08.01.2024, München - Bauern in ganz Deutschland protestieren derzeit gegen den Abbau von Subventionen in der Landwirtschaft.
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Bauernproteste München - Theresienwiese

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Bauernprotest: Blockaden, Misthaufen, Galgen – was ist erlaubt?

Bauernprotest: Blockaden, Misthaufen, Galgen – was ist erlaubt?

In ganz Deutschland protestieren Landwirte gegen die Politik der Ampel-Bundesregierung. Ihre Aktionen sind vielfältig, von Straßenblockaden mit Traktoren bis zu Misthaufen und Galgen-Symbolen. Was rechtlich zulässig ist – und was nicht.

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Großdemos, blockierte Straßen, abgeladene Misthaufen und mehr: In ganz Deutschland protestieren Landwirte gegen die Politik der Ampel-Bundesregierung. An diesem Montag hat die bundesweite Protestwoche begonnen, auch in Bayern sind die Auswirkungen zu spüren.

Welche Aktionen sind dabei zulässig und welche nicht? Wann greift die Polizei ein? Und sind Traktoren auf einer Autobahn überhaupt erlaubt? Die wichtigsten Antworten auf rechtliche Fragen rund um die Bauernproteste.

Dürfen Landwirte Autobahnauffahrten blockieren?

Nur, wenn das im Rahmen einer angemeldeten Demonstration nicht untersagt wird. Dafür ist auch wichtig, wie lange die Blockade geplant ist und ob andere Verkehrsteilnehmer Umfahrungsmöglichkeiten haben. Für diesen Montag haben einige Behörden erlaubt, dass bestimmte Auffahrten eine Stunde blockiert werden dürfen. Autobahnausfahrten müssen frei nutzbar bleiben, auf der Autobahn muss eine Rettungsgasse garantiert werden. Zudem müssen Rettungsfahrzeuge grundsätzlich durchgelassen werden.

Dass blockierte Autobahnauffahrten genehmigt werden, ist aber nicht die Regel. "Wir verhindern das in unserem Zuständigkeitsbereich grundsätzlich", sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, Reinhard Kolb, auf BR24-Anfrage. Er betont allerdings: Bis zum frühen Mittag habe es in der Region auch keine entsprechenden Versuche gegeben. Das war nicht überall in Bayern so: Bei Erlangen-Frauenaurach blockierten Landwirte am Morgen unangemeldet eine Auffahrt zur A3.

Wann sind strafrechtliche Grenzen überschritten?

Zum Beispiel, wenn eine Versammlung beendet oder aufgelöst ist – und Landwirte mit ihren Traktoren trotzdem weiterhin Autobahnauffahrten oder andere Straßen blockieren. Auch die Blockade an einem Fähranleger in Schleswig-Holstein, die sich gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) richtete, dürfte eine Nötigung darstellen. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt. Im Strafgesetzbuch steht: "Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Misthaufen, die auf einer befahrenen Straße deponiert werden, können strafrechtlich ebenfalls relevant sein. Unter Umständen handelt es sich um gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr.

Was ist mit Galgen, die auf Demos gezeigt werden?

Galgen mit einer Ampel oder Plakate mit der Aufschrift "Habeck hängen": Auch das war bei einigen Bauernprotesten bereits zu sehen. Oft liegen die Parolen im Graubereich zwischen der Meinungsfreiheit und öffentlich geforderten Straftaten bis hin zu Mord.

Klar ist: Wenn Einsatzkräfte zum Beispiel Mordaufrufe sehen, müssen sie das an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. In Baden-Württemberg prüft die Staatsanwaltschaft laut SWR, ob es sich bei den Ampel-Galgen um Straftaten handelt.

Das Fachmagazin "Argrarheute", das sich vor allem an Landwirte richtet, schreibt auf seiner Webseite: "Misthaufen, Galgen, selbst umgedrehte Ortsschilder sind kein Protest, bei denen Landwirte grundsätzlich Narrenfreiheit haben. Das sollte man bei allem Unmut nicht vergessen."

Wann räumt die Polizei und wie hart kann sie durchgreifen?

Das hängt davon ab, was im Vorfeld von den Behörden erlaubt wurde. Polizeisprecher Reinhard Kolb sagt dazu: "Vor den Demonstrationen wird ganz klar in Kooperationsgesprächen zwischen den Anmeldern und uns besprochen, was sie dürfen." Sollten auf der Demo dann nicht erlaubte Sachen passieren, greife die Polizei ein. "Ganz einfach gesagt: Wenn jeder sich an die Spielregeln hält, haben wir ein einfaches Arbeiten."

Sind angemeldete Demos immer unbedenklich?

Laut dem Grundgesetz ist es grundsätzlich erlaubt, sich zu versammeln. Veranstalter einer Demonstration müssen das nur im Regelfall 48 Stunden vorher anmelden. Wenn die öffentliche Ordnung gefährdet ist, kann die zuständige Versammlungsbehörde Auflagen erlassen oder eine Versammlung im äußersten Fall verbieten.

