Am Vormittag wandelt sich der Augsburger Rathausplatz spürbar: Helfer decken lange Tischreihen mit weißen Decken, stellen Sonnenschirme auf und bereiten damit die Bühne für die große Friedenstafel vor, die nach dem ökumenischen Festgottesdienst in der St. Anna-Kirche zum Zentrum des 375. Hohen Friedensfestes wird.
Das Hohe Friedensfest wird in Augsburg seit 1650 jährlich am 8. August gefeiert – 21 Jahre nach dem Verbot evangelischer Gottesdienste und als Zeichen für wiedergewonnene Religionsfreiheit nach dem Westfälischen Frieden. Der Feiertag ist deutschlandweit einmalig: Nur im Stadtgebiet Augsburgs ist der 8. August arbeitsfrei. Geschäfte haben geschlossen. Seit den 1980er-Jahren beteiligen sich beide großen Kirchen, seit 2005 bringen auch Vertreter anderer Religionen ihre Friedensbotschaften ein. 2018 nahm die UNESCO das Hohe Friedensfest in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf.
Mehrmonatiges Begleitprogramm zum Friedensfest
Das Jubiläumsmotto lautet "Frieden riskieren!". Es will historische Erinnerung mit der Frage, wie Zusammenleben in einer vielfältigen Stadtgesellschaft gelingen kann, verbinden. Seit Mai schon lockten rund 140 Veranstaltungen: Diskussionsreihen, Lesungen, Filmvorführungen, Mitmach-Aktionen und Konzerte. Ein Blickfang war die Installation eines "Hauses des Friedens" aus Pappsteinen auf dem Rathausplatz, an dem jeder mitarbeiten durfte. Das konnte anstrengend sein – wie beim echten Frieden, um den man sich kümmern muss, so die Idee. All die Aktionen sollten ein lebendiges Zeichen für das friedliche Miteinander in der Stadt symbolisieren.
Friedenspreis für verdiente Persönlichkeiten
Alle drei Jahre verleiht die Stadt Augsburg zudem ihren Friedenspreis. Er würdigt Menschen, die sich für Verständigung und friedliches Miteinander einsetzen. Der Friedenspreis ist mit insgesamt 12.500 Euro dotiert und wird im Rahmen eines feierlichen Festakts im Goldenen Saal des Rathauses überreicht.
Zu den Preisträgern zählten bisher unter anderem der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow (2005) sowie Schwester Lea Ackermann (2014), Gründerin der Frauenhilfsorganisation SOLWODI, die sich für die Menschenwürde und den Schutz ausgebeuteter Frauen engagierte. Wer den diesjährigen Friedenspreis bei einer Verleihung im Herbst erhalten soll, will Oberbürgermeisterin Eva Weber am späten Vormittag offiziell bekanntgeben.
Einzigartig im internationalen Vergleich
Anders als weltweite Gedenktage wie der UN-Weltfriedenstag, die vor allem allgemeine Friedensbotschaften transportieren, geht das Hohe Friedensfest auf ein konkretes historisches Ereignis zurück: das Ende der religiösen Unterdrückung in Augsburg im 17. Jahrhundert. Heute ist es ein offizieller Feiertag im Stadtgebiet, fest verankert im öffentlichen Leben und getragen von einer langen, ununterbrochenen Tradition – eine Kombination, die es in dieser Form kein zweites Mal gibt.
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