Baustellen für die Brenner-Trasse: Entsetzen im Inntal
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Baustellen für die Brenner-Trasse: Entsetzen im Inntal

Baustellen für die Brenner-Trasse: Entsetzen im Inntal

Neuer Streit um den Brenner-Nordzulauf: Diesmal nicht um den Verlauf der Trasse, sondern um den Platz, den die Bahn für die Baustellen braucht. Zwischen Flintsbach und Oberaudorf sorgt die angemeldete Größe für Empörung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Anwohnerfreundlich, sagt die Bahn, solle der Brenner-Nordzulauf werden. Im Inntal kann das keiner erkennen, hier herrscht blankes Entsetzen über die neuesten Pläne. Landwirt Hans Astner blickt sorgenvoll auf das Maisfeld, das sich südlich von Flintsbach an der A93 entlangzieht: Wie lange wird er hier noch Getreide anbauen und ernten können?

Auf dem Acker soll eine riesige Baustelle entstehen, mit Lagerflächen, Fuhrparks, Mischmaschinen, Wohncontainern und allem, was nötig ist, um die Brenner-Trasse durchs Inntal zu ziehen. Astner rechnet vor, dass ein Viertel der Anbaufläche seines Betriebes betroffen wäre. "Wenn das so kommt, dann muss ich aufhören mit meinem Hof", sagt er.

Viele Landwirte fürchten um ihre Existenz

Der junge Familienvater ist auch Flintsbacher Bauernobmann. Er spricht von stiller Depression unter seinen Kollegen. 25 Landwirte seien massiv betroffen vom Platzbedarf für den Brennernordzulauf: "Sie alle würden zwischen 50 und 90 Prozent ihrer Flächen und damit ihre Existenz verlieren."

Astner kann nicht verstehen, warum eine Verknüpfungsstelle, also die Verbindung zwischen bestehender Bahnstrecke und der Brennertrasse, genau hier geplant wird. Das Tal ist an dieser Stelle nur 900 Meter breit, dort fließt der Inn, daneben der dichte Verkehr auf der Autobahn. Dann gibt es noch die zweigleisige Bahnstrecke, eine Landstraße, die unterirdischen Öl- und Gasleitungen und eine Hochspannungsleitung. Und dann müsse man ja noch irgendwo leben und wirtschaften, sagt Astner: "Es ist zu eng bei uns, es hat nichts mehr Platz, die Verknüpfungsstelle hier ist einfach falsch."

Verzweiflung im kleinen Dorf Einöden

In Einöden, nur ein paar Hundert Meter weiter südlich, sieht man das genauso. Um die 40 Menschen leben in dem Weiler. Mehrere Familien haben sich versammelt, um die Lage zu besprechen. Schmucke Häuser stehen auf dem schmalen Streifen zwischen Autobahn und Bahnlinie. Der Nordzulauf zum Brenner soll entweder entlang der Autobahn oder der bestehenden Bahnstrecke verlaufen, das ist noch nicht klar. Eine Vorzugs-Trasse wird demnächst von der Bahn bestimmt. So oder so: Nach derzeitiger Planung rücken die Baustellen unmittelbar an die Terrassen und Vorgärten der Einwohner heran – für zehn Jahre oder sogar noch länger.

Die Einöder befürchten, dass ihre Heimat dann nicht mehr bewohnbar ist. "Wenn das so kommt, dann leben wir in einer Baustelle", sagt Siegfried Rieder, "um uns herum nur noch LKWs, Bagger, Staub und Lärm." Es sei ihm klar gewesen, dass der Flächenfraß für die Baustellen beachtlich sein werde, aber 40 Hektar? Das sei schon eine riesige Fläche in dem beengten Raum. "Da hat's mich schon gerissen", sagt der Familienvater.

"Verkaufen geht nicht, wo sollen wir denn hin?"

Siegfried Rieders Frau findet das alles nur noch furchtbar. Sie könne kaum noch schlafen, sagt Irmi Rieder. Man habe hier ein Haus gebaut, drei Kinder großgezogen, die würden gerne hierbleiben. Aber das stehe nun alles infrage. "Es interessiert sich auch keiner für uns", meint sie. "Wir sind halt nur ein paar, keine große Masse. Jedes Tier, das man hier findet, muss adäquat umgesiedelt werden, aber bei uns Menschen heißt es nur: Dann sucht euch halt was Neues."

Verkaufen sei keine Option, sagt Siegfried Rieder und schließt an mit der Frage: "Wo sollen wir denn hin?" Tochter Pia leidet unter dem Pessimismus ihrer Eltern, versteht ihn aber auch. "Wenn das so kommt, wie geplant, dann sehe ich hier keine Zukunft für mich und meine Geschwister", sagt sie. Die anderen Familien äußern sich ähnlich – in Einöden liegt tatsächlich Verzweiflung in der Luft.

Kampf gegen die Verknüpfungsstelle

Das weiß auch der Bürgermeister von Flintsbach. Stefan Lederwascher (CSU) war klar, dass mit den Baustellen etwas zukommt auf die Gemeinde, aber das Ausmaß habe dann doch alle überrascht. Er fordert bei zwei Punkten Korrekturen: Zum einen müsse auch und vor allem staatseigener Grund wie der Staatswald als mögliche Fläche für die Baustelleneinrichtungen in Betracht gezogen werden. "Es kann nicht sein, dass der Grund der Landwirte genommen wird, wo es um deren Existenz geht, der Staatsgrund aber außen vor bleibt", sagt er. Zum anderen müsse die Verknüpfungsstelle woanders hin, das sieht der Bürgermeister genauso wie die betroffenen Bürger. Man habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, aus dem hervorgehen soll, dass auch eine Verlegung in den Berg, den Wildbarren am westlichen Rand des Inntals, möglich sei. Diese Alternativen will Lederwascher mit Nachdruck in die Verhandlungen mit der Bahn einbringen.

Bahn will "Optimierungen" prüfen

Und die Bahn selbst? Die verweist auf den Auftrag, den sie von der Politik bekommen habe, den sie nach bestem Wissen ausführe. Auf konkrete Fragen von BR24 zum Platzbedarf für Baustellen antwortet eine Bahn-Sprecherin schriftlich: Man sei noch in einer frühen Projektphase und könne die Flächen für Baustelleneinrichtungen nur grob skizzieren. Man werde "mit zunehmender Planungstiefe Optimierungen prüfen". Und: "In späteren Phasen werden wir zudem prüfen, ob alle Flächen über die gesamte Bauzeit benötigt werden. Gegebenenfalls lassen sich einzelne Bereiche bereits vor dem Abschluss der Arbeiten wieder an die Landwirtschaft übergeben."

Beruhigen können solche Worte die Inntaler nicht. Sie fürchten, dass die Baustelle eher länger dauern wird als die genannten "rund acht Jahre". Und über Ausgleichsflächen und die Lagerung der gigantischen Mengen von Abraum sei noch gar nicht geredet worden. Am Nadelöhr der europäischen Verkehrsachse herrschen helle Aufregung und Empörung. Es wird nicht einfach, hier einen Kompromiss zu finden.

Enges Inntal, Wiesen neben Inn und Autobahn und Bahnlinie
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An dieser Stelle soll der Brennernordzulauf kommen. Die grünen Flächen würden nahezu allesamt zu Baustellen, kritisieren Anwohner.

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