Ein Gemeinschaftsraum in der Tagespflege des Bayerischen Roten Kreuzes im unterfränkischen Obernburg: Die Gäste sitzen gemeinsam auf der Couch und ihr persönliches Highlight in ihrer Mitte: Vor knapp drei Monaten ist hier ein neuer "Bewohner" eingezogen, Paro. Das Roboter-Plüschtier sieht aus wie eine weiße Babyrobbe. Noch hat sie die Augen geschlossen, doch Leiterin Irina Knecht versucht, sie mit Streicheleinheiten wach zu bekommen.
Hochwertige Technik, die wie ein Kuscheltier aussieht
Die Sensoren in Paros schwarzen Glupschaugen erlauben es dem Plüschtier, Lichtunterschiede wahrzunehmen. Mithilfe der eingebauten Künstlichen Intelligenz (KI) kann es nicht nur Stimmen erkennen, sondern sich diese auch merken und seine Reaktionen individuell anpassen.
Irina Knecht übergibt Paro an eine demenzkranke Seniorin, die in ihrem Sessel eingeschlafen ist. Beinahe zeitgleich öffnen beide die Augen. Die Dame stößt einen erstaunten Laut aus und fängt sofort an, das Plüschtier zu streicheln.
Wirkung in beide Richtungen: Anregend und beruhigend
Das sei das beste Beispiel dafür, dass jemand, der im Alltag sehr ruhig ist, plötzlich aktiv werde, erklärt Irina Knecht. Denn Paro wird in der Therapie bei Menschen mit neurokognitiven Krankheiten wie Demenz oder Parkinson eingesetzt.
"Und andersrum ist es auch bei den Demenzerkrankten so, wenn die die Robbe bekommen, dass die dann ruhiger werden. Das sind beides positive Effekte, die wir mittlerweile erleben, seit sie im Einsatz ist", so Knecht weiter. Gerade am Nachmittag würden viele der Gäste mit Demenz unruhig, weil sie merkten, dass sie nicht zu Hause seien. Dann sei Paro die perfekte Beruhigungstherapie.
Zunehmend Menschen mit Demenz
Laut Erhebungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (externer Link) lag die geschätzte Zahl demenzkranker Menschen über 65 Jahren in Bayern Ende 2023 bei 257.000. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung Bayerns liegt ihr Anteil der Auswertung nach unter zwei Prozent.
Prognosen zufolge sollen die Demenz-Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen. Derzeit leben laut Alzheimer-Gesellschaft in Deutschland etwa 1,84 Millionen Menschen mit der Krankheit.
Echtes Tier versus Kuscheltier
Kuschelrobbe Paro wurde durch tiergestützte Therapien inspiriert und bereits in den 90er-Jahren in Japan entwickelt. Gegenüber echten Tieren hat Paro ein paar entscheidende Vorteile: "Paro kann man ausschalten. Das klingt jetzt gemein, aber Paro braucht nichts zu essen, Paro braucht nichts zu trinken", erklärt Irina Knecht lachend. "Er wird nicht laut, er beißt nicht, er pieselt nicht", ergänzt Petra Pfeiffer, Geronto-Fachkraft in der Tagespflege.
Roboter kann Pflege nicht ersetzen
Jedoch betont Knecht, dass der Kuschel-Roboter niemals menschliche Pflege ersetzen kann. Paro sei "eine unterstützende Therapie, eine Ergänzung, aber sie löst sie nicht ab." Es müsse trotzdem immer jemand mit dabei sein und die Therapie anleiten. Auch, weil jede und jeder anders auf Paro reagiert. "Man guckt auch so ein bisschen nach den Bedürfnissen. Wer könnte es gut gebrauchen, wer hat es gerade nötig?", erklärt Geronto-Fachkraft Pfeiffer.
Aber nicht für jeden Gast bietet Paro die richtige Therapie. "Mir würden jetzt auch zwei, drei Gäste einfallen, denen würde ich die Robbe nicht hinsetzen", meint Knecht, "weil, die kognitiv noch so klar sind." Je nach Fall müsse man individuell abschätzen: Für wen ist es gut und für wen nicht?
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!