Bei den Bauernprotesten könnte eine Behörde zum Beispiel festlegen, dass eine Autobahn kein geeigneter Ort für eine Demonstration ist, weil durch die Sperrung viele andere Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt wären. Und für alle Demos gilt: Vieles ist erlaubt, aber nicht alles. Verfassungsrechtlich verbotene Symbole sind immer untersagt.

Dürfen Bauern mit ihrem Traktor und subventioniertem Agrardiesel privat auf Demos fahren?

Landwirte dürfen mit ihrem dieselbetriebenen Traktor zu einer Demo fahren und danach wieder nach Hause. Sie dürfen diese Kilometer aber nicht angeben für die Agrardiesel-Subvention.

Generell gilt: Um landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einem grünen Kennzeichen auch auf öffentlichen Straßen nutzen zu können, muss immer der Nutzungszweck angegeben werden. Wer solche Traktoren für private Zwecke nutzt, riskiert strafrechtliche Folgen. Das gilt aber nicht für die Demo-Teilnahme, wie die Generalzolldirektion betont: "Eine Teilnahme an Protestaktionen bzw. Demonstrationen zu land- und forstwirtschaftlichen Themen oder der Energiepolitik ist mit steuerbefreiten Fahrzeugen im Rahmen der steuerunschädlichen Verwendung des § 3 Nummer 7 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) zulässig."

Ist das Diesel-Fahrverbot in München für die Großdemo aufgehoben?

Das Dieselfahrverbot in München ist für die Großdemo der Landwirte an diesem Montag nicht aufgehoben worden. Das teilt das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) auf BR24-Anfrage mit.

Trotzdem verstoßen Landwirte, die mit ihrem eigentlich unter das Fahrverbot fallenden Traktor zur Demo kommen, laut dem KVR nicht gegen die Vorschriften. "Die Einfahrt von Dieselfahrzeugen in die Umweltzone unterfällt während der Versammlungen aber dem Schutzbereich des Art. 8 GG, also der Versammlungsfreiheit, sodass auch Traktoren als sogenannte Kundgabemittel der Versammlungen ohne die entsprechenden Berechtigungen in die Umweltzone einfahren dürfen."

Sind Traktoren auf der Autobahn erlaubt?

Die meisten Traktoren dürfen bauartbedingt nicht auf Autobahnen fahren. Dafür müssen sie nämlich schneller als 60 km/h fahren können, was für die wenigsten Traktoren gilt. Die Fahrer müssen darüber hinaus die nötige Fahrerlaubnis haben.

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord zumindest sind an diesem Montag im Zusammenhang mit den angemeldeten Versammlungen grundsätzlich keine Traktoren auf Autobahnen erlaubt. Wer von dort zum Beispiel zur Demo nach München möchte, muss andere Straßen dafür nehmen.

Blockierte Fähre mit Wirtschaftsminister Habeck: Ist das zulässig?

Der Fall der blockierten Fähre in Schleswig-Holstein mit Wirtschaftsminister Habeck an Bord hat für viele Schlagzeilen gesorgt. Neben dem Vorwurf der Nötigung steht auch der Vorwurf des Landfriedensbruchs im Raum. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt.

Vertreter des Bauernverbands haben sich mehrfach klar von der Aktion distanziert. Solche Vorkommnisse dürften sich nicht wiederholen, betonte der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, bei BR24live. "Es ist vollkommen indiskutabel, Politiker zu bedrängen, unter Druck zu setzen und in die Privatsphäre einzudringen. Das lehnen wir komplett ab."

Bauern-Blockaden und "Letzte Generation": Gibt es einen Unterschied?

Schon mehrmals wurden Klima-Aktivisten in Deutschland wegen Nötigung verurteilt, nachdem sie zum Beispiel Straßen blockiert hatten. Anders als bei den allermeisten Bauernprotesten sind diese Aktionen oft nicht im Vorfeld als Demonstration angemeldet – auch weil sie kaum genehmigt werden dürften. Die Polizei löst solche Versammlungen entsprechend schneller auf. Dazu kommt: Oft gibt es bei den sogenannten Klima-Klebern keinen erkennbaren Ansprechpartner, also Versammlungsleiter.

Wie lange gehen die Bauernproteste noch?

Die Proteste finden am heutigen Montag den ganzen Tag statt. Je nach Region sind auch noch Fahrten gegen 17 Uhr geplant. Hier können Sie nachschauen, wo es in Bayern zu Verkehrsproblemen kommen kann.

In den kommenden Tagen gibt es im Rahmen der bundesweiten Protestwoche weitere Aktionen. In dieser Übersicht des Bayerischen Bauernverbands sehen Sie, ob und wann in Ihrem Regierungsbezirk Protestaktionen stattfinden. Geplant ist zudem eine weitere Großdemonstration in Berlin – am 15. Januar.

BR24live vom 8. Januar zu den Bauernprotesten in Bayern zum Nachschauen:

BR24live zu den bundesweiten Bauernprotesten
Bildrechte: pa/BR
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Bauernproteste

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