Personal abgebaut. 2024 hieß es, dass etwa 30 Vollzeitstellen gestrichen werden sollten. Der Betriebsrat nannte dies damals ein Vorgehen "mit der Kettensäge" (externer Link, Bezahlinhalt) . Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Uni Eichstätt-Ingolstadt spricht in dem Zusammenhang von einem "Braindrain", denn zahlreiche profilierte Journalisten hätten die SZ in den vergangenen Jahren verlassen.
Danach gefragt verweist SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer allgemein darauf, dass man sehr viel verändert und auch aufgebaut habe und teilweise "sehr stark gewachsen" sei. "An anderen Stellen haben wir uns auch verkleinert, haben Dinge weggelassen." Ihr Fazit fällt dabei überaus positiv aus: Es gehe der SZ nicht nur journalistisch, sondern auch ökonomisch gut. Man könne sich allein durch Verkäufe und Abos finanzieren, ohne Anzeigen.
Welche Folgen haben Einschnitte im Lokalen?
Um dieses Ergebnis zu erreichen, wurden bei der SZ auch weitere einschneidende Maßnahmen getroffen. Die Redaktionen im Münchner Umland wurden vor einigen Monaten massiv verkleinert, die Lokalseiten zum Beispiel für Dachau oder Ebersberg erscheinen in deutlich reduziertem Umfang. Einschätzungen, dass die SZ sich aus dem Lokalen zurückgezogen hätte, widerspricht Wolfgang Krach. "Wir haben nirgendwo die Lokalberichterstattung eingestellt, wir haben Printausgaben zusammengelegt." Außerdem seien "in den Landkreisen, wo wir vorher vertreten waren, immer noch Kolleginnen und Kollegen".
Klaus Meier von der Uni Eichstätt überrascht die Entwicklung nicht. "Es wäre erstaunlich, wenn die Süddeutsche Zeitung weiter den Lokaljournalismus aufrechterhalten kann, den sie jahrzehntelang hatte." Auch andere Zeitungen würden vielfach Redaktionen in ländlichen Gebieten zusammenlegen oder schließen. Für Meier ist das generell hochproblematisch. "Das ist leider das, um das ich mir die größten Sorgen mache im Journalismus in Deutschland, dass wir diesen Lokaljournalismus nicht mehr aufrechterhalten können", erklärt der Journalistik-Professor.
Braucht es neue Vertriebswege?
Mit Blick auf die Abozahlen verweisen Krach und Wittwer allerdings darauf, dass ihnen die jüngsten Maßnahmen kaum geschadet hätten. Man habe aktuell insgesamt rund 450.000 Abos verkauft. Die Zahl der Printabonnentments ist stark rückläufig und liegt aktuell bei noch rund 150.000. Kontinuierlich wächst dagegen die Zahl der Digital-Abos (derzeit 300.000). Generell erreiche man damit 1,7 Millionen Leserinnen und Leser, freuen sich Krach und Wittwer. Das seien so viele Menschen wie nie. Aber wie lange kann das digitale Wachstum weitergehen für die SZ und andere Medien? Viele in der Verlags-Branche fragen sich, ob langsam ein Maximum erreicht sein könnte. Neue Abo-Modelle, wie zum Beispiel ein "Spotify für Journalismus", könnten ein Ausweg sein, glaubt Klaus Meier. Er rechnet allerdings nicht damit, dass dies in naher Zukunft realistisch ist. Die Verlage würden momentan noch zu stark konkurrieren, so der Medienwissenschaftler.
- Mehr zu neuen Abo-Modellen bei BR24 Medien: "Spotify für Journalismus" – ein Traum, der nie wahr wird?
Bedrohung durch Tech-Konzerne
Und dann ist da noch ein Thema, das die Feststimmung zum 80. Geburtstag bei der Süddeutschen etwas zu dämpfen scheint. Wolfgang Krach spricht von einer "existenziellen Bedrohung". Bislang wird ein Großteil der Menschen über Suchmaschinen oder soziale Medien auf digitale Inhalte der SZ aufmerksam. Immer häufiger werden Suchergebnisse allerdings mit Hilfe künstlicher Intelligenz zusammengefasst, ohne auf Quellen wie Artikel aus der Süddeutschen Zeitung zu verlinken. Informationen werden also genutzt, ohne dass die SZ und andere davon profitieren. Damit sei das Geschäftsmodell in Gefahr, befürchten die Chefredakteure der SZ. Judith Wittwer fordert, dass auf regulatorischer Ebene in Europa gehandelt werden müsse, um dies zu begrenzen.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurde die Süddeutsche Zeitung als auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands bezeichnet. Das ist nicht korrekt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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